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geschrieben 2020 von J. Weishäupl (J. Weishäupl).
Veröffentlicht: 06.09.2020. Rubrik: Spannung


Der Schätzer

Das schrille Klingeln des Telefons riss Ralf aus dem Schlaf. Ralf war selbstständiger Gebäude und Anlagenschätzer. Ei9gentlich ein Beruf, bei dem man nicht schlecht verdient, da aber Ralf ein eher bequemer Mensch ist, nahm er nur selten Aufträge an. Seit zwei Monaten hatte aber kein Auftraggeber mehr angerufen, sodass Ralf langsam das Geld ausging. "Hoffentlich ein neuer Job" dachte er sich als er noch etwas schläfrig den Hörer abnahm. Er lag richtig. Ein Wohnheim sollte verkauft werden, und es wurde eine Wertschätzung der Immobilie benötigt. Er sollte bereits übermorgen an besagten Ort eintreffen. Er bekam noch eine Kurze E-Mail mit einer Wegbeschreibung und anderen Formalitäten. Das Gebäude lag mitten in einem großen Wald, und war etwa drei Stunden Autofahrt entfernt. Zwei Tage später machte sich Ralf mit seinem altersschwachen Auto auf den Weg. Es war ein heißer Junitag, und der Asphalt flimmerte, als wäre dieser ein breiter Fluss. "Scheiß Stau" murmelte Ralf, als er vor ihm die ersten Autos mit eingeschaltetem Warnblinker zum Stehen kamen. Er drehte das Radio lauter, hörte aber nur halbherzig hin. Staumeldungen hier, neue Hitzerekorde da. Poli8tiker hielten ihre selben langweiligen Reden. Ralf zündete sich eine Zigarette an, während er sich inmitten der Blechlawine quälend langsam fortbewegte. Die Klimaanlage feuerte unaufhörlich, und ständig sprang irgendwo der Lüfter eines Motors an. Ralf seufzte. Es war bereits Nachmittag, als Ralf seinen Wagen auf einen Parkplatz in einer Waldlichtung parkte. Er stieg aus, und atmete tief durch. Die kühle Waldluft tat gut nach der langen Autofahrt. "Herr Tirtens?" Ralf sah sich um. Ein Mann im Anzug kam auf ihn zu. "Hallo Herr Tirtens, schön dass sie da sind" "Ah, Herr Gutloff! Wir hatten Telefoniert" Antwortete Ralf, und gab ihm die Hand. Herr Gutloff war der Insolvenzverwalter. Das Gebäude war 1951 erbaut worden, und bis etwa 1975 als Internatsgebäude genutzt worden. Es gehörte früher einmal auch ein Schulgebäude dazu, welches aber längst abgerissen wurde. Nach einem Umbau in den Siebziger Jahren, wurde in dem Haus ein Schullandheim eingerichtet. Da das Gebäude seither weitgehend unverändert blieb, und Schulen, Vereine und mehr inzwischen modernere Einrichtungen bevorzugten, lohnte sich der Betrieb von Jahr zu Jahr weniger. 2012 wurde das Gebäude dann geschlossen, und bis auf eine Kurzeitige Verwendung als Flüchtlingunterkunft seitdem ungenutzt. "Ich werde ihnen noch schnell ihre Unterkunft zeigen, und sie dann alleine lassen" sagte Herr Gutloff, wärend die beiden auf das Gebäude zuschritten. Schon von weiten sah man, dass das Haus seine besten Zeiten hinter sich hatte. Die Außenfassade war mit altmodischem Rauputz verkleidet, welcher an einigen Stellen bereits abbröckelte. In einem kleinen Anbau hi9nter dem Haus befand sich die ehemalige Hausmeisterwohnung. "So, hier sind alle Schlüssel für das Gebäude" sagte der Verwalter, und drückte Ralf einen Schlüsselbund in die Hand. "Haben sie noch irgendwelche Fragen?" fragte dieser noch. " Äh ja, gibt es hier noch Internet? Also nur für den Fall das Ich etwas Recherchieren muss" fragte Ralf. "Ja, der Router sollte noch Funktionieren" sagte Herr Gutloff noch und verschwand dann. Ralf sah ihm noch hinterher, bis dieser um die Ecke gebogen war, und widmete sich dann der