Veröffentlicht: 22.04.2025. Rubrik: Persönliches
Anno Dazumal: 'Gracherl'
Als ich fast vier Jahre alt war, kam mein kleines Brüderchen zur Welt. Ergo blieb meine Mama zu Hause beim Baby. Ich wurde den Männern mitgegeben, dem Papa und dem Opa, die sich vorher nie ums Kind gekümmert hatten, war das doch in aller Augen reine Frauensache.
Mein Vater hob mich direkt vor sich aufs Rad, auf die Sitzschale, die Füße wurden in den Fußrastern befestigt, und ab ging die Fahrt. Wir fuhren durch den Wald, ein paar Meter über Wiesen, dann landeten wir in der Waldwirtschaft. Die Männer setzten sich an einen Biergartentisch und mich, achtlos, auf den nächstbesten Stuhl aus einem Eisengestell mit Holzbrettchen, wie Wirtschaftsstühle halt früher überall waren.
Sie kauften mir ein Gracherl (das ist eine Zitronenlimonade) mit zwei Strohhalmen, damals gab es noch welche aus echtem Stroh, und sich jeder eine Mass.
Gemütlich saßen sie da, Vater und Sohn, einträchtig, in ihr Männergespräch vertieft, doch auf einmal gab es einen Plumps, Kleinkindergeschrei. War ich tatsächlich rückwärts durch den Stuhl in die Brennnesseln gefallen! Die zwei Männer hatten nicht darauf geachtet, dass ich zu klein war für irgendeinen Stuhl, brauchte eben einen mit einem zweiten Draht hinter mir als Rückenlehne, solche Stühle gab es genauso. Sie hätten bloß zu schauen brauchen. Stattdessen mussten sie sich jetzt mit dem plärrenden Kind beschäftigen, mit seinen Brennnessel-Pusteln. Was sie dann schon taten, kopfschüttelnd.

