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geschrieben 2010 von IDee (IDee).
Veröffentlicht: 13.01.2022. Rubrik: Unsortiert


Guten Morgen, … und tschüss

Langsam, ganz langsam aber dennoch unaufhörlich schiebt sich der Sekundenzeiger nach vorne. Er nähert sich mit konstanter Geschwindigkeit dem Grauen zu. Von Sekunde zu Sekunde wird uns mehr klar das Es kein Entrinnen mehr gibt. Es nutzt auch nichts, jetzt noch schnell einen Gang zur Toilette zu machen. Wir können dem nicht mehr entgehen.

Greta, meine Kollegin, und ich werfen uns noch einen verstohlenen Blick über den Schreibtisch zu. Beide atmen wir noch einmal tief durch.
Doch da ist es auch schon passiert! Die Tür geht auf! Er betritt unser Büro, klein dünn, mickrig.
„Guten Morgen, die Damen!“, schallt es durch den Raum.
Er hätte genauso gut tritratrulala, sagen können. Hätte vielleicht auch besser zu ihm gepasst.
Jetzt erzählt er wieder, wie vortrefflich Frau Kasperle den Balkon bepflanzt hat und welch begabte Friseurmeisterin sie ist.
Dabei fällt mir ein, dass ein Kollege und ich unlängst vorhatten, einen Fuchsschwanz an die Anten-ne seines Dienstmercedes zu binden.
Er quasselt weiter über die fantastische Frau Kasperle, die ihm geschworen hat ihn erst dann zu ver-lassen, wenn er etwas Besseres gefunden hat. Dabei rutscht je nach Bedarf der Unterkiefer nach rechts oder nach links, so als wäre das Scharnier ausgeleiert.
Ah, die polnische Dame die immer so zeitaufwendig, sein Büro reinigt, ist also nicht besser, folgere ich, immerhin hat er sie mit auf Dienstreise genommen. Na ja, schließlich braucht er ein sauberes Ho-telzimmer.

Noch, während ich darüber nachdenke, bemerke ich wie Greta mir einen Blick zu wirft.
Ich verstehe!
Ich sehe zu Herrn Kasperle. Mir wird gewahr das Ich nur eine Hand, die er wie eine Marionette aus dem Oehmichen Theater, bewegt sehen kann.
Wo aber ist die Andere?
Es ist unglaublich! Er steht lässig da, hat seine zweite Hand in der Hosentasche und massiert wie selbstverständlich seinen Schritt.
Eine Art Gesichtslähmung überfällt mich. Greta scheint schon länger davon befallen zu sein. Mit of-fenem Mund starren wir beide in dieselbe Richtung.
Reiß dich zusammen, sage ich mir, schließlich ist es einfach zu ekelig, was da vor sich geht!
Also versuche ich, zur Normalität zurückzukommen.
Mittlerweile auf den Boden starrend frage ich: „Sie fahren doch heute zur Firma Empty, da könnten Sie dort vielleicht mit denen klären, das die nicht immer diesen unberechtigten Abzug beim Aus-gleich ihrer Rechnungen machen? Was machen wir jetzt überhaupt damit?“
„Das ist doch überhaupt kein Problem! Stellen Sie eine Gutschrift über die Differenz aus, schreiben Sie einen Scheck für die Gutschrift, den kann ich dann gleich mitnehmen und die unberechtigten Abzüge buchen Sie aus!“
Das ist zu viel, ich habe das Gefühl mein Gehirn ist verklebt!
Ihn scheint das nicht zu interessieren, er verlässt das Büro. Wahrscheinlich kommt die Putzfrau.
Nein noch einmal bleibt er stehen, dreht sich herum und sagt: „Denken Sie bitte daran, dass ich nächste Woche in Urlaub bin. Den Monatsbericht faxen Sie mir bitte in das Hotel. Schreiben Sie aber bitte auf das Deckblatt “An den Geschäftsführer Kasperle“! Nein er hat nicht Kasperle gesagt, sondern seinen Namen.
„Selbstverständlich! Was auch sonst!“, antworte ich und denke: „Für wie wichtig hält der sich?!“

Kaum ist er fort, kommt ein Kollege aus dem Nebenzimmer gestürmt und meint: „Jetzt seid mal ehr-lich, hat der Typ heute nicht eine grässliche Krawatte an?“

„Krawatte?!“, gibt Greta noch immer irritiert von sich.

„Hatte der eine an?“, frage ich.

„Jetzt gehe ich aber mal gucken!“, gibt Greta uns zu verstehen und eilt von dannen.

„Schätzchen“, sage ich zu meinem Kollegen, „ich brauche heute Nachmittag dein Fenster zum Hof.
Ich habe meinen alten PC abgekauft und mein Mann will den nachher abholen. So und jetzt rausch ab, ich muss mich entspannen!“
„Schon klar“, meint er und geht, aber wohl eher, weil in seinem Büro das Telefon klingelt.

Am Nachmittag kommt mein Mann, ich habe den PC schon in das gegenüberliegende Büro ge-bracht. Es ist alles ganz einfach, ich öffne das Fenster und meine bessere Hälfte nimmt draußen das Objekt der Begierde in Empfang. Die Quittung habe ich in meiner Tasche, wie es sich gehört. Nach getaner Tat schließe ich das Fenster, verabschiede mich von meinem Kollegen, wünsche ihm noch einen schönen Tag und gehe nach Hause. Im Flur kommen mir einige Leute vom Sicherheitsdienst entgegengerannt. Freundlich grüße ich, indes ich meinen Weg fortsetze.
Als ich im Auto sitze, drehe ich mich noch einmal um, zwecks Winken. Kann ja nicht schaden.
Da sehe ich meinen Kollegen mit erhobenen Händen in seinem Büro stehen, vor ihm die Typen vom Sicherheitsdienst mit gezogener Waffe.
Das halte ich nun wirklich für übertrieben.
Die Neugierde treibt mich dazu, von zu Hause aus nachzufragen, was er nun schon wieder ange-stellt hat. Also rufe ich ihn an.
„Schätzchen! Was hast du gemacht?“
„Selber Schätzchen! Die glaubten ich hätte den blöden PC geklaut!“
„Entschuldigung, aber das ist jetzt wirklich witzig. Aber beruhige dich, ich kläre das morgen, … und tschüss!“

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