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2xhab ich gern gelesen
geschrieben von Sun-Go.
Veröffentlicht: 18.12.2024. Rubrik: Unsortiert


Die Welt die still steht. Part I

Dies ist eine Welt, die aufgehört hat zu sein. . . nichts wird geboren, nichts stirbt. Nicht einmal die Zeit existiert hier... wenn ich einen Ort auswählen müsste, an dem ich geboren werden soll, dann wäre es wahrscheinlich nicht dieser. Und doch, gibt es jemanden in dieser Welt. Ob sie mich sehen kann? Ich wurde ja noch nicht in dieser Welt geboren. . . Das Mädchen, das alleine in einer Welt lebt, die aufgehört hat zu existieren. Das Mädchen, das in einer leeren, stillstehenden Welt lebt. Aus irgendeinem Grund weckt sie mein Interesse . . .
*

In der Schule gehe ich gelassen, oder eher gleichgültig Richtung des nächsten Fachs. Durch ein offenes Zimmerfenster kann ich die anderen drinnen hören:
"Sind Timo und Felix immernoch nicht aufgetaucht?"
"Was denken die sich nur? Sollten die Abschluss Klässler sich nicht ein bisschen mehr Gedanken um ihre Zukunft machen?"
"Ach vergiss die beiden, sieh uns doch an. Wir haben kaum noch Zeit-"
"Psst!"
Ich öffne die Tür zum Zimmer und gehe auf meinen Platz. Ich tue so, als hätte ich nichts gehört, und trotzdem bemerke ich das leise kichern der drei, welche gerade noch über mich geredet haben.
Ich pflanze mich auf den Sitz und lege meine Tasche ab.
"Uhm, Timo?"
Ich schaue auf zu meiner Kindheitsfreundin.
"Was gibt's, Lara?"
Wie immer trägt sie eine Haarschleife an ihrem relativ kurzem Haar. Ein bisschen kürzer als schulterlang. Nervös lächelt sie mich an:
"Timo, du bist heute schon wieder zu spät gekommen."
"Na und?"
"Naja, also ich finde das du jeden Tag pünktlich in der Schule erscheinen solltest..."
Gelassen stütze ich mein Gesicht in meiner Hand ab: "Soso. Du hörst dich ja schon fast wie eine Schülersprecherin an."
Ein schüchternes Zittern liegt in ihren Augen: "Ähm, ich hör mich nicht nur so an. . . ich bin die Klassensprecherin..."
Kichernd fangen an die anderen Jungs mitzureden: "Hey Timo, bring sie bloß nicht zum weinen. Sonst haben wir gleich wieder ihre Schwester am Hals."
Empört wendet sich Lara zu den Jungs: "Was redet ihr denn da, ich werd bestimmt nicht weinen!"

Das war mir dann genug Interaktion: "Hab schon verstanden. Mal sehen wie ich morgen drauf bin. Vielleicht schaff ich's ja.", und schaue gelangweilt aus dem Fenster.
"Da-dann lass mich mal sehen, wie es dir morgen geht. Ich leg dir mal die Karten. Wahrsagerei ist nämlich ein Hobby von mir.", sagt sie entzückt und holt ein Deck Spielkarten hervor.
"Huh?!", seufze ich genervt, aber ich lass sie gewähren.
Unbeholfen und zitternd mischt sie die Karten vor sich hin. So wie sie das tut ist es nur ein Moment- jap, sie hat die Karten fallengelassen. Seufzend beuge ich mich runter, um die Karten aufzuheben.
"Oh, Timo. Du wirst morgen zu spät kommen..."
Meint die das ernst? "Suchst du Streit mit mir, oder was?!"
Schüchtern schüttelt sie den Kopf: "Die Karten sprechen für sich... ich glaube so funktioniert Wahrsagerei..."
Sie zeigt auf die Karten, welche mit dem Bild nach oben auf dem Boden liegen. Überraschenderweise sind es nur drei:
"Du wirst auf dem Weg zur Schule ein romantisches Treffen mit einem unbekannten Mädchen haben. Dabei vergisst du die Zeit und du verspätest dich..."
"Der Detailreichtum ist echt verblüffend.", staune ich nicht schlecht. Sie beugt sich zu mir runter und hilft mit den Karten: "D-Das liegt an der weiblichen Inspiration, weißt d-"
"HEY, Timo!”, wird Lara unterbrochen. Mit einer rasanten Geschwindigkeit fliegt ein Buch auf meinen Kopf zu, ich schaffe es gerade so auszuweichen, und ich habe das Gefühl, dass das durch das Fenster nach draußen geworfene Buch in die Stratosphäre gelangen wird. Die Werferin stand genervt in der Tür zum Zimmer.
„Luna…“, Laras ältere Zwillingsschwester. Sie hat viel längeres Haar, trägt aber dennoch die gleiche Haarschleife wie Lara, nur auf der anderen Seite des Gesichts.
„Du Schwachkopf wagst es allen ernstes meine kleine Schwester zu schikanieren?“, braust sie los und packt mich am Kragen. „Hey hey, ich habe doch überhaupt nichts getan.“, versuche ich abzublocken.
„Das stimmt Luna, er hat mich wirklich nicht geärgert.", kommt mir Lara zur Rettung.
Zögernd lässt sie meinen Kragen los: "Na dann ist ja gut. . . hm? Hat Lara Dir die Zukunft vorhergesagt?" fragt sie auf die zu Boden gefallenen Karten blickend.
"Ja, anscheinend habe ich morgen ein romantisches Treffen mit einem netten hübschen Mädchen..."
Triumphierend lächelt grinst sie verschmitzt, als hätte sie etwas kapiert.
"Hey, was gibt's da zu grinsen?", frage ich.
"Och, nichts. Na dann viel Glück morgen!", haut sie mir auf die Schulter und stolziert laut lachend davon. Oh Mann, wie können zwei Zwillingsschwestern nur solch einen unterschiedlichen Charakter haben?
*

