Kurzgeschichten-Stories
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geschrieben 2019 von Torsten Radisch (Torsten Radisch).
Veröffentlicht: 14.11.2018. Rubrik: Unsortiert


Anna

Ich sah dein goldenes Haar
wild und fordernd im Wind
Dein Lächeln zeigte mir den Weg
Deine Berührung die Methode
Liebe – so unflätig sie sein mag
- allgegenwärtig und voll Macht
nie werd ich sehen was sein kann
doch immer was geschehen
Und wenn einst mein Gespinst sich rührt
voll Zaudern und voll Zagen
sei ihm gut wie sich’s gehört
- erzähle meine Sagen

Ein Mann schleicht um ein Hochhaus und wartet dann vor der Tür. Niemand geht hinaus oder hinein. Er läutet irgendwo. Eine Frauenstimme krächzt: „Ja?“ „Post!“ sagt der Mann. Der Türöffner summt und er geht hinein. Mit dem Fahrstuhl in den obersten Stock, die Treppe weiter hinauf und findet den Zugang zum Dach. Der sollte doch versperrt sein. Aber die Götter haben eine Vorsehung. Der Mann steigt eine Leiter zur Dachluke, öffnet sie, geht hinaus bis an den Vorsprung. Er blickt nicht nach unten, nur in die Ferne. Ohne Gedanken lässt er sich fallen. Er hört noch die Luft, die an seinen Ohren vorbeiströmt. Dann wird es still in seinem Kopf.

Dieser Mann war einst ich.

Rückblende.

„Radisch! Nimm deinen Arsch runter!“ höre ich den Hauptfeldwebel plärren. Ich sehe die Einschüsse aufspritzen. Der Staub raubt mir den Atem und ich muss ausspucken. Zeit um einen Schluck Wasser zur Benetzung der Zunge habe ich nicht. Keiner von uns. Der Gegner ist wohl organisiert. Ich gebe ein paar Schuss in die vermutete Richtung des Gegners und rolle mich nach links bis ich an meinen Kameraden Markus stoße. „Woher kommt der Beschuss?“ plärr ich ihn an. Er schüttelt mit dem Kopf und schreit zurück: „Gleichzeitig von Zwölf, Drei und Neun!“ „Scheiße!“ schrei ich in den Sand. Ich rolle wieder zurück in meine Stellung. Stellung? Ein alter, trockener Wassergraben. Ich schieße nach vorn und grabe mich mit allen Gliedmaßen in den Sand. Die Erde ist des Soldaten Freund. Tief; Tiefer. Kaum, dass ich noch denken kann. Wir schießen. Der Gegner schießt. Wir sind hier in fremden Landen, aber zur Unterstützung – doch nicht um Krieg zu führen. Mit jedem Atemzug spüre ich diesen gottverfluchten Sand der tief in die Lungen herein fällt und einen glauben lässt zu ersticken. Ich schieße. Ich kann nicht mal sehen wohin. Verflucht noch mal: Das Gewehr hat Ladehemmungen! Ich wechsle das Magazin, schmeiß das fast leere zur Seite, führe ein neues ein. Verschluss zurück. Eine Patrone klemmt. Tausendmal hab ich eine Störung beseitigt, aber nicht, wenn mir gerade der Arsch wegschossen wird... Zwischen all der Schießerei und dem Geschrei kann ich auf einmal den Ruf: „Sani!“ vernehmen. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass es Markus erwischt hat. Der rudert mit den Armen. Ich kann ihm nicht die Hand reichen denn der Beschuss ist so stark... Er ist in diesem Drecksloch im Nirgendwo dann auch nicht mehr ins Leben zurück gekehrt...
Dann Handzeichen: Unterstützung kommt! Erleichterung. Aber: Im Camp bist du noch lange nicht!
Plötzlich bekomme ich einen Schlag auf die Backbord-Seite von meinem Kopf. Muss wohl ein Streifschuss gewesen sein. Mein Blick wird schwammig - kurz vor einer Ohnmacht. Gar nicht schlecht so ein Gefechtshelm denk ich noch... Ich fühle mich aber eher wie: ‚Eine Flasche Tequila und ein Schlag in die Fresse’. Von Fern vernehme ich noch vertraute Motorengeräusche. Kameraden sind da als Ersatz. Zwo von den Jungs müssen mich aufziehen - bin wohl etwas schwach auf den Beinen... Aber es geht gleich wieder. Da! Der Gegner hat Augen! Seine Mörsereinschläge kommen näher. Nichts wie weg! Aber wohin? Wir schleppen uns in die Transportfahrzeuge. Wer noch laufen kann macht Platz. Der Beschuss wird stärker. Auf einmal eine gewaltige Detonation. IED. Später erfahren wir, dass ein Dingo auf einen Sprengsatz aufgefahren ist. Zwo Kameraden gefallen. In meinen Ohren läuten nur noch Glocken. Ich sehe die Verwundeten, die Toten, abgerissene Gliedmaßen, Blut. Langsam kann ich wieder was hören, aber das will ich nicht denn ich höre die Schreie der Verwundeten. Wenn du einen erwachsenen Mann nach seiner Mutter rufen hörst bist du irgendwie erleichtert, wenn es leise verstummt.
Wir haben es an diesem Tag ins Camp zurückgeschafft. Zu einem Blutpreis. Ich nehme mir noch eine Dose Bier aus dem Versorgungszelt aber nach gemütlich ist heute niemand zumute.

