
geschrieben 2025 von Florian Link (Hanswurst).
Veröffentlicht: 25.04.2025. Rubrik: Lustiges
Wurst- und Durstgeschichten - Der Hanswurst und der Große Wurstaufstand
Es ist Mittwochabend, und im „Imbiss ums Eck“ herrscht die übliche Ruhe vor dem Sturm. Der Schorsch steht hinterm Tresen und starrt missmutig auf die Fritteuse, als ob sie persönlich für die Tristesse in seinem Leben verantwortlich wäre. Der Hanswurst und der Hape stehen an ihrem wackligen Stehtisch und philosophieren über das Leben – also im Prinzip streiten sie sich, ob die Currywurst lieber mit oder ohne Zwiebeln serviert werden sollte.
„Zwiebeln sind der Teufel,“ behauptet der Hanswurst mit der Überzeugung eines Mannes, der seine Meinung nicht ändern wird, nur weil er falsch liegt.
„Und die Rettung des Gerichts,“ kontert der Hape, der ein Herz für die Außenseiter der Gemüsesorten hat.
Da kommt der Schorsch hinterm Tresen hervor, die Hände tief in der Schürze vergraben. „Ihr habt Probleme, echt. Da draußen geht die Welt zugrunde, und ihr zankt euch über Zwiebeln.“
„Die Welt kann warten,“ murmelt der Hanswurst, „aber mein Essen nicht.“
Es ist einer dieser Abende, an denen man sich fragt, ob das Leben überhaupt noch eine Überraschung bereithält, oder ob man für immer in dieser kleinen Blase aus Frittierfett und philosophischen Nichtigkeiten gefangen bleibt. Aber wie so oft dauert es nicht lange, bis das Schicksal beschließt, einzugreifen – und zwar auf die denkbar ungeschickteste Art und Weise.
Mit einem lauten Knall, gefolgt von einem sehr ungesunden Geräusch, verabschiedet sich die Fritteuse aus ihrem viel zu langen und anstrengen Leben im Frittierbusiness. Ein letzter Funke springt über, dann gibt das Ding den Geist auf und hüllt den Imbiss in eine Wolke aus Qualm und verbrannten Pommesträumen. Der Schorsch starrt auf das rauchende Ungetüm, als hätte ihm jemand gerade seinen besten Freund genommen. Eine kleine Träne kullert ihm über die Wange – talwärts.
„Das war’s,“ sagt er schließlich und zieht die Schürze aus. „Die Fritteuse hat’s hinter sich. Kein Öl, kein Strom, kein gar nichts.“
Der Hanswurst und der Hape schauen ihn an, als hätte er gesagt, dass Weihnachten dieses Jahr ausfällt. „Und was jetzt?“ fragt der Hape, der plötzlich spürt, dass sein Appetit auf Pommes dadurch noch angefacht wird.
„Jetzt,“ sagt der Schorsch und steckt sich eine Kippe an, „können wir uns in die Reihe der Verlierer einordnen. Die Fritteuse war der letzte Halt vorm Abgrund.“
„Das ist doch gequirlte Scheiße,“ nuschelt der Hanswurst, „wir sind hier in unserem Kiez, Mann. Hier geht immer was.“
Und so beginnt der „Große Wurstaufstand“, wie sie ihn später nennen werden – ein verzweifelter Versuch, das Leben, die Stadt und vor allem die Currywurst (eigentlich ja frittierte Pommes und am aller eigentlichsten ja den Strom ohne den nichtmal der Imbiss-Grill funktioniert) zurückzugewinnen. Der Hanswurst hat die Idee, einen alten Holzkohlegrill vom Brezel-Peter aufzutreiben, der normalerweise sonst nur für illegale Barbecues benutzt wird. Der Brezel-Peter schuldet ihm noch einen Gefallen, weil der Hanswurst ihm neulich aus einer kniffligen Situation mit einer besonders streitlustigen Taube geholfen hat. Aber das ist eine andere Geschichte.
Sie schleppen das klapprige Ding in den Hof hinter dem Imbiss ums Eck, während der Hape versucht, aus einem halbvergessenen Vorrat Senf und Ketchup etwas zusammenzumischen, das zumindest nach einer Soße aussieht. Der Grill springt nach mehreren vergeblichen Versuchen tatsächlich an – begleitet von einem Geruch, der nur als „urzeitlich“ beschrieben werden kann.
