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geschrieben 2019 von Lena.
Veröffentlicht: 30.12.2019. Rubrik: Spannung


Freiheit ist das Einzige, was zählt

      
5.00 Uhr. Der Wecker klingelte unbarmherzig. Sandra knurrte und schlug ihn mit einer gezielten Bewegung aus. Dann drehte sie sich auf die Seite und schlief weiter. Plötzlich ertönte laute Musik vom Flur her. ,,Freiheit ist das Einzige, was zählt.“ Westernhagen! Mit einem Ruck setzte Sandra sich auf. Das durfte einfach nicht wahr sein. Ihr Blick ging unwillkürlich in die Ecke, wo eine große Schaufel stand.

Leise jammernd stand Sandra auf. Noch einmal würde sie ihr nicht helfen. Sie hatte ihr beim letzten Mal gesagt, dass sie es nicht wieder machen würde. Damals hatte sie sich beim Graben ihre beste Jeans versaut. Schnell griff sie nach den Sachen vom Vortag und streifte sie sich über. Dann verließ sie ihr Zimmer und ging in die Küche.

Dort saß schon ihre Mitbewohnerin und wärmte sich ihre Hände an einer großen Kaffeetasse. Die Musik dröhnte, Lara sang laut mit. ,,Wo ist Stefan?“, fragte Sandra misstrauisch.,,Er hat mir gestern einen Heiratsantrag gemacht“, erklärte Lara und hob bedauernd die Schultern.

Sandra zuckte zusammen. Sie ging zur Kaffeemaschine und schenkte sich ebenfalls einen Kaffee ein. ,,Das ist nicht dein Ernst. Und da hast du es wieder getan? Du kannst doch nicht jedes Mal, wenn eine Beziehung ernster wird...“ ,,Nicht jedes Mal“, rief Lara empört. ,,Du weißt doch, dass ich...“ ,,Fang bloß nicht schon wieder mit deiner verkorksten Jugend an“, schrie Sandra. ,,Dann schreie ich nämlich.“ ,,Das tust du doch schon jetzt“, entgegnete Lara kühl.

Sandra zwang sich zur Ruhe. Sie atmete tief durch und sah Lara dann an. Lara stand auf und ging auf Sandra zu. So wie sie vor ihr stand, klein und zierlich mit großen braunen Augen, hätte niemand vermuten können, welche Kraft von ihr ausgehen konnte, wenn ihr etwas nicht passte. Unwillig schüttelte Sandra den Kopf. ,,Ich will nichts mehr damit zu tun haben“, rief sie dann aufgebracht.

,,Wie soll ich ihn denn ohne dich transportieren?“, rief Lara. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie sah Sandra flehentlich an. Wütend trat Sandra gegen einen Küchenstuhl. Polternd ging er zu Boden. Sie sagte mit zusammengebissenen Zähnen: ,,Du bist wirklich die Pest. Hätte ich dich doch nie als Mitbewohnerin ausgesucht. Dann säße ich jetzt gemütlich am Frühstückstisch und hätte nur einen normalen Arbeitstag vor mir.“ ,,Das ist nicht fair“, sagte Lara leise. ,,Du hast dich doch gelangweilt in deinem Büro und wolltest einen Kick in deinem Alltag haben. Den hast du doch jetzt.“

Sandra seufzte. ,,Dann hole ich jetzt die Schaufel. Fahr du schon mal das Auto vor das Haus. Ich muss gleich zur Arbeit und wir müssen fertig sein, bevor es hell wird. Das ist aber wirklich das letzte Mal, dass ich dir helfe.“

Schweigend schleppten Lara und Sandra den schweren Körper von Stefan die Treppen hinunter und verfrachteten ihn schnaufend in den Kofferraum. ,,Musst du dir eigentlich immer so schwere Typen suchen“, brachte Sandra hervor, nachdem sie wieder Luft bekommen hatte. ,,Der Letzte war auch kaum zu bewegen.“ ,,Beim nächsten Mal halte ich Ausschau nach einem schlanken Mann. Versprochen,“ gab Lara beleidigt zurück. ,,Ein nächstes Mal wird es nicht geben. Das habe ich dir eben schon gesagt,“ knurrte Sandra verbissen.

Nach einer halben Stunde Fahrzeit hatten sie ihr Ziel, ein nahe gelegenes Wäldchen, erreicht. ,,Welchen Platz nehmen wir denn dieses Mal?“, erkundigte sich Lara interessiert.

,,Mann, Lara“, brach es aus Sandra heraus. ,,Das kann doch nicht dein Ernst sein. Du baust Mist und ich kann mich um den Rest kümmern. Jetzt ist wirklich Schluss.“ ,,Ach Sandra“, sagte Lara kühl ,,was willst du denn wohl machen? Zur Polizei gehen? Du hängst doch genauso drin wie ich.“

Sandra antwortete nicht, sondern deutete auf einen Platz in ihrer Nähe. ,,Ich denke, hier können wir anfangen zu graben.“ Beide holten ihre Schaufeln aus dem Kofferraum und machten sich ans Werk.

Als sie fertig waren, hievten sie Stefan ins Loch. Mit einem dumpfen Aufschlag schlug sein Körper auf dem Boden auf. Sandra stöhnte und umklammerte ihre Schaufel. Dann wandte sie sich an Lara. ,,Sag mal, was hast du eigentlich vorhin gemeint, als du gesagt hast, dass ich nichts machen kann? Ich werde dir definitiv nicht noch einmal helfen.“

,,Du weiß doch, wie unbeherrscht ich sein kann“, entgegnete Lara ihr gelassen und schaute sie freundlich an. ,,Wie soll ich denn jetzt schon versprechen, dass so eine Affekthandlung nicht noch einmal vorkommen kann? Und dann brauche ich selbstverständlich deine Unterstützung.“

Die letzten Worte hörte Sandra nur noch undeutlich. Sie hatte ein Rauschen in den Ohren, das immer stärker wurde. Sie merkte, wie sie die Schaufel hob und gegen Lara schwenkte. Die versuchte sich zu ducken, aber Sandra war schneller.

Nach einer Minute war alles vorbei. Sandra starrte auf Lara hinab, die nun tot am Boden lag. Eine Stunde später war Lara mit Stefan vereint unter der Erde und Sandra fuhr mit ihrem Auto zur Arbeit.

Dabei sang sie lauthals ,,Freiheit ist das Einzige, was zählt.“

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