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geschrieben von Niklas.
Veröffentlicht: 13.02.2021. Rubrik: Unsortiert


Shoppingqueen

Dora Dinero starrte in das Schaufenster bereits seit mehreren Minuten. „Dieses Kleid muss du unbedingt haben!“ Dass sie erst gestern ein ähnliches Kleid gekauft hatte, blendete sie bewusst aus. Ihre Gier, dieses unstillbare Verlangen – das dann, sobald sie das Kleid in den Händen lag und ihr eigenes war, dem nächsten Wunsch weichen musste – wuchs sekündlich und schien keine Grenze zu kennen. „Ich muss es haben“, murmelte Dora und betrat den Laden. Zielstrebig steuerte sie auf das soeben ausgewählte Kleidungsstück zu.
Der Verkäufer, der sie nur zu gut kannte – und sie immer so beriet, dass das Verlangen schier unstillbar zu seien schien – näherte sich. Mit schleimendem Tonfall sprach er sie an. „Na? Bereits ein Kleid in Aussicht?“ Natürlich hatte er längst bemerkt, welches Stück seine beste Kundin in Visier hatte: das neue Kleid der aktuellsten Kollektion. Sie möchte das Kleid aus dem Schaufenster gerne anprobieren. Ihre Größe kannte der Verkäufer schon. Er holte die passende Ausgabe und reichte sie ihr. Mit gierigen Finger griff sie danach und stürmte – rannte förmlich – in eine Umkleidekabine, um das neue Designerstück auf seine Sitzbarkeit zu prüfen.
„Sie sehen fabelhaft aus“, lobte der Verkäufer. Eitel wie ein Pfau stolzierte sie vor dem Spiegel auf und ab. Dann verzog sie das Gesicht. Sie fand, dass sie viel zu fett in diesem Kleid aussähe, ihre Speckrollen seien zu sehr sichtbar.
„Das betont die Figur“, lobte der Verkäufer. Dora wägte kurz ihre Meinung und die ehrliche Rückmeldung des Verkäufers ab und entschied sich rasch für dessen Begründung. Allerdings sei die Farbe zu grell. Es ließe sie blass aussehen.
„Ganz im Gegenteil. Das kräftige Farbenspiel des Kleides hebt Ihre Augen hervor und passt ausgezeichnet zu Ihren dunklen Haaren“, lobte der Verkäufer. Erleichtert nickte die leichtgläubige Kundin, dann wanderte ihr Blick langsam an sich herab und blieb an den andersfarbigen Schuhen hängen – sie hatte sie erst gestern zu ihrem anderen Kleid gekauft, doch zu diesem passten sie einfach nicht.
„Kein Problem. Passende Schuhe zu diesem Kleid hat der einzigartige Designer des Kleides ebenfalls entworfen. Die sehen bestimmt wunderbar an Ihnen aus. Ihr Geschmack ist erstklassig“, lobte der Verkäufer. Dora war nun mehr als überzeugt und sie wollte dieses Kleid unbedingt haben – sie musste, die brauchte es. Sie brauchte es so sehr wie die Luft zum Atmen. Allerdings warf sie die gähnende Leere fast aus der Bahn, allerdings nur fast. Sie starrte gierig auf ihr Kleid, dann fixierte sie den Verkäufer.
„Ich muss dieses Kleid haben, sonst sterbe ich … auf der Stelle.“ Dramatisch riss sie ihre stark geschminkten Augen auf und ihr Ausdruck wandelte sich zu einem Flehen. Sie musste dieses Kleid unbedingt haben, sie liebte es, aber zahlen konnte sie es nicht. Das Preisschild verriet ihr unmissverständlich, dass der Wucherpreis ihr ohnehin immer knappes Budget stark überschritt.
Zweihundertneunundneunzig Euro und neunundneunzig Cent.
Dora deutete stumm auf das Preisschild und wollte wissen, ob man was daran machen könne.
„Sie sind meine beste Kundin, aber wir sind auf keinem Basar“, erklärte der Verkäufer. Doch Dora ließ nicht nach. Sie versuchte zu feilschen, doch es war zweck- und erfolglos. Sie wünschte sich einen Rabatt, da sie ja oft etwas kaufe und zudem noch die passenden Schuhe nehme. Der Verkäufer ließ sich breitschlagen, in den Preis des Kleides auch die Schuhe einzubeziehen. Da Dora allerdings immer noch nicht zufrieden war, überlegte der Verkäufer und dann kam ihm eine Idee. Aus dem Lager holte er dasselbe Schuhpaar, das allerdings gerissene Schuhbändel hatte, heraus und bot ihr dies zum halben Preis ein. Jedoch musste Dora zugeben, dass sie diesen Monat kein Geld mehr hatte und noch eine Woche auf ihr Gehalt warten müsse. Der Verkäufer ließ sich darauf ein und schrieb den Preis der Klamotten in seinen Computer.
Überglücklich sprang Dora aus dem Laden heraus, das Kleid trug sie noch, die Klamotten als Pfand zurückgelassen, und strich andächtig über ihre neueste Errungenschaft. Dann lief sie die Straße hinunter und blickte abwesend in die Schaufenster, die sich rechts und links auf der Straßenseite befanden. Plötzlich erregte eine Vitrine ihre Aufmerksamkeit. Gebannt und mit angehaltenem Atem blickte sie auf ein Kleid, das ihr Herz gleich höher schlagen ließ.
„Das muss ich haben, sonst sterbe ich!“

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