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geschrieben von Weißehex.
Veröffentlicht: 14.08.2021. Rubrik: Persönliches


Glasreiniger oder als die Welt noch in Ordnung war

Die Fenster haben das Putzen dringend nötig. Ich schnappe mir den Glasreiniger, der auf dem Regal mit den Putzutensilien steht, zwischen Allesreiniger und Textilerfrischungsspray. Unwillkürlich fällt mir das Datum ein, an dem ich ihn gekauft habe. Es war vor fast zwei Monaten, damals, als die Welt noch in Ordnung war. Ehe ich diese verdammte Scheiße gebaut habe.
Ich habe in meinem Leben vielleicht einigen Mist gemacht, aber das war mit Abstand das Allerdümmste, was ich jemals gemacht habe. Ausbügeln ging nicht. Wiedergutmachen auch nicht. Nur Schadensbegrenzung. Immerhin, dazu habe ich mich durchgerungen. Nein, das ist das falsche Wort. Ich habe mich bemüht. Leider ging es durch äußere Umstände nicht so schnell, wie ich wollte.
Ich sprühe die Fenster mit dem Glasreiniger ein und fange an, wie wild zu wischen. Als ob man diese Sache wegwischen könnte. Aber gibt es nicht so etwas wie Reinwaschen von Schuld? So ein Blödsinn, denke ich, man weiß doch, dass schon Pontius Pilatus seine Hände in Unschuld waschen wollte und ihm das niemand wirklich abgekauft hat.
Andererseits: Ich habe niemanden zum Tode verurteilt oder jemanden umgebracht. Ich habe nichts Ungesetzliches gemacht.
Es ging nur ums Geld.
Scheiß Geld, und jetzt reden Eltern und Geschwister nicht mehr mit mir. Wobei mich das bei letzteren nicht wirklich stört. Die haben sowieso noch nie viel mit mir geredet. Zuletzt sah ich sie auf einer Beerdigung einer Tante. Ich wollte ein paar Mal erklären, warum ich alleine gekommen war. Niemand hörte mir zu. Selbst als ich meine Erklärung zum dritten Mal wiederholte. Was soll ich mit solchen Geschwistern?
Aber dass meine Eltern nicht mehr mit mir reden, das tut weh. Mehr weh, als ich jemals gedacht hätte. Obwohl ich mich eigentlich mein ganzes Leben lang über sie geärgert habe.
Ich habe wie verrückt gewischt. Die Fenster sind nicht sauber geworden. Es kommt mir vor, als würden sie sich über mich lustig machen.
Ich stelle den Glasreiniger ins Regal zurück. Und wünsche, ich könne die Zeit zurückdrehen zu dem Tag, an dem ich ihn gekauft habe.
Als die Welt noch in Ordnung war.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Christine Todsen am 14.08.2021:

Packend geschrieben. Leider ist die Geschichte (Rubrik „Persönliches“) wohl nicht fiktiv. Da die Sache noch keine zwei Monate zurückliegt, vermute ich, dass Deine Eltern einfach noch Zeit brauchen. Ich hoffe, dass sie – wenn sie Deine Reue spüren – irgendwann wieder zur Versöhnung bereit sind. Eventuell könntest Du einen Dritten um Vermittlung bitten, z.B. einen nahen Verwandten oder den Hausarzt.




geschrieben von Susi56 am 15.08.2021:

Ja, mich hattest du auch mit drin im Geschehen . Sehr eindringlich geschrieben! 👍🏻




geschrieben von Weißehex am 15.08.2021:

Vielen Dank euch beiden! Nein, so ganz fiktiv ist sie leider nicht, auch wenn nicht alles 1:1 übernommen wurde... Danke für euer Mitgefühl. Ich glaube aber nicht, dass das jemals wieder hinzubiegen ist - es würde allerdings zu weit führen hier, die Gründe jetzt ausführlich zu raisonieren. Aber es tut schon gut, darüber schreiben zu können. Nochmal danke LG Weißehex




geschrieben von Winterrose am 15.08.2021:

Sehr spannend geschrieben, macht neugierig zu erfahren, was denn schief gelaufen ist. Ich wünsche dir auf jeden Fall alles Gute, dass sich neue Möglichkeiten auftun oder dass sich zumindest die Situation bald nicht mehr so dramatisch anfühlt.




geschrieben von Weißehex am 16.08.2021:

Vielen Dank, Winterrose!

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