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geschrieben 2023 von Bjarne Pfennig (BjarneP).
Veröffentlicht: 21.02.2023. Rubrik: Märchenhaftes


Der Turm

Vor vielen Jahren, zur Zeit der alten Menschen, gab es eine Stadt am Rande ihrer Welt.
Eines Tages kam ein Fremder in diese Stadt, gekleidet in teuren Gewändern. Er ging zu dem Stadtvorsteher und sagte: »Ich möchte, dass ihr mir einen Turm baut, in dem ich in Frieden leben und arbeiten kann. Wenn ihr das tut, so will ich euch zehnfach zurückzahlen, was ihr für mich getan habt.«
Der Stadtvorsteher stimmte dem zu. Er suchte nach den besten Baumeistern, die er finden konnte und stellte sie an, vor den Stadtmauern einen Turm zu errichten.
Es wurden Steine und schwere Maschinen herbeigeschafft und man begann mit der Arbeit. Doch jedes Mal, wenn dies geschah, so tauchte der Fremde auf, setzte sich bei den Arbeitern auf einen Felsen und spielte ein Lied auf seiner Laute.
Es war ein wundervolles Lied und es brachte den Arbeitern Kraft, sodass die Arbeit geschah, als würde sie sich von selbst verrichten. Und so war der Turm nur wenige Tage später vollendet.
Der Stadtvorsteher sprach mit den Arbeitern und fragte sie, was sie als Lohn verlangten, doch diese sagten nur: »Wenn wir nur eine Münze verlangen würden, wäre es so, als würden wir Euch berauben. Lasst die Musik, die wir hörten, Bezahlung genug sein.« Und dann gingen sie ihres Weges.
Der Fremde aber betrat seinen Turm und schloss die Tür hinter sich.
Für eine Weile klangen seine Lieder über die Stadt und die Leute kamen von weit her, um ihm zuzuhören.
Dann verklang seine Musik und der Fremde war bald vergessen.
Viele Jahre zogen in das Land und der Turm und die Stadt wurden älter. Die Leute kamen und gingen und lebten ihre Leben, und der Turm stand hoch und unbewegt.
Eines Tages entschieden sich die Leute nachzusehen. Sie dachten sich: »Der Turm ist alt, niemand lebt dort länger, also warum sollten wir nicht sehen, was darin zu finden ist?«
Sie brachen die Tür auf und zwangen sich hinein.
Der Turm war frei von seinem einstigen Herrn, und die Begeisterung der Stadtbewohner unbeschreiblich bei dem Anblick, der sich ihnen bot.
Feinste Stoffe und Gemälde, Kunstwerke und Juwelen, Gedichte und atemberaubende Statuen.
Die Stadtbewohner brachten alles, was sie finden konnten, hinaus und tanzten in der Pracht.
Sie verkauften vieles und die Stadt wurde bald reich und bekannt.
Aber es dauerte nicht lange, bis eine Stimme vom Turm erklang: »Ihr vermaledeiten Diebe! Was habt ihr mit meinen Werken angestellt? Ist es das, was ihr von unserer Abmachung haltet? So sei es also, ich zahle euch euer Verbrechen heim, um das Zehnfache.«
Und als er ausgesprochen hatte, erschallte ein Lied vom Turm hinab. Eine Melodie so wundervoll, dass jeder, der sie hörte, nicht anders konnte als zu ihr zu tanzen. Die ganze Stadt begann zu tanzen. Ruhelos tanzten sie durch die Straßen, bis ihre Füße bluteten, und sie doch nicht stehenblieben.
In Schmerzen gingen sie in den Turm, doch noch immer fanden sie niemanden dort. Das Lied blieb bestehen und sie schrien zum Turm hinauf: »Oh, hab Gnade in unserer Torheit. Vergib uns und ende diesen Wahnsinn.«
Die Stimme sprach ein weiteres Mal: »Ich werde Gnade haben, wenn ihr zurückbringt, was ihr mir gestohlen habt. Andernfalls wird mein feinstes Stück nicht unterbrochen.«
Die Stadtbewohner suchten und brachten zurück, was sie genommen hatten. Sie kauften zurück, was sie verkauft hatten. Ein großer Haufen sammelte sich vor dem Turm.
Als sie fertig waren, riefen sie aus. »Hier, wir haben getan, wie du uns sagtest. Jetzt beende diesen Wahnsinn.«
Aber die Musik endete nicht. Die Stimme aus dem Turm klang klar in ihren Ohren. »Wer denkt ihr, wer ihr seid, mich hintergehen zu wollen, Diebe? Ein Teil fehlt und solange wird mein feinstes Stück nicht unterbrochen. Bringt es mir zurück und ihr sollt es euren Weg haben.«
Die Stadtbewohner suchten, weinten und flehten zum Turm für Gnade, doch das Teil war verloren und das Lied spielte weiter.
Bald wussten die Leute, dass keine Hoffnung bestand, und sie ließen die Stadt zurück.
Als die Zeit verging, war die Stadt leer, und die Häuser eingestürzt. Nur der Turm verblieb und die Musik spielte.
Das Lied, das hundert Jahre andauerte, bis die Musik verklang und das feinste Stück vollendet war.

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