Als unsere Gefallenen nach Deutschland überführt werden sollen meint der Kompaniechef ich soll mitfliegen da ich ja auch privat ein guter Freund vom Markus war. Immerhin habe ich auf seiner Hochzeit getanzt. Ich will nicht, aber es ist Befehl. Wir fliegen mit der C-160 – der Transall – in die Heimat. Bei der Beisetzung will ich der Witwe kondolieren. Aber die Andrea schaut mich nur an und meint: „Warum bringst du mir meinen Mann in einem Sarg zurück? Warum liegst nicht du darin?“ Ich sehe noch ihren Babybauch. Sie hat Recht. Ich sollte auf dem Feld sterben nicht er. Wie erzählt man so eine Geschichte auf einer Cocktail-Party? Scheiße.

Es sind Narben an Leib und Seele.

Trennung.

Ich will einmal ein glückliches Ende…

Ich besuche meinen Kamerad Armin in Salzburg. Wir trinken und schwatzen. Da kommt der Hirsch auf die Idee, dass wir das Fenster öffnen, leere Bierdosen auf die Fensterbank stellen und mit seinem AUG Sturmgewehr drauf schießen. Natürlich marschieren die Projektile durch das Weißblech und schlagen beim Nachbarn ein. Des war a Gaudi! Im Schießen war ich schon immer gut. Auch auf bewegte Ziele… …Alter Gebirgsjager halt… nach dem Motto: Hat es Räder kann ich’s fahren, hat es Haare kann ich’s reiten…
Wir wollen noch in den Park gehen da die Sonne lacht und dort noch ein Bier trinken. Machen wir. Armin entdeckt auf der Brücke über die Salzach einen Bettler. „Den ärgern wir jetzt!“ meint der Armin. Wir gesellen uns zu ihm und jeder der über die Brücke geht wird zuerst von uns angesprochen. So etwa: „Haben sie einen Euro? Mein Ferrari braucht ja so viel Sprit…“ Oder: „Ich habe acht Kinder und die passen nicht in meinen Porsche! Vielleicht eine kleine Gabe?“ Und zu einer jungen Dame: „Ihre Augenfarbe passt hervorragend zu meiner Bettwäsche! Für einen Euro fahr ich sie heim!“ Das Mädchen muss so lachen und gibt tatsächlich zwo Euro. Ich mein zu ihr: „Da ist ja die Heimfahrt schon mit dabei! Aber gib sie dem Bettler – der braucht es mehr.“ Ein Lächeln versüßt mir den Abend.