So, wo esse ich denn jetzt? Hmm, vielleicht auf dem Hinterhof? Heute ist es ein bisschen warm, da ist das schattige Plätzchen unterm Baum eigentlich ziemlich passend. . .
"Ein Geist?"
"Ja genau, ich habe gehört er sei erschienen! Der Geist eines Mädchens, was bei einem Autounfall starb!"
Wovon reden die Kerle da . . . hm? Na schau mal an, wer da an meinem Platz sitzt...
*

"Hey", begrüße ich das Mädchen vom Schulweg heut morgen: "Bist du alleine? Warum isst du nicht im Klassenzimmer mit deinen Freunden?"
Still essend schaut sie mich an. Ist das ein selbstgemachter Hamburger in ihren Händen?
"Hörst du mir überhaupt zu?"
Sie schluckt runter: "Ja, entschuldige bitte. Ich hatte nur gerade noch den Mund voll."
"Verstehe", mein ich trocken und setz mich ein bisschen entfernt von ihr unter den Baum.

Und so sitzen wir da. Still schweigend unser Mittagessen essend. Das einzige Geräusch, was die Stille unterbricht ist das leertrinken vom O-Saft Karton, welchen sie dabei hat.

"Also . . . was wolltest Du denn?", fragt sie mich dann, als sie alles weggepackt hat.
Was ich will? Gute Frage. . .
"Ich wollte einfach nur wissen, warum du ganz allein hier draußen zu Mittag isst."
Etwas betrübt schaut sie nach vorn: "Darf ich Dich auch etwas fragen? Magst Du die Schule?"
"Nein, nicht so besonders."
"Ich eigentlich schon. Ich mag sie sehr gern sogar. Früher hatte ich viele Freunde und Lehrer, mit denen ich mich gut verstanden habe. Aber jetzt ist alles anders...", ihr Blick wird immer betrübter.
"Was ist denn passiert?"
"Letztes Jahr konnte ich für lange Zeit nicht zur Schule gehen, ich war kaum im Unterricht, deshalb . . ."
Ich spreche es für sie aus: "Du musst die Klasse wiederholen?"
Mit einem bittersüßem Lächeln nickt sie mir zu: "Ja, ich bin sitzen geblieben, hehe...", kurz darauf verschwindet das Lächeln: "Alle Leute die ich kenne haben mittlerweile ihren Abschluss, und jetzt sind nur noch Leute, die ich nicht kenne auf der Schule... Ich fühle mich, als wär ich auf einem fremden Planeten."
"Hm.", das hätte ich nicht als Essenslektüre erwartet.
Plötzlich schreckt sie auf: "Oh, entschuldige. Ich habe Dich gerade erst kennengelernt und erzähl dir das alles."
Aber das erklärt einiges: "Naja, jedenfalls kenne ich jetzt den Grund für dein Selbstgespräch... bist du denn in keiner AG oder sowas?"
"Nein... ich wollte der Theater-AG beitreten, aber dann hab ich's doch gelassen. Der Grund ist, das ich sehr schwach bin... Ich glaube ich kann den körperlichen Anforderungen nicht nachkommen."
Na mit diesem Gedankengut sowieso nicht, denke ich mir: "Auch wenn du schwach bist, da kann man bestimmt etwas machen. Ich würd an deiner Stelle einfach mal vorbeischauen."
"Aber-"
"Hey, schau mal darüber", unterbrech ich sie und zeig auf ein paar Mädchen, welche von der Dachterasse gegenüber runterschauen: "Wenn du immer so traurig guckst, wirst du nie Freunde finden. Na los, lächle und winke ihnen zu."
"Huh?!"
"Komm, schenk ihnen dein schönstes Lächeln!", emutige ich sie.
Man sieht wie ein kurzer innerer Kampf entsteht, aber schüchtern hebt sie dann die Hand und winkt den Mädchen zu.
Just in dem Moment gehen diese wieder rein. Hm, Fehlschlag.
"Sie haben es wahrscheinlich einfach nicht mitbekommen.", versuche ich sie aufzumuntern.
"In der Klasse ist es ganz genauso. Da falle ich auch keinem auf..."
"Komm schnell, sieh dir das an!", tönt es plötzlich von einer aufgescheuchten Menge, welche Richtung Sportplatz läuft... hm?
*

