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1xhab ich gern gelesen
geschrieben 2019 von J. Weishäupl (J. Weishäupl).
Veröffentlicht: 05.12.2020. Rubrik: Nachdenkliches


Liebe?

Liebe
Ein Zischen ertönt, gefolgt von einem gleichmäßigen Rauschen, als ich den Hahn der Gasflasche öffne. Nochmals überprüfe ich den Schlauch, welcher in die Lüftungsanlage des Hauses mündet. Bis sich das Gas im Haus verteilt hat und Wirkung zeigt, wird es nicht lange dauern. Das wusste ich bereits. Ich schnalle mir meinen Rucksack um, in dem sich zwei weitere Gaskartuschen befinden, hohle noch einmal tief Luft, und setzte mir meine Gasmaske auf. Mit meinem nachgemachten Schlüssel schließe ich die Haustüre auf, und drücke sie vorsichtig wieder ins Schloss. Ich gehe nach oben, gehe ins Schlafzimmer von Laras Eltern, öffne die erste Kartusche, stelle sie auf den Boden und schließe die Türe wieder. Mein eigentliches Ziel vor Augen, gehe ich den Gang weiter entlang, achte auf jede Kleinigkeit. Die Knarrende Bodendiele vor dem Badezimmer, die seltsam tief hängende Lampe in der hinteren Hälfte des Flures, alle diese Hindernisse kenne ich schon in und auswendig. Endlich habe ich mein Ziel erreicht: Laras Zimmer. Mit klopfenden Herzen trete ich ein. Das Mondlicht scheint durch die halb geöffneten Vorhänge genau auf sie. Ich öffne die zweite Flasche, und stelle sie neben die Türe. Dann widme ich mich wieder Lara. Ja, Lara! Sie ist der Grund, weshalb ich schon zum siebten mahl hier bin. Als ich diese Mädchen vor drei Monaten das erste mahl in meiner neuen schule sah, habe ich mich sofort unsterblich in sie verliebt. Ich war regelrecht besessen von ihr. Ihre eisblauen Augen, ihre braunen Haare, welche sie immer zu einem Zopf flechtet, und ihr süßes Gesicht zogen mich einfach magisch an. Bald jedoch wurde mir schmerzlich bewusst, dass diese Liebe wohl nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Obwohl sie anfangs ein paar mahl mit mir geflirtet hat, schien sie kein Interesse an mir zu haben! Als ich letztendlich meinen Abschluss absolvierte, und deshalb die Schule verließ, brach der Kontakt zu Lara gänzlich ab. Die darauffolgenden Tage habe ich mich oft in den Schlaf geweint, und überlegt wie ich ihr nahe sein kann. Was ich die letzte Zeit getan habe, kann man guten Gewissens als Stalking bezeichnen. Ich habe sie oft von meinem altersschwachen Wohnmobil aus beobachtet, welches ich im Wald hinter ihrem Haus geparkt hatte. Durch meine Ausbildung als IT Fachmann, hatte ich sogar die Möglichkeit Telefongespräche von Ihr anzuzapfen, nur um Ihre Stimme zu hören. Bald jedoch reichte mir das nicht mehr. Da mein Onkel Direktor des hiesigen Krankenhauses ist, war es mir von Kindheitstagen an möglich in den Katakomben artigen Gängen und Kellerräumen ein und aus zu gehen, wie andere in ihren Wohnzimmern. So Verschaffte ich mir vor kurzem Zutritt zu einem der Lagerräumen, in denen Gasflaschen, mit Betäubungsgas, welches für Narkosen verwendet wird, gelagert wurden. Nun hatte ich die Möglichkeit Lara nahe zu sein ohne dass sie etwas davon mitbekommt. Ich gehe zu ihrem Bett und lege mich zu ihr. Ich ziehe meinen Lederhandschuh aus, und lege meinen Arm um sie. Ich streiche ihr über ihr Gesicht, fühle ihre weiche Haut, und die Wärme ihres Körpers. Während ich ihrem gleichmäßigen Atmen zuhöre, lasse ich meine Gedanken kreisen. Wie schön es doch währe wenn Lara meine Freundin werden könnte! Ob es wohl jemanden anderen gibt den sie auch so sehr liebt? Bestimmt nicht. Lara liebt mich auch, sie weiß es nur nicht. „Ich liebe dich“ flüstere ich. Gerne würde ich ihr einen Kuss auf die Wange geben, was jedoch wegen der Gasmaske nicht möglich ist. Ich nehme ihre Hand, und drücke sie an mein Herz. „Es schlägt nur für dich Lara“ flüstere ich erneut, weiß aber das sie es nicht hören kann. Das piepsen meiner Uhr reißt mich aus meinen Gedanken. Gleich wird sich das Gas im Gebäude verflüchtigt haben, und alles wieder wie zuvor sein. Als wäre ich niemals hiergewesen. Schweren Herzen stehe ich auf, und packe die Gasflaschen wieder ein. Draußen nehme ich die Maske ab, räume alles wieder in mein Wohnmobil, und sehe nochmals zu ihrem Fenster hoch. „Tschüss mein Schatz, bis zum nächsten mahl!“ sage ich leise, steige in den Wagen und fahre davon.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Scheper am 08.12.2020:

Hammermäßig geschrieben. Ich glaube jeder kennt es, wenn man große Sehnsucht nach einer Person hat. Natürlich ist diese fiktive Geschichte ein Beispiel für absolut falsches Verhalten, zeigt aber wie weit Menschen gehen, wenn sie dem Gedanken der „einen wahren Liebe“ zu sehr verfallen sind.




geschrieben von Jana am 24.12.2020:

Hallo! Erstmal Respekt, die Geschichte ist wirklich fesselnd und spannend geschrieben. Ich hätte eine Frage: Dürften wir Ihre Kurzgeschichte für ein Uniprojekt verwenden? Wir würden den Text dazu leicht abwandeln und ihn Proband*innen online präsentieren, damit diese anschließend Fragen dazu beantworten. Später würde der Text ggf. Bestandteil unseres Abschlussberichts. Natürlich würden wir Sie als Quelle zitieren. Wären Sie damit einverstanden? Wir wären Ihnen sehr dankbar und warten gespannt auf Ihre Rückmeldung!




geschrieben von J. Weishäupl am 09.01.2021:

Ich bin zwar spät dran, aber wenn Sie möchten, dürfen Sie meine Geschichte gerne Verwenden.




geschrieben von Jana am 16.01.2021:

Hallo, vielen Dank für die Rückmeldung! Inzwischen ist die Wahl der Gesamtgruppe auf einen Sachtext gefallen, aber trotzdem danke für Ihr Einverständnis. Und viel Spaß und Erfolg weiterhin beim Schreiben!

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