Armin und ich beschließen noch an der Salzach entlang ins Shamrock zu watscheln. Der Türsteher begrüßt uns mit Handschlag und Schulterklopf mit den Worten: „He – ihr Pfosten! Is scho a Zeitl her!”
An der Bar angekommen begrüßt uns der Wirt und zapft sofort zwei Bier für uns. Auf der Bühne läuft Soundcheck und ich dreh mich um – des sind ja meine Burschen! Ich stürme auf die Bühne. „Servus!“ Begrüßung. Der Norbert meint: „Ja – spielst du mit heut? Die Songs kennst du ja…“ „Ja.“ sag ich. „Aber ich hab meine Klampfe nicht dabei.“ „Du kannst dir eine von mir borgen.“ sagt der Clemens. Wohlauf, Wohlan und Hurra die Gams! Wir spielen und singen. ‚Sally MacLennane’ ‚…In the Pub where I was born… …So buy me Beer and Whiskey cause I’m going far away…’ Hab ich schon ewig nicht mehr intoniert. Es gibt Applaus, die Leute lachen fröhlich, trinken, fordern mehr. Wir spielen uns die Finger blutig. Sobald ein Glas leer ist bringt der Wirt sofort Nachschub. Auch den guten irischen Whiskey…
…Ich bin dann am nächsten Morgen auf dem Sofa vom Armin erwacht…
Der bastelt grad Frühstück. Ich beschließe entgegen jeder Vernunft mich zu bewegen und nach dem erfolgreichen Besuch der Toilette einen Kaffee zu wagen. Ich kann nur hoffen, dass ich meinen Mageninhalt nicht jedermann preisgeben muss... Der Armin muss zur Arbeit und saust los. Ich danke allen Göttern, dass ich heute einen freien Tag hab. Ich schau noch beim Armin ein wenig Fernsehen. Bei den Nachrichten wird mir schon wieder übel. Im Magen Stärke Zwölf auf der nach oben offenen Richterskala… Da ruft mich der Armin an und meint: „Vergiss nicht die Anna!“ Ich muss mich erheben und frag: „Welche Anna?“ Armin: „Die schöne Schwedin von letzter Nacht!“ Auweh zwick… Ich wage es und frag halt schüchtern: „Was war denn letzte Nacht…?“ Ein schallendes Lachen schalmeit mir ins Gehör. „Weist nix mehr?“ will der Armin wissen. Ich mein nur: „Ich bin heut noch nicht gesellschaftsfähig…“ und wieder Lachen. Der Armin meint noch prustend: „Du hast dich mit ihr für heut Abend verabredet! Viel Spaß!“ Lachend legt er auf.
Ich ruf ihn sofort zurück: „He - du Hinterlader! Wo und wann bin ich verabredet?“ Der Armin kann vor Lachen kaum noch atmen: „Im Shamrock gegen Acht Uhr!“ Er schnappt nach Luft wie ein Fisch an Land. „Ja – Äh, danke noch…“ mein ich und leg wieder auf.
So ein Mist! Ich weis aus entbehrungsreichen langen Jahren des Selbstversuches, dass wenn man sich nicht an ein Ereignis erinnern möchte das Gehirn das ausblendet – vor allem wenn man gesoffen hat wie ein Leichtmatrose auf Landgang! Ich glaub ich mach jetzt erst mal Lach-Yoga…
Ich ruf doch noch mal den Armin an. „Sag mal – das war aber schon ein Mädchen? Nicht die Überraschung wie mit den brasilianischen Nutten die sich dann als Kerle erwiesen?“ Der Armin lacht: „Du warst mit ihr zugange. Heut Abend kannst du ja noch mal nachschauen…“ Lacht und legt auf. Sei’s drum!

Warum können Frauen eigentlich besser Krawatten binden als wir Männer…?

So – ich versuche mich aufzuraffen – schaff es nach einer kalten Dusche und saus nach Hause. Anna. Was ist gestern alles geschehen? Oh - Mann… Ich brauch ein Bier... denk ich… ich trink einen Kaffee obwohl mir Whiskey grad lieber wäre.