Auf dem Sportplatz ist viel Radau. Ein paar rau aussehende Jungs fahren rücksichtslos mit ihren Motorrollern rum und machen gefährlich aussehende Tricks.
"Wow, das geht ab, wie die rumheizen!", jubelt mein Freund Felix auf der Bank sitzend.
"Hey, was geht denn hier ab, Felix?", frag ich ihn unbekümmert.
"Ich glaub die suchen Ärger. Die Kerle auf den Motorrollern da drüben kommen von einer anderen Schule. . . sag mal was hast du eigentlich auf meinen Schultern zu sitzen?!", lustig, wie spät er es bemerkt hat. Hm, wer geht denn da auf sie zu? Hübsches Mädchen.
"Warum tun die das überhaupt?", fragt meine Essensnachbarin.
"Laut Statistik bringt unsere Schule die meisten Studenten der Stadt hervor. Einige Typen kommen damit nicht so gut zurecht.", erkläre ich, während ich gerade mein Unifroms-Sakko ausziehe.
"Was hast Du vor, willst du ihr helfen?", blickt Felix fragend zu mir rüber.
"Ich kann nicht einfach blöd rumsitzen und zusehen", meine ich.
"Um Tina brauchst Du dir keine Sorgen zu machen.", wendet eine Schülerin neben uns ein.
"Tina?"
"Kennst Du sie etwa nicht? Sie hat im Frühjahr hier an die Schule gewechselt. Tina Schreiber."
"Die hat richtig was auf dem Kasten, wenn Du jetzt hingehst stehst du wahrscheinlich nur im Weg.", wirft noch eine weitere ein.
Die sind aber in der Überzahl...

"Ich kann hier keine unnötigen Zwischenfälle gebrauchen. Verschwindet bevor ihr noch verletzt werdet. Wenn ihr wieder friedlich abzieht, lass ich euch laufen. . . oder seid ihr hier weil ihr um eine Abreibung betteln wolltet?", spricht Tina die Halodris an. Nun, wie zu erwarten ist solch eine Gesprächseröffnung sub-optimal.
"Willst mich eigentlich verarschen?!", brüllt der eine drauf los und rast auf sie zu, der andere folgend mit einer Fahrradkette um die Faust gewickelt.
Das klingt jetzt übertrieben, aber ich bin mir sicher, dass das, was sich danach abgespielt hat, wirklich so wie ich es jetzt beschreibe geschehen ist: Mit einem Satz springt Tina locker 2 Meter in die Höhe, tritt den ersten Typen von seinem Roller und nutzt den Schwung um den anderen mit einem filmreifen Roundhouse Kick das Bike in Kleinteile zu zertreten. Vielleicht war es auch anders, aber das Gejubel von uns war auf jeden Fall groß.
*

"Sie ist also neu hier, und hat gerade erst die Schule gewechselt?", geht das schüchterne Mädchen mit mir zurück unterm Baum die Information nochmal durch.
"Ja, ihre Situation ist also ähnlich wie deine, und trotzdem ist sie sehr beliebt. Also liegt es nur an dir, wie du die Dinge anpackst.", füge ich meine Teil hinzu.
Wofür halte ich mich eigentlich? Ich bin nicht in der Position, um andere zu belehren. Gerade ich... warum mach ich das eigentlich? Zeit zu gehen...
"Ich muss los."
Hektisch steht das Mädchen auf: "Okay, also dann. Vielen lieben Dank für deine Tipps.", bedankt sie sich bei mir und schenkt mir ein süßes Lächeln, dass es mir ebenfalls ein kleines Lächeln erzwingt:
"Ich bin Timo aus Klasse 12D."
"Ich bin Nathalie, aus Klasse 12B.", erwidert sie: "Es hat mich sehr gefreut!"
*

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