Türe. "Ha, gleich der erste Schlüssel" sagte Ralf, als er die Türe aufschloss. Als er eintrat, bemerkte er sofort, dass das Haus schon länger leer stand. Die Luft war abgestanden, und überall hing der Geruch von Heizöl. Dennoch war es angenehm, kühl. Die Wohnung war nicht besonders groß: eine kleine Küche ein Bad, ein Wohn- und ein Schlafzimmer. An Möbeln war nicht viel Vorhanden, lediglich ein Bett im Schlafzimmer sowie ein Sofa mit Tisch und ein Fernseher standen im Wohnzimmer. Ralf sah sich ein wenig um. "Haben die das Ding aus dem Museum geklaut?" scherzte Ralf, als sein Blick auf den uralten Fernseher fiel. Durch die halb geöffneten Vorhänge brach sich die fahle Abendsonne im aufgewirbelten Staub. Ralf beschloss erstmahl etwas zu essen, und sich dann einen ersten Überblick über das Haus zu verschaffen. Auf dem Weg hatte er im nahen gelegenen Dorfe einen Burger King gesehen. Er bestellte sich dort ein paar Burger, kaufte sich noch eine Schachtel Zigaretten, und fuhr wieder zurück. Nachdem er gegessen hatte, beschloss er sich umzusehen. da es zwischen dem Hauptgebäude und der Wohnung keine Verbindung gab, musste Ralf außen um das Gebäude zum Haupteingang gehen. Inzwischen dämmerte es schon. Ralf schloss die schweren Glastüren auf, und ging in die Eingangshalle. Obwohl es draußen noch relativ hell war, konnte man im inneren nichts mehr sehen. Mit dem Licht seines Handys suchte Ralf einen Lichtschalter, und fand ihn auch recht schnell. Schwerfällig und mit ihrem typischen surren sprangen die Neonröhren an, und tauchten den Raum in ein seltsam unnatürlich wirkendes Licht. Auch hier schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Die zerkratzten Linoleumfliesen, die Holzverkleidung an der Decke und die fleckige Raufasertapete waren stille Opfer des Verfalls. Ralf ging weiter in den Teil mit den Schlafräumen. In einigen der Räume standen noch die alten Betten, an denen bereits der Zahn der Zeit nagte. Duschen und Toiletten befanden sich in einem großen Sammelraum am Anfang des Flures. Die meisten der olivgrünen Duschwannen rosteten bereits. Aus den ausgetrockneten Abflüssen stieg ein modriger Abwassergeruch. Im Mittelteil befand sich ein großer Sammelraum mit einer Bühne an dessen Ende. Ralf bekam ein mulmiges Gefühl im Bauch, und ein Wort drängte sich in seine Gedanken. Kenophobie, die Angst vor leeren Räumen. Diese Angst hatte sich bereits in seiner Schulzeit entwickelt, wo er es als extrem unangenehm empfand sich alleine in einem riesigen Klassenzimmer aufzuhalten. Normalerweise schätzte Ralf kleine Einfamilienhäuser, oder Büroräume zusammen mit anderen Menschen. Ein solch großes Projekt hätte Ralf im Normalfall auch abgelehnt, aber er brauchte unbedingt Geld. Er beschloss zurück zu gehen, und morgen weiter zu Arbeiten. Die Luft draußen war angenehm warm, und außer dem Zirpen der Grillen und Ralfs Schritte auf dem Pflasterboden war nichts zu hören. Im Wohnzimmer angekommen fiel sein Blick auf den Fernseher. "ob der noch geht" dachte sich Ralf, und drückte den Einschaltknopf des klotzigen Gerätes. Kurz darauf flimmerte ein Bild über den Schirm, und eine Talkshow wurde gezeigt. Nach kurzer suche durch die Kanäle blieb Ralf auf einem Fernsehkrimi stehen. Kurze Zeit später schlief er auf der Couch ein. Die Laute Musik einer Teleshopping Sendung brachte Ralf zum Aufwachen. er sah auf die Uhr. Drei Uhr morgens. Im Fernseher stellte gerade ein breit grinsender Moderator irgendein unnützes Küchengerät vor. " Wer