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4xhab ich gern gelesen
geschrieben 2021 von Dan Prescot (Dan Prescot).
Veröffentlicht: 06.11.2021. Rubrik: Menschliches


Rose Garden

Graue Wolken zogen in einem nicht enden wollenden Strom über Rose dem Horizont entgegen. Der Wind zerrte und zupfte an ihrer Kleidung, gerade so als wolle er, dass sie ihn auf seiner Reise begleitete. Sie stand am Rand ihres Gartens und schaute den Vorboten des nahenden Unwetters hinterher.
Schon rollte das erste dumpfe Grollen über die Hügel und Ebenen der einsamen Gegend. Rose wandte sich ab und ging über den von Blumenbeeten gesäumten Pfad, den ihr Mann Fred noch selbst mit Ziegeln gepflastert hatte, auf ihr Haus zu. Sie hatte damals die Rosenstöcke gepflanzt und trotz der Kinder und der Hausarbeit die Zeit gefunden, den Garten zu pflegen. Sie kannte und liebte jeden einzelnen Winkel, jede Pflanze und jeden Strauch. Ihre Rosen waren ihr Leben. Der kommende Regen würde gut für den Boden sein. Doch wenn Hagel dabei wäre, würden die Blumen leiden. Wieder blickte sie zum Himmel auf. Die Wolken waren hoch und dunkel. Bestimmt würde der Hagel kommen. Als erste Ankündigung der kalten Jahreszeit. Rose blieb vor den Rosenstöcken stehen.
Sie hatte sich damals auf die modernen Rosensorten festgelegt, weil die nicht so füllig in den Blütenständen ausfielen und sie für Rose die feine Eleganz und Einzigartigkeit der Rosen verkörperten. Sie liebte die helle, cremige Farbe, die klare Linie und den intensiven Duft der Julia´s Rose. Ihre Freude war der Farbverlauf von hellem Rot in intensives Gelb der Double Delight mit den weit auffächernden Blütenblättern. Doch immer wenn sie an den Stöcken der Remember Me - Rosen innehielt, mit ihren feinen Linien, dem intensiven Rosé und dem atemberaubenden Duft, dann war sie in Gedanken bei ihrer Familie. Fred hatte sie ihr damals zum dritten Hochzeitstag geschenkt. Es waren die ersten Rosen für ihren Garten gewesen. Sie hatten gerade das Haus gekauft und oft war das Geld knapp und die Not groß gewesen. Die Rosen waren mit der Familie gewachsen und hatten sie dabei durch alle Höhen und Tiefen über die Jahre begleitet. Hatten in der Not Trost gespendet, mit dem Kinderlachen farbenfroh geblüht und nach Freds Tod die Einsamkeit mit ihr geteilt. Auch ihre Zeit war nah. Sie konnte spüren, wie das Leben sich stückchenweise von ihr zurückzog. Es betrübte sie zu wissen, dass sich niemand mehr um das Haus, den Garten und besonders um ihre Rosen kümmern würde. Keines ihrer Kinder mochte hier leben. Sie hatte versucht, einige Zimmer zu vermieten aber niemand hatte sich auf die Anzeigen hin ge-meldet. Letztlich war es gut so, sie hätte es doch nicht ertragen, Fremde in ihrem Haus zu wissen.
Behutsam fuhr sie mit der Hand über die samtigen Blüten ihrer Rosen, über die noch nicht erblühten Knospen, die prachtvollen Blütenstände und die welken Blätter. Jeder Windstoß riss neue Blätter aus den Büschen und ließ sie in einen Blütenregen aus Rosenblättern eintauchen.
Sie zog das Tuch um ihre Schultern enger an sich. Es wurde kalt. Ihr Blick fiel auf eine der Blüten. Die Blätter am Rand waren ein wenig eingerollt, in der Mitte war die Knospe noch fast geschlossen und die Blütenblätter an der Spitze leicht nach außen gewölbt. Die rosa Farbe war kräftig und wurde zum Rand hin blasser. Durch das schwindende Licht wurden die Zwischenräume der Blütenblätter zu dunklen Akzenten, die die Schönheit dieser Blüte betonten. Der Geruch war betörend und beschwor Erinnerungen aus glücklichen Tagen herauf. Nichts störte die Vollkommenheit dieser Rose. Sie war gut. Es war gut. Rose lächelte.
Diese Blume war das Dankeschön aus all der Zeit, all der Not und Arbeit. Gedankenverloren streckte Rose ihre Hand aus, um die Blume zu brechen. Und hielt inne. Nein, keine Vase, kein Gefäß konnte diese Schönheit aufnehmen. Nichts wurde ihr gerecht. Nur die Zeit, die Arbeit und die Liebe, die in dem Stück Erde steckten, die sie umgab. Liebevoll berührte Rose die Blume. Ja, es war gut. Für einen kurzen Augenblick war alles vollkommen und ein tiefer Frieden erfüllte sie.
Dann ging sie ins Haus, zu all den Erinnerungen. Rose setzte sich in ihren Lehnstuhl, um sich von diesem Tag, von diesem Leben auszuruhen und schlief ein. Sie hörte nicht mehr, als der erste Hagel auf das Dach des Hauses fiel und die dunkle Jahreszeit verkündete.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Ernst Paul am 07.11.2021:

Die Geschichte ist in sich stimmig. Gefällt mir sehr gut. Deshalb ein „gern gelesen“.

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