Sodann! Ich rasiere mich, ziehe meinen guten Anzug an, schwarzes Hemd, Gilet, Sakko, Hut und meine kleine Walther P22 wandert in meine Sakkotasche. Ich marschiere zu meiner Hausbank. Vor der Sparkasse ruf ich ein Taxi und mein aber noch: „Warten sie vor der Bank – ich brauch vielleicht noch etwas Zeit.“ „Kein Problem.“ Höre ich die Antwort. Ich gehe in die Bank zur Kasse. Glücklicherweise steht vor mir eine Dame. Ich nehme die Faustfeuerwaffe, drück den Verschlussfanghebel nach oben, ziehe den Verschluss zurück, lasse ihn nach vorne schnalzen und schieße zur Decke. Alle ducken sich, manche schreien. Die Frau vor mir an der Kasse ziehe ich an ihrem Arm nach oben, halt ihr die Waffe an den Kopf und mein zu dem Mann hinter dem schusssicheren Glas: „Du weist wie es läuft…“ Der nickt nur und nimmt alle Scheinchen, die er hat zusammen und schiebt sie mir unter der Scheibe durch. Ich sag zu der Dame: „Setzen sie sich hin!“ Ich schnab mir das Geld, lauf aus dem Gebäude und spring behände in das bereitstehende Taxi. Es ist der Herbert. „Servus!“ sag ich. „Ich müsste nach Salzburg ins Shamrock.“ „Alles klar.“ meint jener. Der Herbert saust los.
Wir schwatzen ein wenig. Kaum dass wir über die Grenze sind hören wir den Funk: Bankraub, dringend gesucht, Beschreibung, etc… Der Herbert schaut mich nur an, schüttelt den Kopf und meint: „Und wie heißt sie?“ „Anna.“ sag ich. „Und ist sie es wert?“ fragt Herbert. „Ich weiß nur dass sie Anna heißt, aus Schweden stammt und ich offensichtlich letzte Nacht bei ihr lag.“ antworte ich. Der Herbert lacht und fährt ein paar Abkürzungen. Passend läuft im Radio: ‚I Fought The Law’ von Stray Cats. Vor dem Lokal lässt er mich raus. Er meint grinsend: „Zahlen brauchst du nicht und ich gebe dir eine Stunde Vorsprung.“ „Danke.“ sag ich höflich und hüpf naus. Beim Toni vorbei direkt an die Bar. Noch bevor ich zum Wirt Servus sagen kann hab ich schon mein Kilkenny vor der Nase. Ich trinke gemütlich da es ja noch nicht Acht Uhr ist. Der Wirt – dessen Name unaussprechlich ist da er aus Wales kommt - spendiert noch einen Whiskey.

Insektensterben ist ja auch ein Thema…

„Hallå!“ tönt es hinter mir. Ich dreh mich um und eine wunderschöne Frau steht vor mir. Sie sieht den Bildschirmschoner in meinem Gesicht und meint: „Anna! Von letzte Nackt!“ Wow! Denk ich. Und diese blonde Granate ist freiwillig mit mir mitgekommen? Alter Dosenöffner! „Dorsten? Richtik?“ fragt sie mich. „Äh – ja…“ mein ich und: „Willst du was trinken?“ Anna schiebt mich zur Seite und meint zum Wirt: „En Öl!“ „What the Hell?” pfeift der Wirt. „Sie will ein Bier du walisischer Vollpfosten!“ sag ich zu ihm. Glück – er hat nur Bier verstanden und nicht den Rest – ich kann mich nicht schon wieder mit ihm prügeln.
So sitzen wir an der Bar und lutschen unser Bier. „Skål!“ Ich platze: „Weißt du noch was von letzter Nacht?“ Anna: „War lustig…“ „Wie lustig?“ frag ich etwas in Sorge. „Na – Spaß…“ lacht sie. „Haben wir?“ frag ich und mir wird unwohlsam heiß. Anna lacht: „Und wie! Wenn Mann betrunken dauert viel länger…“ ‚Na danke’ denk ich noch.
Wie kann man sich denn an ein solches Geschoss nicht erinnern? Ich sollte mit der Sauferei bremsen…
Die Süße merkt was mich bewegt, streichelt mir übers Gesicht und säuselt: „Heut nikt so viel Whiskey, Ok?“ „Ok...“ murmel ich zurück. Plötzlich dreht der Wirt die Musik laut. Es ertönt: ‚South Australia’ von The Pogues. Ich schnab mir die Kleine und ab auf die Tanzfläche. Eine wilde Polka! Wir lachen und schwitzen. Das Bier danach verdunstet schon auf der Zunge. Wir lachen und trinken. Die Kleine hat aber auch einen Zug – ich kann kaum mithalten! Das lass ich mir als Bayer nicht bieten, dass ein Wikingerweib mich unter den Tisch trinkt! Ehre fürs Bayernland! „Noch ein Bier walisischer Mundschenk!“ befehle ich. Oh, Mann…

Auf einmal seh ich im Augenwinkel Polizei zur Tür hereinspazieren.

