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geschrieben 2010 von Serafina von der Weyden (serafinavonderweyden).
Veröffentlicht: 23.02.2023. Rubrik: Märchenhaftes


Der Kuss auf den Bauch

„Beneeehmen!“ sagte der Prinz. Die Prinzessin hatte ihren Prinzen gerade mitten auf die Nase geküsst. Ihre Küsse waren immer ein bisschen feucht, denn schließlich war sie eine Froschprinzessin. Aber das machte ja nichts, denn ihr Prinz war auch ein Frosch. Sie passten also bestens zusammen.
„Ich mag Dich so sehr!“ sagte die Prinzessin und küsste den Prinzen erneut auf die leuchtend grüne Nase. Die Prinzessin hieß Sieglinde, der Prinz Sigismund.
Was noch keiner weiß: Die beiden waren verwunschen. Eigentlich waren sie Menschen gewesen und das schönste Liebespaar der Welt. Aber eine böse, richtig hässliche alte Hexe, die neidisch auf die beiden war, weil sie sich gar so sehr mochten, hatte sie in Frösche verzaubert.
Doch das tat ihrer Liebe keinen Abbruch. Im Gegenteil. Das Leben als Frosch war so übel nicht. Sie konnten den ganzen Tag gemeinsam am Teich verbringen, der voller rosa Seerosen war, nach Herzenslust darin herumschwimmen und Fliegen fangen, die es dort in Hülle und Fülle gab. Man brauchte nur schnell genug die Zunge herauszustrecken und schon hatte man ein paar dran kleben. An den Geschmack hatten sie sich schnell gewöhnt.
„Ich habe einen Wunsch!“ sagte der Prinz.
„Und der wäre?“ fragte die Prinzessin.
„Ich möchte so schrecklich gerne mal auf den Bauch geküsst werden“, sagte der Prinz und kicherte.
„Oh!“ sagte die Prinzessin und dann kicherte sie auch.
Gerade überlegte die Prinzessin, wie das gehen sollte, da passierte etwas ganz, ganz Schreckliches. Es war so schrecklich, dass sich die beiden ihr ganzes Leben lang daran erinnern sollten.
Eine Riesenhand, die Hand eines Menschenkindes, senkte sich von oben auf Sigismund herab, griff nach ihm und hob ihn hoch in die Luft. Dem armen Sigismund wurde ganz schwindelig. Ein riesiges Gesicht näherte sich ihm und zwei riesengroße Augen beäugten den Frosch. Dann setzte ihn das Kind in ein großes Glas und trug es samt dem Frosch mit sich nach Hause.
„Was bringst Du da wieder für ein Viehzeug nach Hause?“ fragte die Mutter.
„Den Froschkönig“, sagte das Kind stolz. Es wusste ganz genau, wen es da im Glas hatte. Kinder sehen sofort, was Sache ist. Sie begreifen eben mehr als Erwachsene.
„Quatsch“, sagte die Mutter. „Wasch Dir die Hände, es gibt Essen.“
Das Kind brachte das Glas in sein Zimmer und stellte es vorsichtig auf die Fensterbank.
Sigismund war wie betäubt vor Schreck. Aber nachdem er eine Weile ganz stumm und bewegungslos dagesessen hatte, begann er sich zu regen und durch die gläserne Wand zu schauen. Er hielt Ausschau nach Sieglinde, seiner Prinzessin, aber die war weit und breit nicht zu sehen. Er war in einer ihm völlig unbekannten Gegend gelandet.
Vergeblich versuchte Sigismund, dem Glas zu entkommen. Die Wände waren einfach zu glatt, um nach oben zu klettern. Nach zehn Minuten gab er auf, saß traurig am Boden des Glases und gab ab und zu ein verzweifeltes Quaken von sich.

