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geschrieben von As'a hel.
Veröffentlicht: 24.01.2022. Rubrik: Unsortiert


Das Bündnis

Es ist taktischer Irrsinn mit Reitern in Lanzenträger zu stürmen, aber das wertet der Großkönig, der auf einem Hügel hinter seinen Truppen steht, nicht als Vorteil. Die feindliche Reiterei hat in fünf Schlachten bewiesen, dass sie der menschlichen Vernunft überlegen ist.
Während sich der Feind zum Angriff sammelt, betrachtet der König grimmig die gegnerischen Reihen. Man sollte meinen, dass nach fünf vernichtenden Niederlagen für die Königlichen zumindest die Strategie des Gegners zu erkennen wäre, doch diese Macht bleibt ein Rätsel.

Vor einiger Zeit erhielt der König Berichte über einen Herrn der Herren, einen König der Könige, einen Gewaltigen, dem alle Königreiche unterstehen sollen. Unmittelbar nach diesen Berichten trat die unbekannte Macht auf, und zwar so, als ob sie schon immer hiergewesen wäre, aber erst jetzt sichtbar wurde. Diese Macht scheint menschlich zu sein, doch sie kämpft mit übermenschlichen Mitteln; besonders unheimlich ist, dass der Feind keine Anführer hat und dennoch organisiert handelt wie ein Vogel- oder Heuschreckenschwarm.

Die feindliche Reiterei hat ihre Schlachtordnung eingenommen und nähert sich im Schritt den königlichen Linien. Die Männer des Königs strahlen Zuversicht und Stärke aus, sie rücken Schulter an Schulter zueinander, um eine undurchdringliche Wand aus Lanzen, Schilden und Schwertern zu formen; es sind gute, tapfere Männer, sie lieben ihren König und werden nicht wanken, solange der König nicht zweifelt.

Es sieht vielversprechend aus, vielleicht ist heute der erste Sieg möglich, wenn da nicht noch etwas anderes wäre. Ohne ein Signal, ohne einen Befehlsruf gehen die Berittenen in den Trab und die feindlichen Fußsoldaten dahinter marschieren in schnurgeraden Kampflinien vorwärts. Unruhig blickt der Großkönig zum Horizont hinter dem Feind,
aber seine Hoffnung wird nicht erfüllt.

Da ist es wieder, dieses seltsame Licht! Für die Augen ist es wohliger Glanz, doch für das Herz ist es Finsternis. Als ob sich ein Stern erhoben hätte, wird das Schlachtfeld von diesem Licht erfüllt und es geschieht dasselbe wie die fünf Male davor: Die Pferde der Feinde wirken mächtig wie Elefanten, die Reiter wirken bedrohlich wie Löwen und die Fußsoldaten kraftvoll wie Stiere. Die Folgen des Lichts für die Königlichen sind dagegen verheerend, die Männer wirken klein wie Grashüpfer und schwach wie junges Gras.

Die jetzt riesenhaften Streitrösser gehen in den Galopp und kurz danach in den Sturmlauf; die Königlichen werfen ihre Wurfspeere aus der vierten, fünften und sechsten Linie, aber sie zerbrechen wie wurmiges Holz an den jetzt undurchdringlichen Panzern der Rösser und Reiter. Die Männer der ersten drei Linien umfassen ihre Lanzen mit ganzer Kraft, um den Ansturm des Feindes zu brechen. Der König schließt seine Augen: Bleib stehen, bitte, bleib stehen.

Eisen, Kupfer, Fleisch verschmelzen. Hunderte Königliche kommen in einem Augenblick um.

Als der König die Augen öffnet, sieht er, was er längst weiß. Der Ansturm der Rösser wurde nicht einmal verlangsamt, unaufhaltsam stürmen sie weiter und zermalmen alles. Der König ist kein Tyrann, seine Männer, die zu Tausenden fallen, sind seine Schutzbefohlenen, seine Brüder, seine Kinder. Überwältigt von Tränen der Verzweiflung und Wut ballt der Besiegte seine Fäuste, streckt die Arme zum Himmel und schreit:
Warum hasst du mich, was habe ich dir getan!?