Ich nehme Anna an der Hand und zieh sie Richtung Toiletten. „Komm mit – ich zeig dir was.“ sag ich. „Skit… Jetzt schon? Na, gut…“ lacht Anna. Wir gehen aber den Hinterausgang raus, die Treppen hoch und stehen bald draußen auf der Judengasse. Anna lacht: „Bist du vor der Polis gegangen oder? Was hast du denn gemakt?“ Antwort: „GBM…“ „Is das Drogen?“ will sie wissen. „Nein – Geldbeschaffungsmaßnahme…“ murmel ich. „Du hast ne Bank klargemakt!“ lacht sie und gibt mir einen Kuss. „Wie viel?“ lächelt sie. „Für heute wird es schon reichen…“ mein ich etwas zerknirscht.
Wir schlendern Pfote in Pfote den Alten Markt hinauf. Ich gebe Anna meinen Hut. „Aufsetzen!“ befehle ich. Sie lacht und sieht umwerfend aus wie ihre blonden Locken unter dem Hut hervorlodern. Wir wandern weiter Richtung Domplatz. Dort angekommen bleiben wir stehen. Anna ist fasziniert von dem großen Dom. „Wir kommen tagsüber mal wieder her - da ist der Dom zugänglich. Unter dem Dom gibt es Ausgrabungen der Römer und Kelten.“ erkläre ich. Anna stimmt begeistert zu. Und zur Burg will sie auch! „Ja.“ sag ich. „Sobald wir Zeit haben besuchen wir die Festung.“ Wir latschen weiter über den Kapitelplatz durch die Kapitelgasse zur Kaigasse. Dort gibt es ein verträumtes Lokal. ‚Zwettler’s’. Wir gehen die schmale Treppe hinauf und nehmen Platz. Des Dirndl fragt: "Was soll’s denn sein?" Anna will roten Wein, ich bleib beim Bier. Bald kommen die Getränke mit einem Lächeln. „Wollt ihr was essen?“ fragt das Mädchen. Anna und ich schauen uns an. Wir beide wackeln mit dem Kopf. „Jetzt grad ned.“ mein ich.
Ich blicke Anna an, denke und sage: „La Filia del Sol…“ Anna fragt mit Augenzwinkern: "Was heißt denn das?" „Die Tochter der Sonne…“ antworte ich. Sie lächelt bezaubernd…
Die Einrichtung besteht aus schwarzem warmem Holze, auf dem Tisch eine einsame Kerze. Die Jukebox tönt: ‚A Pair Of Brown Eyes’. Anna und ich schauen uns in die Augen und fangen gleichzeitig zu lachen an. „Gott – ist das kitschig!“ entweicht es mir. „Aber“ – sagt Anna – „so romantik…“ Nun das bin ich hoffnungslos auch – aber ich sag’s nicht. Wir trinken und unterhalten uns gar prächtig. Ab und zu ein verliebter Kuss… „Älskling…“ meint sie und küsst mich mit ihrem Honigmund. „Sind wir heute Nackt im Hostel? Nonntal? Kärlek?“ fragt die Süße. „Ich weis noch nicht.“ überlege ich. Sehr spät in der Nacht taumeln wir weiter. Die Kaigasse rauf, beim Mozartkino vorbei und da treffen wir auf die Kathi. „Wo kommst du jetzt her?“ frag ich. Sie begrüßt mich mit einem Busserl. „War unterwegs… im Zirkelwirt, Papagenoplatz.“ antwortet sie. Und weiter: „Du hast doch selbst dort gewohnt!“ „Ja – ist lange her…“ sinniere ich und stelle vor: Anna – Kathi, Kathi – Anna. Servus. „Wo wollt ihr denn jetzt hin?“ fragt die Kathi. „Keine Ahnung – vielleicht weiter übern Unipark ins Hostel?“ überlege ich. „Ihr könnt aber auch bei mir pennen.“ meint Kathi. Ich sag: „Des ist mir recht da ich im Hostel meinen Ausweis zeigen müsste…“ Kathi schmunzelt: „Hast wieder was angestellt?“ „Jahaa...“ sag ich verlegen. „Na dann kommt mal mit Kinder!