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geschrieben 2020 von Angricolan (Angricolan).
Veröffentlicht: 29.12.2025. Rubrik: Menschliches


Neujahrsempfang mit Graf Alex

Ein Kapitel reicht

"Darf ich mich vorstellen".
Ich fand ein nicken reicht. Er war größer, sah herab und sein dunkler Anzug, nicht von der Stange, hätte bei etwas lockerem Schnitt besser ausgesehen. Er schien schon länger getragen, dazu seine Manschettenknöpfe, die musste er wohl allen zeigen. Bei so Leuten trete ich besser einen Schritt zurück. Herbes Rasierwasser, was ihm fehlte war noch ein Ohrring, dafür trug er einen großen Siegelring mit Familienwappen. Sein Händedruck war weich, angenehm, mit Blick zu seinem Ring. Sichtbar verheiratet war er wohl nicht, bemerkt hatte ich sein umhergehen, seine nur kurzen Gespräche mit den anderen Gästen des Neujahrsempfang.
"Graf Alex von Walddorf".
"Nennen sie mich James, es ist so einfacher. Darf ich Graf Alex zu ihnen sagen?"
Ich verkniff mir ein Lachen wegen der Grafbetonung. Lord hätte eher gepasst, aber dafür war er zu seriös in seinem Auftreten. Sein Blick zeigte erstaunen. Wir waren uns bisher mit Worten noch nicht begegnet. Wer er war, wusste ich und was man über ihn erzählte. Da war der Begriff Hochstapler nicht weit. Während der kurzen Ansprachen an die Gäste bemerkte ich seine Blicke. Mehrere Personen ergriffen das Wort und sprachen ins Mikrofon. Im Rahmen der Veranstaltung bedankten sich einige der Selbsthilfegruppen-Vertreter bei den anwesenden Sponsoren für die erhaltene Spende. Frau Lisa Möllenharm kam zu meiner Begleiterin. „Hat er dich auch angesprochen, unser kleiner Lord“.
„Er hat sich vorgestellt“
„Pass auf, lass dir nicht eines seiner Bücher aufschwatzen. Er versucht es überall. Es sind Ladenhüter, die vom Preis her niemand haben will. Ulrike aus der Bücherstube hat es mir erzählt. Eine Lesung vor vier interessierten älteren Frauen hat er abgehalten. Ulrike sagte einmal reicht es war ermüdend ihm zuzuhören“.
„Gab es Fragen an ihn am Ende?“ Die Möllenharm sah mich an, grinste.
„Er kommt, ich geh besser. James, du kannst ihn ja bitten dir eines seiner Bücher zu schenken“.
Mit bitte Dana überreichte er meiner Begleiterin ein Glas mit Fruchtsaft. „Es gab nur normalen Sekt, keinen ohne Alkohol, Sie müssen leider mit Orangensaft ihren Durst stillen. Ich empfehle die leckeren Lachsschnittchen am Buffett“.
„Danke lieber Graf, gespeist haben wir schon vor dem Empfang hier“.
Sichtbar wurde es dem Graf warm. Schweißtropfen standen auf seiner Stirn. Nun fiel mir auf er trägt eine Perücke.
"Sie wissen, ich bin ein bekannter Autor, darf ich ihnen meine Visitenkarte überreichen? Internet haben sie ja, werfen sie einen Blick in meine Bücher. Leseproben gibt es bei Amazon und anderen Buchportalen. Frau Seeler hat in ihrem Buchladen sechs meiner Bücher ausliegen. Sie kennen doch Frau Seeler?"
Er schaute sich um, während Dana ihr leeres Glas einer vorbeigehenden Servicekraft auf ihr Tablett stellte. Der Graf griff zu einem gefüllten Sektglas, trat zwei Schritte beiseite und stand nun neben der Bürgermeisterin. Er überschlug sich fast mit Nettigkeiten, gab ihr dabei einen Handkuss. Wir hörten, wie er wieder von sich als Autor sprach, auf sein letztes Buch hinwies.