Der Feind ist nur noch einen Steinwurf weit entfernt, doch das schreckt den König nicht, denn nicht nur ist er jederzeit bereit mit den Männern zu sterben, sondern er weiß auch, was als Nächstes geschieht: Ohne erkennbaren Einfluss halten die Rösser, der Feind stellt das Verfolgen und Schlachten ein. Wie die Male davor werden sie auch diesmal auf dem Schlachtfeld lagern, stets in der Nähe des königlichen Heeres. Das Verhalten dieser Macht ist unerklärlich, sie ist wie eine Krankheit, die sorgfältig darauf achtet, den befallenen Leib zwar zu schwächen, aber nicht zu töten.

Nachdem der König im Lager den Soldaten für ihre Treue gedankt und seine Ratgeber angehört hat, zieht er sich in sein Zelt zurück und befiehlt allen Dienern sich zu entfernen. Es ist die sechste Niederlage; alles Menschenmögliche wurde getan, doch es ist hoffnungslos: Meine eigene Kraft kann mich nicht befreien! Er ist ein Großkönig ohne Größe, ein König ohne Reich; er weint leise, um sein Volk nicht unerträglich zu belasten.

Nach einer schlaflosen Nacht melden Späher die Ankunft einer Gesandtschaft, die außerhalb des Lagers auf den Großkönig wartet. Erst ist er erzürnt über dieses anmaßende Verhalten, aber genau genommen ist er kein König mehr, sondern ein Gejagter, der Hilfe braucht.
Die Gesandtschaft besteht aus sieben Männern, die in weiße Leinen gekleidet sind und in einer Linie stehen; als der König sich nähert, neigen sie ihre Häupter respektvoll zur Erde.

Der König spricht: Wer ist euer Anführer, woher kommt ihr und was ist euer Anliegen? Der Mann, der am nächsten zum König steht, verneigt sich respektvoll und antwortet: Großkönig Nebukadnezar, wir sind Könige wie du; wir dienen einem, der größer ist als wir. Du kannst unseren Anführer jetzt nicht sehen, doch wenn du dich ihm anschließt, dann wirst du ihn später sehen. Wir sind hier, um dir ein Bündnis anzubieten, damit du deinen Feind bezwingen und dein Königreich wiedererlangen kannst; aber das hat seinen Preis.

Der König spricht: Ihr kennt meinen Feind? Ein anderer der Sieben verneigt sich respektvoll und antwortet: Alle Königreiche haben denselben Feind und jeder König muss ihn selbst überwinden, doch nicht aus eigener Kraft, denn unser Anführer erringt den Sieg durch uns.

Der König spricht: Wenn euer Herr so mächtig ist, was braucht er dann von mir? Ein anderer der Sieben verneigt sich respektvoll und antwortet: Unser Herr braucht nichts von uns, denn ihm gehört alles. Er gibt, dein Feind nimmt und du tust beides. Wenn du dich mit uns verbündest, wirst du mit der Zeit alles erkennen; aber wir sehen, dass du noch nicht bereit bist, deshalb sollst du wissen, dass wir hier auf dich warten, bis du zu uns kommst.

Der König spricht: Sagt mir, wie ich meinen Feind bezwingen kann! Ein anderer der Sieben verneigt sich respektvoll und antwortet: Du kannst es jetzt nicht fassen, deshalb musst du es sehen. Wir sind Krieger, doch wir kämpfen nicht mehr mit den Waffen dieser Welt, sondern mit Mitteln, die alle Feinde im Himmel und auf der Erde überwinden.

Der König spricht: Nennt mir den Preis, den euer Herr verlangt! Ein anderer der Sieben verneigt sich respektvoll und antwortet: Wir haben ein Schreiben vorbereitet, du wirst es vor deinem ganzen Volk als Schwur verlesen, dann werden wir in der siebten Schlacht an deiner Seite stehen und du wirst siegen.

Der König entrollt das Pergament und beginnt zu lesen. Der Ausdruck seines Antlitzes wechselt von Neugierde zu Verwunderung zu Belustigung zu Unverständnis zu Verärgerung zu Zorn. Unbeherrscht schleudert er das Schreiben von sich und ruft: Niemand ist Herrscher in diesem Königreich als nur der Großkönig Nebukadnezar, niemals kann das anders sein! Seine Verachtung für die Gesandten zur Schau stellend, kehrt er in sein Lager zurück. Respektvoll neigen die Sieben ihre Häupter zur Erde, bis er außer Sicht ist.