“ meint Kathi. Sie wohnt ja gleich gegenüber. Wir trampeln die Stufen hinauf in die Wohnung. Kathi öffnet eine Flasche Wein und wir trinken und schwatzen. Ich Depp zitiere noch die Pharaonin Kleopatra: „Das erste Glas ist für den Durst, das zweite Glas für den Genuss und das dritte Glas ist für die Lust…“ Die Mädels grinsen nur. (Mit der Kathi hat ich mal was – mit ihrer Schwester auch… Wenn ich ihre Mutter auch noch aufs Kreuz gelegt hätte, hätte ich die ganze Familie durch…) Ein Wort habe ich noch: „Ein italienisches Sprichwort lautet übersetzt: Liebhaber und Gläser Wein sollen nicht gezählet sein!“ Als wir betrunken genug sind schlupfen wir ins Bett. Ich muss gestehen, dass ich nicht weis wo ich grad bei wem hinlange und welche Hand mich grad gar liebhat. Wurscht.
Als ich am Morgen – oder Mittag – erwache seh ich einen kleinen Hobbit der mit einem großen Hammer aufs Bett springt und mir kräftig auf den Schädel haut. Ich versuche aufzustehen… Gott – der Kopf bimmelt immer noch. Ich höre Gelächter aus der Küche. Die Mädels sitzen bei einem Kaffee zusammen und quatschen. Als mich Anna sieht plärrt sie: „Ruft Beowulf – Grendel ist wieder da!“ „Ha, Ha.” murmel ich. Als ich im Bad in den Spiegel guck mein ich laut: „Kathi! Du hast hier ein Bild von einem sehr hässlichen Mann!“ Die Hühner gackern lustig und laut.
Als ich mich improvisatorisch aufgebacken hab geh ich in die Küche, Tasse, Kaffee. Ich scheuch die Anna auf, setz mich, bugsiere sie auf meinen Schoß, nehme meinen Kaffee und schaufel löffelweise Zucker hinein. Die Kathi hat ihr Kinn auf einer Hand aufgestützt und beobachtet mich rätselnd. Ich vermelde bedeutungsschwanger: „Ein arabisches Sprichwort lautet: Ein Kaffee muss sein wie ein Weib – Schwarz, heiß und süß!“ Die Mädels gucken sich an und grinsen. Anna meint: „Wir sind nikt schwaz. Ik blond, Kathi rot.“ Ich mein: „Es zählt trotzdem! Aus!“
Nach dem Kaffee will ich was singen – warum auch immer… ‚The Parting Glass’ ist meine Wahl. Ich sing vor mich hin, Kathi schwelgt und die Anna legt ihren Kopf auf meine Schulter. Als ich fertig bin meint Anna: „Das so traurig.“ „Ja“ mein ich. „Aber es passt zu meiner Stimmung.“ mein ich noch. Anna grinst: „Soll ik dir Eier kraulen das du lakst?“ Jetzt muss ich wirklich lachen. „So!“ meint die Kathi, geht zum Radio und legt auf. ‚God Save The Queen’ von Sex Pistols. Kathi hüpft zur Musik, dass ihre Tittis wackeln. Anna und ich grinsen uns an. Was soll’s – wir hüpfen auch mit. Kathi hat die Musik so laut, dass man sie wohl auch in Bayern noch hört. Ich trage Befürchtung da dies ein furchtbar altes Gemäuer ist – nicht, dass es noch unter unseren Hufen einstürzt…
Nachdem die Mädels in der Maske waren schlendern wir los zur nahen Alten Post. Frühstück. Also: Bier, Wein und Gelächter. Erstaunlicherweise läuft ‚Sweet Home Alabama’ von Lynyrd Skynyrd. Da wir alle drei Sonnenbrillen tragen fragt der Kellner: „Lange Nacht, oder?“ „Schleich dich!“ pfaff ich ihn an. Der lacht nur. Ich bell ihm hinterher: „Mach mal mehr Musik!“ Er lacht laut. „Förbennad!“ faucht ihm Anna hinterher… Ich liebe es, wenn ich die Sprache nicht versteh – bietet Raum zur Interpretation…