schaut sich das um die Uhrzeit an?" murmelte Ralf, als er den Fernseher abstellte. "Wer schaut sich überhaupt sowas an" fügte er noch in Gedanken hinzu. Er ging ins Bad. Als Ralf dieses wieder verließ, hörte er ein poltern, als hätte jemand ein Fenster zugeknallt. Er merkte wie sich sein Magen zusammenzog. war wohl der Wind! versuchte er sich zu beruhigen. Er ging nach draußen um zu Rauchen. Als er sich gerade eine Zigarette angesteckt hatte, bemerkte er das im ersten Stock Licht brannte. Hatte er vergessen es auszuschalten? Ralf war schon auf dem Weg zurück ins Bett, als er innehielt. Er war doch noch gar nicht im ersten Stock. "War wohl vorher schon an" dachte er sich. Er ging ins Bett, und verfiel in einen unruhigen Schlaf. Am nächsten Morgen beschloss er endlich das Gesamte Gebäude anzusehen. Die drei Stockwerke waren relativ gleich aufgebaut, sodass Ralf schnell vorankam. Im dritten Stock angekommen, hörte Ralf plötzlich Geräusche auf dem Dachboden, als würde jemand dort herumlaufen. Obwohl er am liebsten weggerannt wäre, begab sich Ralf auf den Dachboden. Durch die Mittagssonne welche genau auf das Dach schien, war es hier oben unerträglich heiß. Ralf ging wieder nach unten. Nun fehlte nur noch ein Bereich des Gebäudes, vor dem Ralf sich am meisten fürchtete: der Keller. Vorher aber wollte er sich etwas zu essen Hohlen. Er hatte extra dafür einen Supermarkt gesucht. Am Himmel zogen langsam dunkle Wolken auf, und gerade als Ralf ins Auto gestiegen war, begann es auch schon in Strömen zu regnen. Begleitet von dem grässlichen Quietschen der Scheibenwischer fuhr Ralf den Waldweg entlang zur Hauptstraße. "Wann kommt denn endlich diese verdammte Straße" dachte sich Ralf. Der Weg schien kein Ende mehr zu nehmen. Bin Ich in die Falsche Richtung gefahren? dachte er sich, als er Plötzlich ein Gebäude vor sich sah. es war aber nicht irgendein Gebäude, sondern jenes, wo er vor wenigen Minuten losgefahren war. " Was zur Hölle" sagte er. Ich bin nur geradeaus gefahren, dachte er sich Ängstlich. er wendete, und fuhr wieder zurück. doch als er wenig später wieder bei dem Haus ankam bekam er es mit der Angst zu tun. "Was soll das?" rief er. Nochmals kehrte er um, und drückte aufs Gas. Wie in Todesangst raste er schneller durch den Wald als er sollte. Plötzlich tauchte ein Schatten vor ihm auf. Ralf erschreckte, verriss das Lenkrad und dann nur schwärze. Er wachte in einem Krankenzimmer auf. "Wo bin Ich, was ist hier los?" fragte Ralf den Arzt, welcher zur Visite gerade ins Zimmer gekommen war. "Sie sind ziemlich schnell gegen einen Baum gefahren. wenn sie nicht zufällig ein Jäger gefunden hätte, wären sie verblutet. Bald wurde Ralf wieder entlassen, und von seinem Freund nach Hause gefahren, da sein Auto natürlich Schrott war. Für seine Arbeit würde er nicht den vollen Lohn bekommen, das war ihm klar. Doch ein Gedanke ließ ihn nicht mehr los. Wie konnte er auf einer Schnurgeraden Straße im Kreis fahren?

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Susi56 am 28.02.2021:

Gar nicht schlecht. Meine Geschichte "Ruhe sanft" ist thematisch ähnlich. Der Schluss ist für mich nicht ganz rund. Was hat es mit dem Geräusch/ den Schritten auf sich? Und das schnurgerade im Kreis fahren kam mir auch zu kurz... Dafür vielleicht die Beschreibung des Hauses kürzen und dafür die Situation zum Schluss etwas ausführlicher behandeln, dann braucht es auch keine Erklärung im letzten Satz. 😊

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