Veröffentlicht: 20.05.2025. Rubrik: Total Verrücktes
Vorsicht, bissiger Hund
stand auf einem Schild am Hoftor. Gemeint war damit Hannibal, ein schwarzer Schäferhund, von bedrohlicher Größe, mit einem noch viel bedrohlicheren Gebiss. Lange Zeit machten alle Kinder einen Bogen um das Anwesen. Für Hannibal wäre es ein Leichtes gewesen, über den niedrigen Zaun zu springen und sich eines von ihnen zu schnappen. So wie bei Rotkäppchen und der Wolf, stellten sie sich ihr Schicksal vor, wenn sie einer Bestie wie Hannibal zum Opfer fallen würden.
Dann kam der Tag, an dem eines der Kinder sein Taschengeld aufbessern wollte. Die Tageszeitung austragen ermöglichte zwar kein langes Schlafen, aber die gute Bezahlung sollte das kompensieren. Leider gehörte auch der Besitzer von Hannibal zu den Abonnenten des Morgenblatts. Der kleine Junge lag die ganze Nacht wach im Bett und überlegte, wie er mit dieser Gefahr umgehen sollte. „Ich hab`s“, triumphierte er. „Ich nehme die Zeitung in die Hand und werfe sie, bei „voller Fahrt“, über den Zaun.“
Gelassen bepackte er sein Fahrrad und startete die morgendliche Runde. Freundlich grüßten ihn die Dorfbewohner und ebenso freundlich war Petrus, der ihm ein wahres Kaiserwetter bescherte. Gut die Hälfte der Zeitungen war verteilt. Der nächste Kunde sollte das Herrchen von Hannibal sein. Der kleine Bote nahm die Zeitung aus der Satteltasche und beschleunigte, aber als er den riesigen Schäferhund am Zaun erblickt, vergaß er weiter zu strampeln, verlor das Gleichgewicht und landete direkt neben dem Zaun. Auf der anderen Seite erblickte er zwei blutunterlaufene Augen und ein mächtiges Gebiss. „Hilfe, Hiiilfe,“ schrie er, wie am Spieß. „Hoffentlich hört mich jemand, bevor die Bestie mich verschlingt,“ ging es ihm durch den Kopf. Hannibal erschrak und setzte zum Bellen an:“Wau-hicks, hicks, hicks“, ertönte es aus dem Maul des Hundes. Der Knabe setzte sich auf und starrte in Richtung von Hannibal. „Was ist das denn? Hat der Schluckauf?“ Er nahm allen Mut zusammen und schnitt Grimassen in Hannibals Richtung. Und je mehr er ihn provozierte, um so erbärmlicher waren die Laute des Hundes. “Wau-hicks, hicks.“ Jetzt konnte sich der Junge nicht mehr beherrschen. Laut prustete er los und lachte, bis ihm die Tränen über die Wangen liefen. Irgendwann wurde das Hicksen leiser und der Wachhund verkroch sich winselnd in eine Ecke.
Auch der Junge hatte, vor lauter Lachen, Bauchweh aber wollte unbedingt seine Freunde an dieser Entdeckung teilhaben lassen. Schnell lieferte er die restlichen Zeitungen ab und trommelte die anderen Jungs zusammen. Schon von Weitem erblickten sie Hannibal, der hinter dem Zaun wachte und knurrte. Als er den kleinen Zeitungsboten erkannte, begann er laut zu knurren. Dem Knurren folgte ein: Wau-hicks-hicks und grölendes Gelächter der Kinder.
Seit diesem Tag ergriff Hannibal, beim Anblick der Knaben, die Flucht und verkroch sich in einer Ecke. Zu groß war seine Angst, erneut von einem Schluckauf heimgesucht zu werden.