Drei Tage und drei Nächte lang ringt der Großkönig mit einem starken, stolzen Mann.

Der Grund, das Bündnis mit dem Herrn der Fremden einzugehen, ist nicht der Hass auf den Feind oder die Furcht davor, die Königswürde zu verlieren, sondern die Hoffnung auf Frieden; die Hoffnung auf Ruhe für das Herz.

In Gegenwart aller Köpfe seines Volkes verliest er seinen Schwur: Ich, Großkönig Nebukadnezar, erkenne den Schöpfer der Himmel, der Erde, des Meeres und von allem, was ist, als meinen alleinigen Herrn und Gott an. Ich diene eifrig meinem Herrn und bin ihm in allem gehorsam. Ich zweifle nicht an meinem Herrn und lasse mich nicht von Schwierigkeiten in meiner Treue erschüttern. Ich stelle keine Bedingungen an meinen Herrn, denn ich vertraue auf seine Gerechtigkeit. Mein Gott schützt meine Königswürde und mein Königreich für immer; er bezwingt meine Feinde und steht mir gemäß seinem Willen in allem bei für immer.
Wenn ich aber meinem Gott nicht mit ganzem Herzen gehorche, dann trifft mich Ungemach; und wenn ich nicht umkehre, um meinem Gott wieder mit ganzem Herzen zu gehorchen, dann werde ich meinen Teil im Feuersee haben. So ist es!

40 Tage später stehen sich die verfeindeten Heere wieder gegenüber.
Der König steht auf einem Hügel hinter seinen Truppen und traut seinen Augen nicht, als die Sieben sich nähern: Sie tragen die weißen Leinenkleider und Schilde auf ihren Rücken, aber keine Rüstungen und keine Waffen.

Einer der Fremden verneigt sich respektvoll und spricht: Fürchte dich nicht! Das ist deine Schlacht und dein Sieg, wir erfüllen unsere Aufgabe, doch du überwindest. Der König spricht: Woher kommt der Feind? Der Siebte verneigt sich respektvoll und antwortet: Der Feind kommt durch das, was du liebst, aber nicht lieben darfst. Denke an deinen Schwur! Nach deinem Sieg werden wir dir den Weg zeigen, wie du alles überwinden und alles erfassen kannst. Lebe wohl! Die Sieben verlassen den königlichen Hügel und stellen sich in Sichtweite zum Großkönig in einer Linie hinter den Truppen auf.

Die Streitmacht des Feindes ist gewaltig; offenbar weiß er vom Bündnis und möchte die Hoffnung auf Befreiung im Ansatz vernichten. Ohne erkennbare Führung ordnet sich der Feind und bewegt sich vorwärts. Die Mitte seiner ersten Linie besteht aus eisernen Streitwagen, an deren Seiten und in mehreren Linien dahinter ist die Reiterei und dahinter marschieren in dichten Formationen die Fußsoldaten. Da erkennt der König, dass dieser Feind niemals Frieden schließen wird, denn er tut, was er ist; er wird immer angreifen und immer gnadenlos sein, bis zu seiner endgültigen Auslöschung.

Die feindliche Reiterei erhöht die Geschwindigkeit und nähert sich im Galopp. Der König blickt besorgt auf seine Verstärkung, die aus sieben unbewaffneten Männern besteht, und dann zum Horizont hinter dem Feind. Der Glanzstern erhebt sich und das Licht, welches Finsternis ist, erfüllt das Schlachtfeld. Die Bewegungen der Königlichen werden ungelenk, ihre Waffenarme schwach und ihre Wahrnehmung unklar. Die Streitwagen wirken wie fahrende Festungen, die Rösser und deren Reiter wie albtraumhafte Bestien und die Fußsoldaten wie unbezwingbare Kolosse. Das Herz des Großkönigs wird schwer wie Blei.

