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geschrieben 2021 von Doris Fischer (Doris Fischer).
Veröffentlicht: 01.02.2021. Rubrik: Persönliches


Der Abschied

Der Abschied

Im Leben gibt es Tage, die man gerne aus dem Kalender streichen würde, wenn man nur könnte. So auch im Fall von Charlotte, die seit Monaten einem bestimmten Tag mit Grauen entgegen fiebert.

Seit einer halben Ewigkeit arbeitet sie in einem Unternehmen und liebt ihre Tätigkeit als Vertriebssachbearbeiterin mehr als alles andere auf der Welt.
Sie engagiert sich mit Leib und Seele für diese Aufgabe und arbeitet täglich oft bis zur Erschöpfung. Ihre Leistungen erfüllen sie mit Stolz, Freude und großer Zufriedenheit. Charlotte ist glücklich, seit vielen Jahren zu dem eingeschworenen Team von netten Kollegen und Kolleginnen zu gehören, die sich in jeder Situation auf einander verlassen können und sich stets bei der Arbeit unterstützen. Sogar vom Chef sind nur lobende Worte für „sein Team“ zu hören.

Nach einem anstrengenden und arbeitsreichen Tag freut sich Charlotte schon wieder auf den nächsten Arbeitstag. In ihrer Familie stößt sie dagegen mit ihrer ausgeprägten „Arbeitswut“ immer wieder auf Unverständnis.
Ihr Mann schüttelt nur noch den Kopf und meint: „ Du bist immer auf der Überholspur, nimm dir doch einmal Zeit für etwas Entspannendes und genieße den Tag!“
„Ja, du hast ja Recht“, gibt Charlotte zurück, „ aber die Arbeit gibt mir Bestätigung und Zufriedenheit. Verstehst du das denn nicht?“.
Selbst die Kinder wundern sich über ihre Mutter und geben zu verstehen: „Mama, komm jetzt mal runter und ruhe dich aus. Denk dran, du bist auch nicht mehr die Jüngste….“

Jetzt hat Charlotte aber gehörig eins vor den Bug bekommen : du bist auch nicht mehr die Jüngste!

Dieser Satz graviert sich blitzschnell in Charlottes Gedanken ein:
„ Ich gehöre nicht mehr zu den Jungen,…ich gehöre zu denen, die nicht mehr gefragt sind im Berufsleben, …die aufs „Abstellgleis“ geschoben werden… ich gehöre zu den „Rentnern“ –was für ein schreckliches und furchteinflößendes Wort – RENTNERIN!“

Das Gedankenkarussell beginnt sich unaufhaltsam zu drehen: ich bin alt…. ich bin nichts mehr wert…..ich werde abgeschoben….was soll ich machen?

Leider jedoch muss Charlotte wohl oder übel einsehen, dass sie gar nichts dagegen machen kann. Besser gesagt, dass sie diese Situation ungefragt übergestülpt bekommt, obwohl sie noch voller Energie und Tatendrang ist und jahrelang weiterarbeiten könnte.

Der verflixte letzte Tag in der Firma kommt mit großen Schritten auf Charlotte zu. Sie weiß nun genau, dass sie keine andere Wahl hat und dass es keinen anderen Weg mehr für sie gibt.
Traurig und emotional aufgewühlt sieht sie dem Ende ihrer Berufstätigkeit entgegen, das unerbittlich auf sie zurollt. Das Ende eines erfüllten Arbeitslebens, in dem sie Freude, Anerkennung und Zufriedenheit erleben durfte.

Gibt es für sie wohl auch ein zufriedenes Leben nach der Berufsarbeit ?
Eine neue Herausforderung?
Eine sinnvolle und zufriedenstellende Aufgabe?
Oder wird sie in ein tiefes schwarzes Loch fallen?

Diese und viele andere Fragen quälen Charlotte Tag und Nacht.
Wie in einem Trancezustand erlebt sie nun den letzten Tag – ihre Verabschiedung von ihren Kollegen und Kolleginnen, von den Chefs und vielen anderen Mitarbeitern.
Von allen Seiten hört Charlotte viele Mut machende Worte und Glückwünsche. Es werden Geschenke überreicht und alle Kollegen prosten ihr herzlich zu und wünschen ihr einen guten Start in ein neues, zufriedenes Leben mit interessanten Perspektiven und Aufgaben.

Plötzlich lösen sich die negativen Gedanken und Empfindungen, die Charlotte bereits eine Ewigkeit mit sich herumschleppt, auf und sie ist von einer unerwarteten Leichtigkeit erfüllt, zu der sich sogar ein zartes Glücksgefühl schleicht. Sie ist emotional überwältigt von solch großer Wertschätzung und tiefen Verbundenheit, dass ihr die Tränen übers Gesicht rollen.
In diesem Moment wird Charlotte bewusst, dass sie es schaffen wird, in ein „ glückliches und zufriedenes Leben nach der Arbeit“ zu starten und den neuen unbekannten Lebensabschnitt genauso lieben wird wie die vergangenen Jahre – gemäß dem Motto „ CARPE DIEM“.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Susi56 am 01.02.2021:

Sehr schön geschrieben. Nur dass das Gefühl der Erleichterung/ das Glücksgefühl eher nie plötzlich und so schnell kommt, sondern erst nach einiger Zeit - in der Regel... :-) Trotzdem - hab ich sehr gern gelesen.




geschrieben von ehemaliges Mitglied am 03.02.2021:

Mitfühlend und gut geschrieben, ich freue mich schon auf meine:-)))




geschrieben von die Juditha am 03.02.2021:

eine Geschichte, die Mut macht, Veränderungen entgegen zu gehen und anzunehmen. Freue mich auf weitere.

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