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geschrieben von Jerry R.
Veröffentlicht: 19.09.2019. Rubrik: Fantastisches


Die Reklamation

Namin stürmte wie ein wilder Katomok durch die Tür und knallte seine Plakette auf den Tisch des dahinter sitzenden Beamten.
Dieser blickte ihn aus seinen vier mitternachtsschwarzen Augen gleichmütig an und schien mehr Interesse an der offenstehenden Tür zu zeigen, als an dem wütenden Ibaru in seinem Büro. Er war ein Musterbeamter, wie er im Buche stand: Ein verbrauchtes Gesicht in einem blassen Grün. Die Atemlöcher waren unter dem angeschwollenen Fleisch kaum noch in der Lage, ihre Funktion zu erfüllen, das rasselnde Geräusch rief Ekel bei Namin hervor. Das vorstehende Maul hatte er nach unten gezogen. Sein massiger Leib ruhte auf einer protzigen Polstersäule. Schließlich musterte der Beamte die Plakette und bemerkte, dass sie einen Kratzer auf der Tischplatte hinterlassen hatte.
Pikiert raschelte er mit seiner Rückenmähne und schloss per Knopfdruck die Tür. „Ich hoffe, Sie haben einen Termin.“
„Ich pfeife auf Ihren Termin!”, schnauzte Namin zurück. „Geben Sie mir lieber mein Geld zurück.”
Immer noch die Freundlichkeit in Person sagte der Beamte: „Wenn Sie ein Anliegen haben, werden Sie wohl oder übel einen Termin machen müssen. Sie können sich sicher vorstellen, dass ich eine Menge zu tun habe und deswegen auch keine Sprechstunde habe.”
„Sie haben mir Schrott angedreht und ich werde hier nicht wieder weggehen, bis Sie mir zugehört haben.”
An Namins bedrohlicher Haltung und der Härte in seiner Stimme erkannte der Beamte, dass er mit den üblichen Abwimmelungsfloskeln nicht weiter kam. Schließlich sagte er: „Na gut. Aber setzen Sie sich und verhalten Sie sich wie ein zivilisierter Ibaru.”
„Werden Sie mir bloß nicht frech!” Namin nahm auf der leeren Sitzbank gegenüber des Beamten Platz, nahm die Plakette wieder an sich und wedelte dem Beamten damit vorm Gesicht herum. ”Sie sollten ihre Parzellen etwas besser untersuchen, bevor Sie sie gutgläubigen Unternehmern andrehen. Es ist eine einzige Frechheit!”
”Ich kann leider nicht verstehen, was Sie meinen, wenn Sie weiterhin so einen Aufstand machen. Also bringen Sie bitte Ihr Anliegen vor.”
”ICH-WILL-MEIN-GELD-ZURÜCK!”, knirschte Namin hervor.
”Das sagten Sie schon. Aber da ich mit Ihrem Fall bisher nicht vertraut war, müssen Sie mir schon ein wenig mehr erzählen.”
Namin schnaufte auf und musste aufpassen, dass er diesen arroganten Sack nicht weiter anschrie. Er fühlte sich von dem Beamten verhöhnt und war überzeugt davon, dass es nicht das erste Mal war, dass ein unzufriedener Kunde in dessen Büro gerauscht kam und nach Entschädigung schrie. Nur widerwillig begann er zu berichten.
”Vor vier Jahren habe ich beim Amt einen Antrag auf eine Parzelle gestellt und dafür alle nötigen Voraussetzungen belegt.” Der Frust und die ganze Enttäuschung brachen aus Namin heraus. Alle vier Arme wedelten gestikulierend durch die Luft. ”Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wie lange es gedauert hat, bis ich mir eine eigene Parzelle leisten konnte? Was alles nötig ist, bis die verdammte Regierung einem ein Stück ihres wertvollen Raums gibt? Ich habe mein ganzes Leben für das Reich geschuftet und das soll alles sein, was ich bekomme?”
Erneut landete die Plakette mit einem metallischen Scheppern auf dem Tisch.
”Ich bitte Sie, das zu unterlassen!”, mahnte der Beamte mit scharfem Ton.
”Ja, ja!”, maulte Namin zurück.
Der Beamte machte sich endlich die Mühe, die Besitzplakette genauer zu betrachten. Zögerlich nahm er sie in die wulstige Dritthand und scannte die darauf gespeicherten Daten mit seinen Okularimplantaten. Nachdem er sich die Daten verinnerlicht hatte, sah er zu Namin auf und nährte dessen Wut mit einem verständnislosen Blick.
”Sie haben eine einwandfreie Klasse-B-Parzelle erstanden, Ibaru Namin”, sagte er ohne eine Spur von Emotion. ”Aus welchem Grund wollen Sie eine Reklamation anmelden?”
Namin versteifte sich innerlich und äußerlich bevor er beinahe brüllend antwortete: ”Dieses verdammte Sonnensystem, das Sie mir verkauft haben, ist verseucht!”
”Verseucht?” Der Beamte schüttelte ungläubig den Kinnkropf, wobei das umgebene Gewebe wie Götterspeise hin und her wogte. ”Es ist ein vollkommen normales System am Rande des Twallok-Arms. Vier feste Planeten, einige Gasriesen und eine Sonne der Klasse B. Hohe Rohstoffvorkommen. Unangetastet und für unbedenklich eingestuft. Ideale Bedingungen für industriellen Rohstoffabbau. Ich würde sagen, Sie haben ein außerordentliches Schnäppchen gemacht.”