Die Bürgermeisterin sprach Dana an. „Wie gefällt ihnen dieses Jahr unser Neujahrstreffen?“ Blickte dann zu mir. Graf Alex trat nach vorne näher auf sie zu. Er kam zu nah, erschreckte sie dadurch mit seinen Worten: “ Darf ich Sie zu meiner nächsten Lesung in der Stadtbücherei einladen?“
"Es geht leider nicht. Wir haben eine Sitzung im Bauausschuss, sonst wäre ich bestimmt gekommen“. Die Bürgermeisterin ging zu einem Pressefotographen, wollte sich sichtbar vom Grafen befreien.
Bei uns noch stehend zitierte der Graf einige Lateinsätze. Nun kam eine Stadträtin der Grünen-Fraktion, die ihn laut verbesserte, so zeigte ihren Bildungsgrad.
Der Graf lachte. „Wir Akademiker, mein neues Buch ist gespickt mit Zitaten zum aktuellen Zeitgeschehen“. Er suhlte sich mit Selbstbelobigungen und erwähnte Zahlen von verkauften Büchern.
Es zog einige der Damen zu uns hin die seinen Worten lauschten. Eskapismus, er warf mit Fremdworten herum und musste gebremst werden aus meiner Sicht.
„Herr Graf, waren Sie schon in Bestsellerlisten auf vorderen Plätzen?“
Schweigen, alle sahen den Grafen an. Eine Frau fragte, ob er Bücher verschenken würde, wäre hier doch eine gute Werbung.
Die Schweißperlen wurden mehr. Ich sah es, andere nicht.
„Entschuldigen sie meine Damen ich muss weiter. Mein Sohn ist gekommen mit seiner Frau. Sie ist Oberärztin auf der Inneren im Klinikum“.
Die Leiterin der Stadtbücherei kam zu uns. „Er hat mich nicht gesehen. Diesmal habe ich Glück gehabt. Er nervt mich, aber ihr kennt ihn ja“.
Auf ihrem Rundgang kam die Bürgermeisterin dazu. „Unser kleiner Autoren-Graf, Lord Alex wird er scherzhaft genannt. Von uns hier hat wohl noch nie jemand eines seiner Bücher gelesen nehme ich an“.
Bestätigendes nicken kam. „Donnerstag wird es keine Lesung geben, gab nur zwei Anmeldungen“.
Ein leitender Mitarbeiter der Stadtwerke, Abteilung Gas, kam mit einem Tablett mit Sekt zu uns. "Trinken wir auf ein beginnendes erfolgreiches Jahr. Der Grafensohn hat eben die Augen verdreht, als er seinen Vater sah."
Die Damen lachten. "Er ist schon eine besondere Nummer in der Stadt. Dienstags sitzt er im Eis-Cafe und hält Audienz. Bayrischer Landadel, heute verarmt, aber man hat halt angeblich so einen Titel".
Elena Tuhn kam hinzu." Unser Alex unterschreibt neuerdings seine Widmungen mit Lord Alex von Walddorf. Bekam eines seiner Bücher geschenkt."
"Hast du es schon gelesen?"
"Nein, es sind komische Reime und Gedichte. Ich werde es der Stadtbücherei schenken".
"Nein Danke, stellen sie es in den Bücherschrank am Brunnen. Wir haben schon zwei Bücher von ihm die niemand bisher ausgeliehen hat. Es steht krudes Zeug drin, auch Wettbewerbs-Texte."
Ich wurde müde, unser Kreis immer kleiner. Mein Blick auf die Uhr ergab eine Frage an mich.
"James kannst du mich mitnehmen, mir reicht es für heute unsere Bürgermeisterin ist schon raus." Sichtbar war die Zahl der Gäste kleiner geworden. Graf Alex unterhielt zwei bekannte Geschäftsführer einer Druckerei, verteilte wieder seine Visitenkarten.
„Lass uns gehen“. Dana stieß mich an. Der Grafensohn war schon weg, sein Vater schien einen Fahrer zu suchen der ihn zurück in seine Senioren-Residenz am Kurpark bringt. Der verarmte Adel kann sich leider kein Taxi mehr leisten meinte Elena Thun. Lachend verließen wir die Aula des Gymnasiums.

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