Veröffentlicht: 29.05.2025. Rubrik: Nachdenkliches
Der Tag der Kakerlake
Der Ausschuss der Kakerlaken tagt. 20 Delegierte, aus jedem Land, nehmen an der Sitzung teil. Präsident Cucarachon begrüßt die Anwesenden und betont, gleich zu Beginn:“ Die Population unserer Spezies konnte erneut einen deutlichen Zuwachs verzeichnen. Ich sage nur: Weiter so! Dankenswerterweise hat der Mensch den Einsatz von Chemiekeulen weitgehend eingestellt und dafür Sorge getragen, dass sich das Klima, zu unseren Gunsten, kontinuierlich verändert.“ Schallender Applaus ertönt aus dem Publikum. „Ein weiterer Dank gilt den Urlaubern, die uns in ihrem Gepäck einen 5-Sternekomfort bieten. Zu keiner Zeit war es für uns so einfach, andere Kulturen, Lebensräume und Völker kennenzulernen. Dadurch konnten wir neue Überlebensstrategien entwickeln und bestehende verbessern.“
„Erschreckend sind jedoch die Bestrebungen, uns Kakerlaken auf den Speiseplan der Menschen zu setzen. In Fernost und Australien hat man bereits – im wahrsten Sinne des Wortes – Geschmack an uns gefunden. Nur in Amerika und Europa zieht man auch weiterhin Tofu und Bratwurst auf dem Grill vor. Also: Augen auf bei der Wahl des Wohnorts!“ Betroffen nicken die Delegierten aus China und Kambodscha.
Der Präsident fährt fort: „Womit wir uns nicht abfinden dürfen, ist die schamlose Diskriminierung unserer Spezies bei Ehrentagen. Es gibt einen Maustag, Tag des Hundes, Tag der Katze, ja sogar einen Tag des Ameisenbärs. Nur uns, hat man bisher noch nicht gewürdigt.“
Laute Buhrufe und Pfiffe hallen durch den Raum. „Kakalophobe Rassisten! Skandal!“ „Wir waren zuerst auf der Erde.“ „Was glauben die denn, wer sie sind?“
„Ruhe!“ ruft Cucarachon von seinem Pult und fährt fort: „Am 28. Februar werden wir zukünftig prächtige Flug- und Straßenparaden in jeder Stadt organisieren. Mit Plakaten und Gruppengesängen sollten wir diesen Tag nutzen, und Mensch für seine Fürsorge danken. Denkt daran: wenn es dem Menschen gut geht, dann geht es auch der Kakerlake gut.“