…Und Zoe ist eine alte Trödeltasche…

Nach dem Frühstück latschen wir weiter Richtung Hostel hinaus. Das ist etwas abgelegen. Nur eine alte Allee führt dorthin. Ich finde einen alten Opel Kadett. „Wachposten Mädels!“ befehle ich. Kathi stellt sich vor den Wagen und Anna dahinter. Ich öffne mit ein paar Handgriffen die Tür und die Kathi meint „Woher weißt du denn so was?“ „Ruhe!“ zisch ich. Ich hüpf in das Thievemobil und reiße die Verkleidung unter dem Lenkrad runter. Zündspule rechts, positive Seite der Spule, Gang raus, Feststellbremse raus, Lenkrad mit flachem Schraubendreher Mitte Lenksäule entsperren, auf die Relais achten – kein Kontakt zu Metall, den roten Draht mit Masse verbinden, den blauen Draht dazu und funk, funk, funk – der Wagen bockt. Funk, funk, funk, bock. Funk, funk, funk, bock. Ich werd wahnsinnig. Endlich springt der Motor an! Die Mädels geben Applaus und ich zwirble noch die Drähte zusammen während die beiden in den Wagen hüpfen. Ich saus los kehre rasch um und bin wieder auf einer Kreuzung. „Wohin des Weges?“ frag ich in die illustre Runde. „Immer der Nase nach!“ meint Kathi. Anna lacht. Ich fahr stadtauswärts. Kurz vorm Flughafen ist eine Tanke. Wir machen Rast. Tanken, Bier, Zigaretten und – wie immer – Wasser als Deko. Der Kassierer meint noch mahnend zu mir: „Beim Tanken Motor aus!“ Ich mein: „Des geht grad ned, weil der Bock sonst nicht mehr anspringt.“ Er meint: „Wie wär’s mit einem Zündschlüssel?“ Und grinst dabei. „Ja“ - sag ich. „Wir sind ja schon weg…“

Wir fahren am Airport vorbei und da meint die Kathi: „Hier in Himmelreich (heißt wirklich so...) kannst du mich rauslassen. Ich schau noch bei einer Freundin vorbei.“ Zwomal Bussi und weg ist sie. Wir fahren weiter. Ich fahre die Kleine (die im Übrigen genauso groß ist wie ich...) tief hinein ins Nebelgebirge.
Ich fahre und gleite. Wohin? Ich weiß es nicht. Durchs Gebirge, durch Täler, Dörfer. „In Bayern gibt es auch Fjorde!“ mein ich in die Stille. Anna lacht. „Zeig mir!“ fordert sie. Wir fahren durch Tölz Richtung Lenggries. Dann muss ich abbiegen Richtung Vorderriss auf die 307. Am Sylvensteinsee machen wir halt und ich steuere auf einem kleinen Parkplatz. Wir steigen aus und gehen auf die Brücke. Hand in Hand. Anna ist begeistert: „Verklingen! Das ist Fjord!“ ruft sie und freut sich wie ein Kind. Ich erkläre, dass man die Isar aufgestaut hat. Allerdings ist dabei das Dorf 'Fall' im See verschwunden. „Bei Niedrigwasser kann man noch die Kirchturmspitze sehen.“ erkläre ich. „Otroligt!“ staunt Anna. „Ik tror ik kann die Kyrka nok schauen!“ Ihre Haare wuseln wild im Wind. Sie lacht. Sie ist so schön. Sie blickt mich mit roten Wangen an und gibt mir einen Kuss.
Sie sieht mich mit großen Augen an und meint: „Föra mik dorthin var die Sol überlaufet.“
Nun - ich trage dich auf Armen bis ans Ende dieser allzu flachen Erdenscheibe. Aber: Wo ist der Ort, an dem die Sonne überläuft?
Ich blicke sie nur an...

Niemand und nichts,
nicht das Mondlicht im Regen,
das Fest mit den Sternen,
weder der Mantel des Meeres,
noch der hellste Atem der Wälder,
…niemand und nichts
hat Licht wie Du…

Wenn Du kein Meer hast,
ich schreibe dir eins…
Und immer, und immer
Halt ich Dich warm

…niemand, der jemals
den Himmel durchschritt über uns,
oder die Zeit in den Tälern,
nicht die Lieder der Frauen...
…niemand und nichts
hat Licht wie Du…

…keine Andere in dieser Welt,
in deren Augen ich lieber schau,
deren Nähe ich mehr wünsche,
deren Wärme ich so ersehn,
deren Abwesenheit ich schweigend ertrag…
…niemand und nichts
hat Licht wie Du…

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