„Das hier,“ sagt der Schorsch und wedelt mit einer Wurst, „das ist der Widerstand. Das ist die Revolution.“ Er legt die Wurst auf den Grill, und die Flammen lodern wie eine Fackel der Freiheit auf.
„Das ist doch lächerlich,“ meint der Hape, während er die Sauce umrührt, die jetzt die Konsistenz von Beton hat.
„Lächerlich oder nicht,“ antwortet der Hanswurst, „es geht hier um Prinzipien. Jawoll.“
Der Hof füllt sich langsam mit Rauch und dem unverkennbaren Geruch von verkohlter Wurst. Die Nachbarn beginnen, aus den Fenstern zu schauen, neugierig, ob das eine neue Kunstinstallation oder nur der übliche alltägliche Wahnsinn ist, der das Viertel heimsucht.
Und dann taucht sie auf – die Dame vom Ordnungsamt, die immer dann erscheint, wenn irgendwo etwas Spaß machen könnte. Sie tritt mit einer Miene an den Grill, die verrät, dass sie seit Jahren darauf wartet, jemanden wegen „unsachgemäßer Wurstverbrennung“ zur Rechenschaft zu ziehen.
„Was passiert hier?“ fragt sie und schaut den am Grill hantierenden Schorsch so an, als wäre er der Anführer einer verbotenen Sekte.
Der Schorsch hebt beschwichtigend die Hände, als wollte er betonen, dass er nur ein einfacher Mann ist, der versucht, Würste zu retten. „Improvisation, gnädiges Fräulein. Die Fritteuse hat sich verabschiedet, der Strom auch, und wir sind auf den Grill umgestiegen. Jetzt grillen wir Wurst. Danach schauen wir, ob sich auch Fritten grillen lassen.“
„Das Fräulein können Sie sich sparen. Keine Genehmigung, kein Betrieb!“ verkündet sie mit einem triumphierenden Lächeln, als hätte sie gerade eine Großwildjagd erfolgreich beendet, indem sie einem großen grauen Dickhäuter erfolgreich eine großkalibrige Kugel zwischen die armen Elefantenäuglein verpasst hätte.
„Keine Wurst, kein Leben!“ antwortet der Hanswurst grinsend, während er eine perfekt verkohlte Wurst vom Grill holt.
Die Dame vom Ordnungsamt zieht eine Augenbraue hoch. „Das ist illegal.“
„Hier ist alles illegal,“ murmelt der Hape, „wenn man es lange genug macht.“
In diesem Moment schaltet sich das Universum – oder der Grill – ein. Mit einem letzten Knall gibt auch der Grill den Geist auf. Die Flammen gehen aus, und die letzte Wurst rollt in den Schmutz des Hofes. Stille. Nur der Rauch verweht langsam.
Der Schorsch, der Hanswurst und der Hape sehen zu, wie die Dame vom Ordnungsamt ihren Block zückt und beginnt, sich eifrig Notizen zu machen. „Ich melde das. Sie können nicht einfach improvisieren, wann immer es Ihnen passt.“
„Improvisation ist das Herz des Lebens,“ poltert der Hanswurst und lehnt sich zurück. „Und außerdem: Wenn du wartest, bis alles perfekt ist, passiert nie etwas.“
Die Dame schnaubt und dreht sich auf dem Absatz um, hinterlässt eine Spur von Ärger und Paragrafen. Der Grill ist tot, die Fritteuse kaputt, aber die drei wissen – es geht weiter. Das Ordnungsamt kann den Geist des Wartens nicht brechen, solange irgendwo eine Wurst auf die Befreiung wartet.
Am Ende des Abends stehen sie wieder an ihrem Stammstehtisch, die Hände in den Taschen, den Blick in die Ferne gerichtet. Es gibt keine Currywurst, aber dafür die Freiheit, weiterzumachen – mit oder ohne Grill, mit oder ohne Zwiebeln. Warten gehört zum Spiel, aber sie wissen, dass das Beste immer dann passiert, wenn man gerade aufhört zu warten…
ENDE