”Sie wollen mich wohl verarschen, was?” Mit der rechten Faust schlug Namin direkt neben die Plakette auf die Tischplatte und verschaffte so seinen Aggressionen Luft. ”Ich habe dieses System erstanden, um seine Ressourcen für mein Unternehmen zu exportieren. Natürlich habe ich nach der Ersteigerung sofort die Industrialisierung des Systems angeordnet und erste Erkundungsschiffe hingeschickt. Zuerst sah es so aus, als wäre alles wie versprochen. Und dann diese … verdammte Pfuscherei!”
”Ach … Werden Sie bitte konkreter!”
”Es gibt verdammte Lebensformen in diesem System! Zwei der Planeten sind geradezu verseucht damit.”
Erneut raschelte die Rückenmähne des Beamten. ”Und das soll alles sein?”, fragte er in rauem, immer noch unverständnisvollen Ton.
”Alles?”, brüllte Namin, dass ihn wahrscheinlich der gesamte Stock gehört hatte. ”Ich rede hier nicht von bloßen Einzellern oder Pflanzen! Es ist eine verdammte, sich über das System ausbreitende Spezies! Sie hüpfen mit ihrer primitiven Technik von Planet zu Planet und haben sich schon auf zwei Welten ausgebreitet. In der Kaufbeschreibung war kein Wort von einer primitiven Spezies, die sich über meine Ressourcen hermacht! Es ist eine einzige Unverschämtheit so eine Parzelle zu verkaufen. Ihre Scoutschiffe hätten vielleicht besser hinschauen sollen. Ich verlange sofort mein Geld zurück!”
”Nun mal langsam”, erwiderte der Beamte und setzte in Kenntnis der Geschehnisse eine nachdenkliche Miene auf. ”Stellt diese Spezies irgendeine Bedrohung für ihr Unternehmen dar?”
”Nein”, antwortete Namin fest. ”Aber das ist nicht der Punkt …”
”Also wenn ich Sie richtig verstehe, gibt es nur ein kleines Schädlingsproblem?”
Der letzte Nerv in Namin war zum Zerreißen gespannt und schien jeden Moment mit einem Peitschenknall zu zerfetzen. Mühselig bejahte er und fügte bemerkenswert ruhig hinzu: ”Wissen Sie, was es mich kosten würde, die betroffenen Planeten zu säubern, damit ich ungestört mit der Rohstoffförderung beginnen könnte? Ich habe mit dem Erwerb der Parzelle meine finanziellen Möglichkeiten bis ans Limit ausgereizt und bin darauf angewiesen, dass die Förderung, Verarbeitung und der Verkauf der Rohstoffe so bald wie möglich einsetzt.”
”Es wird Ihnen doch sicherlich möglich sein, diese Spezies einfach zu übersehen und Ihre Raffinerien und Fabriken … darüber zu bauen. Wenn dieses Leben nicht einmal bedrohlich ist, kann es doch kein Hindernis für so einen engagierten Unternehmer wie Sie sein?”
”Sie wissen doch ganz genau, dass selbst die kleinste Störung einen erheblichen Verlust bedeuten kann! Es wäre nicht das erste Mal, dass eine primitive Spezies die Förderung eines ganzen Unternehmens lahm legt. Ich kenne die Berichte!”
”Wenn Sie damit darauf aus wollen, dass wir Ihnen wissentlich eine verseuchte Parzelle verkauft haben, dann versichere ich Ihnen, dass - sollte sich Ihr Vorwurf bestätigen - Sie eine ausreichende Wiedergutmachung erhalten werden.”
Namin hatte zum ersten Mal einen halbwegs vernünftigen Satz aus dem Maul des Beamten gehört und atmete tief durch, in der Hoffnung, endlich ernst genommen zu werden.
”Wir müssen nur vorher feststellen, wie schwer der Schaden ist, der durch den verseuchenden Organismus verursacht wurde. Ich werde Ihren Fall gleich weiterleiten und eine Untersuchung in Gang setzen. Das könnte einige Skalen dauern. Die eigentliche Untersuchung würde dann noch einmal mehrere Skalen in Anspruch nehmen. Sie werden sicher verstehen, dass wir uns ein eigenes Bild des Schadens machen müssen, bevor wir uns mit einer möglichen Entschädigung befassen können.”
Jede Hoffnung war mit diesem Kauderwelsch aus der linguistischen Schatzkiste eines Beamten hinweggefegt. ”Sie wollen mich wirklich verarschen, he?”
”Keinesfalls”, kam prompt die Antwort. ”Ich hätte da noch eine Frage.”
”Nur zu”, knurrte Namin in der Versuchung, zu resignieren.
”Wäre es Aufgrund Ihrer Einschätzung möglich, den fremden Organismus mit weniger Aufwand zu entfernen, als eine neue Parzelle kosten würde?”
”Nun ja …”, brabbelte Namin leicht verwirrt. ”Die Heimatwelt ist auf jeden Fall komplett verseucht. Es sind Einflüsse einer starken globalen Manipulation zu erkennen, die schädlich für den Ressourcengehalt des Planeten sein könnte. Sie haben außerdem überall im System ihre winzigen Gerätschaften verteilt, die wie Geschosse auf die Raffinerieschiffe wirken können!”
”Hmm”, machte der Beamte nur. Er hatte wohl den Ernst der Lage endlich erfasst. ”Es scheint so, als könnten wir noch etwas für dieses System tun”, antwortete er schließlich und schenkte Namin ein optimistisch gemeintes Mähnenrascheln.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von ehemaliges Mitglied am 02.10.2021:

Tolle Geschichte. Schon nervig so eine Spezies, die mit ihrer primitiven Technik von Planet zu Planet hüpft :)

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