Veröffentlicht: 02.05.2025. Rubrik: Aktionen
Unser letzter Zeltausflug
Wenn ich an Ausflüge denke, kommt mir sofort unsere Zeltaktion in den Sinn. Mein Papa war früher als Jugendlicher bei den Pfadfindern – vielleicht kam daher seine Leidenschaft zum Zelten.
Vier Jahre lang sind wir in den Sommerferien mit dem Fahrrad losgefahren, Gepäck und Verpflegung auf den Gepäckträgern und in Satteltaschen.
Ich erinnere mich noch gut an unseren allerersten Ausflug: Mein Papa hatte ein Zelt aus alten Bundeswehrdecken und Holzstöcken gebaut. Es war abenteuerlich – aber leider nicht ganz wasserdicht. In der ersten Nacht hat es geregnet, und am nächsten Morgen war wirklich alles klatschnass. Die Decken, unsere Kleidung, sogar das Brot – einfach alles war durchnässt.
In dieser Zeit hat mein Papa einige Zelte ausprobiert, unter anderem eines aus einem Outdoor-Katalog. Es war eigentlich für vier Personen gedacht – aber wir waren zu sechst. Typisch Papa: „Ihr seid doch noch klein, ihr braucht nicht so viel Platz!“
Dieser letzte Ausflug ist uns Kindern bis heute in Erinnerung geblieben. Es war ein sonniger Tag, alles war aufgepackt, und los ging’s von Wartenberg nach Oberhummel. Und wie immer: Papa und seine Abkürzungen... Nur, wo im Jahr davor noch eine Wiese war, stand diesmal ein Maisfeld. Dahinter begann der Wald. Also schoben wir unsere Fahrräder durch das Feld – die gelben Maisblüten fielen uns direkt im Hals – dann weiter in den Wald.
Nach einer Weile kam ein kleiner Wehrgraben. Mein Papa musste jedes Fahrrad einzeln darüber wuchten, während wir Kinder auf einem schmalen Betonsteg balancierten.
Es dauerte, bis endlich ein „geeigneter“ Zeltplatz gefunden war. In der Nähe stand ein Baum, und Papa baute sein selbstgenähtes Zelt auf. Den robusten Stoff hatte er von seinem Arbeitgeber geschenkt bekommen – er arbeitete als Maurer – und daraus hatte er abends in Handarbeit ein Zelt gemacht.
Es war nicht sehr hoch, aber länglich – so dass wir alle sechs hineingepasst haben.
Später suchten wir gemeinsam mit Papa eine Quelle, unterwegs erklärte er uns Pilze und Bäume. An der Quelle füllten wir unseren Topf auf.
Abends im Zelt war es kühl, und irgendwann sind wir eingeschlafen. Doch wie konnte es anders sein – es begann zu regnen, es war ein regelrechter Sturmregen!
Wir bekamen Angst, hielten uns gegenseitig im Liegen fest. Der Baum neben uns machte schreckliche Knarzgeräusche, irgendetwas streifte sogar unser Zelt. Papa rannte hinaus – er vermutete später, dass es vielleicht ein Reh war.
Jedenfalls: An Schlaf war nicht mehr zu denken. Alles war wieder nass. Das selbstgemachte Zelt war so durchnässt, dass Papa es einzeln auf seinen Gepäckträger packte. Und wie konnte es anders sein – für den Rückweg hatte Papa wieder eine „Abkürzung“ parat.
Am Waldrand angekommen: ein riesiges, frisch umgeackertes Feld. Wir mussten mit unseren Rädern durch den Matsch – und das war alles andere als einfach. Irgendwo in der Ferne sah uns ein Bauer, warf die Arme hoch und beschimpfte uns, weil wir durch sein Feld mussten.
Als wir es endlich geschafft hatten, waren unsere Fahrradspeichen voller Erdbatzen, unsere Hosen voller Spritzer. Und genau in dem Moment läuteten die Kirchenglocken – Sonntagvormittag, die Leute kamen gerade fein angezogen aus der Kirche. Meiner Mama war das unglaublich peinlich. Sie wollte am liebsten gar nicht weiterfahren.
Aber es gab keinen anderen Weg in dem kleinen Dörfchen. So mussten wir – mit verdreckten Kleidern und Fahrrädern – an den Menschen vorbei, die uns mit entsprechenden Blicken bedachten.
Zu Hause war das Auspacken mühsamer als die Fahrt selbst – und das war dann auch unser letzter Zeltausflug dieser Art.
Aber: Es ist eine Geschichte, an die wir uns alle gern erinnern.