Prinzessin Sieglinde hüpfte derweil ganz aufgeregt durchs Gras, immer in die Richtung, in die das Kind gelaufen war. Niemals würde sie ihren Prinzen alleine seinem Schicksal überlassen, und wenn sie bis ans Ende der Welt hüpfen musste. So hüpfte sie immer weiter, Stunde um Stunde, bis sie an das Haus gelangte, wo das Kind wohnte. Beinahe wäre sie daran vorbeigelaufen, aber dann hörte sie das traurige Quaken ihres Prinzen.
Bis sie in das Innere des Hauses gelangt war und das Zimmer gefunden hatte, in dem das Glas mit ihrem Prinzen stand, dauerte es eine halbe Stunde, und bis sie mühsam die steile Wand bis zur Fensterbank erklettert hatte, eine weitere. Dann aber saß sie völlig erschöpft vor der Glaswand, hinter der Sigismund saß und ihr erleichtert zuwinkte.
„Was machen wir denn jetzt?“ fragte die Prinzessin.
„Keine Ahnung“, sagte der Prinz. „Keine Ahnung.“
„Ich kann nicht mal zu Dir rein“, sagte die Prinzessin leise und begann zu weinen. Es waren riesige Froschtränen und das Fensterbrett wurde ganz nass davon.
So saßen sich die beiden gegenüber und sahen einander traurig an.
Draußen wurde es dunkel und der Sternenhimmel begann immer heller zu leuchten.
„Schau die Sterne – wie schön! Ich möchte Dich so gerne küssen!“ sagte die Prinzessin sehnsüchtig. „Auf den Bauch!“
„Du hast es nicht vergessen!“ sagte der Prinz und lächelte glücklich, zum ersten Mal, seit er in dem Glas saß.
„Aber es geht doch nicht!“ jammerte die Prinzessin und weinte wieder. Sie hatte schon ein ganz rotes Näschen vom Weinen. Auch der Prinz begann zu weinen, aus lauter Mitleid mit seiner Prinzessin, und vergaß darüber ganz, dass er im Glas gefangen war. Sie machten sich ganz schrecklich Sorgen umeinander, der Prinz und die Prinzessin.
Während dessen ging der Abendstern auf, bis er strahlend am Himmel stand. Da kam das Kind, um nach seinem Frosch zu sehen. Erstaunt sah es das Froschmädchen vor dem Glas sitzen. Aber Kinder sehen ja sofort, was Sache ist. Das Kind erkannte, was kein Erwachsener erkannt hätte.
„Ach ihr Armen!“ sagte es, griff nach dem Froschmädchen und setzte es zu dem Frosch ins Glas.
„Schlaft schön!“ sagte das Kind und ging brav zu Bett. Es hatte den ganzen Tag draußen herumgetobt und war richtig müde.
Wie glücklich waren Sieglinde und Sigismund! Wenn sie auch im Glas gefangen saßen, so waren sie doch nicht mehr voneinander getrennt. Das musste mit einem herzhaften Kuss gefeiert werden.

Die Sterne schimmerten so wundervoll am klaren Nachthimmel. Die beiden Frösche schlossen vor Wonne die Augen und küssten einander, ganz, ganz lang. Das war so schön! So schön, dass beide von Kopf bis Fuß ein herrliches Kribbeln verspürten.
„Und jetzt küss mich auf den Bauch!“ flüsterte der Prinz.
Und die Prinzessin küsste ihren Prinzen ganz, ganz sanft auf seinen wunderschönen, grünen Bauch.
Plötzlich gab es einen lauten Donnerschlag! Das Glas barst auseinander und die beiden Frösche fielen von der Fensterbank ins Gras.
Als sie sich aber aufrichteten, da bemerkten sie, dass sie ihre menschliche Gestalt wieder erlangt hatten. Da küssten sie sich noch herzhafter, die ganze Nacht hindurch.

Und sie waren wieder das schönste Liebespaar der Welt und lebten hinfort in Glück und Freude und wenn sie nicht gestorben sind, dann küssen sie sich noch heute.
serafina von der weyden copyright 2010

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Gari Helwer am 24.02.2023:

Wunderschöne Geschichte, Serafina! LG

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