Die Sieben erniedrigen sich und beten mit ganzem Herzen zum Schöpfer der Himmel, des Meeres und der Erde. Wie der Blitz den Nachthimmel erleuchtet, erscheint ein anderes Licht, welches die Finsternis vom Schlachtfeld fegt. Liebe, Glaube, Hoffnung umhüllen den König und seine Männer und verwandelt sie in Helden, die jeden Feind überwinden.
Sie sind frei von Furcht, weil sie nicht mehr auf die eigene nichtige Kraft hoffen müssen, sondern einen Gott haben, der alleiniger Herr über Leben und Tod ist.

Die Berittenen gehen in den Sturmlauf, doch ihre Linien werden schief, die Pferde stur und die Räder der Streitwagen brüchig. Die Wurfspeere finden ihre Ziele und durchschlagen die Rüstungen der ersten Gegner; die Königlichen stützen sich mit ganzer Kraft auf ihre Lanzen.

Wie das wilde Meer brandet die erste Welle aus Wagen, Rössern und Reitern gegen die Verteidiger und strömt weit in deren Reihen; die Lanzen biegen sich, aber sie werden nicht gebrochen; wie zähflüssiges Wasser wird der Ansturm langsamer und kommt dann zum Erliegen. Rasch werden die verbliebenen Feinde erschlagen und die entstandenen Lücken in den königlichen Linien geschlossen.

Die zweite Welle flutet heran und reißt tiefe Löcher in die Verteidigung, doch die Lanzen werden nicht gebrochen. Der Zorn des Feindes wird zur Raserei und ergießt sich als dritte Welle über die Helden, die, gestärkt durch das Licht aus den Sieben, nicht zu überwinden sind. Da erkennt der König, dass der Feind weltlich ein Gott ist, aber geistlich ein Narr.

Getrieben von unermesslichem Hass stürzen zwei weitere Reiterwellen heran und werden ebenso vom wahren Licht bezwungen, das von der Finsternis niemals ergriffen werden kann. Unbeeindruckt von den Geschehnissen nähern sich die Fußsoldaten; sie sind wie Mächtige und Helden, es sind von jeher berühmte Männer. Ohne Vorgeplänkel beginnen die Kämpfe und schon bald sind die beiden Heere untrennbar ineinander verzahnt. Darauf hat der König gewartet, freudig erteilt er der eigenen Reiterei den Angriffsbefehl; diese fällt dem Feind in Flanken und Rücken, und langsam gewinnen die Königlichen die Oberhand.

Ein lauter werdendes Grollen veranlasst den König hinter sich zu blicken und mit Entsetzen sieht er die sechste und letzte Welle der feindlichen Reiterei heranstürmen. In Eile erwägt er seine Möglichkeiten und erkennt seine Hilflosigkeit; er sieht die Sieben unverändert beten und der König tut das Wirksamste, was ein treuer Diener Gottes tun kann: Er erniedrigt sich und fleht wahrhaftig mit ganzem Herzen zum Herrn. Da öffnet die Erde ihren Mund und verschlingt die sechste Welle bis zum letzten Mann. Der König dankt dem Herrn für die unverdiente Gnade und erfasst, dass der Feind listiger und klüger ist als jeder Mensch.

Die feindlichen Fußsoldaten kämpfen wie Tobsüchtige, doch sie sind umzingelt und werden Mann für Mann überwältigt. Als der letzte Feind erschlagen ist, zerreißt der trügerische Schleier, der bisher über dem Schlachtfeld lag, und der König sieht, was am Horizont ist: Ein Tier, groß wie ein Berg, der Körper ist wie von einem Geier, der Kopf ist wie von einem Raubtier und seine ausgebreiteten Flügel sind wie von einer Fledermaus. Plötzlich steht das Tier in Flammen und verglüht, bis nur noch ein pechschwarzer Wurm bleibt, der aus dem Königreich flieht. Der König erkennt: Die Gebete der Sieben verstärken das wahre Licht, welches durch die Sieben in die Welt kommt; aber nicht die Sieben sind das Licht, sondern sie sind Glieder davon, und zwar wegen ihrer Bündnistreue.

Nachdem der Großkönig bei seinen Männern war, eilt er mit großem Gepränge zum Lager der Fremden, um sie mit Reichtum und Ehre zu überhäufen. Doch die Gesandten sind weitergezogen und ließen nur einen Brief an den König zurück, und in dem Brief stehen drei Worte: Wachse im Glauben!

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