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geschrieben 2022 von Bjarne Pfennig (BjarneP).
Veröffentlicht: 05.02.2022. Rubrik: Fantastisches


Eris, Phobetor und der Olymp

Am Palast des Königs Peleus steppte der Bär, wie die jungen Leute von heute so sagen. Die Hochzeit des Königs war im vollen Gange und irgendjemand hielt es für eine gute Idee, die Götter einzuladen. Den gesamten Olymp.
»Ich wollte erst nicht kommen«, sagte Dionysos, »aber der Wein … ja, der ist wirklich gut.«
»Geht es nicht ohnehin nur um das Brautpaar?«, fragte Aphrodite. »Ich will mich ja nicht rühmen, aber ein wenig hatte ich da meine Hand im Spiel – oh, seht euch nur das Kleid von Thetis an.«
Hermes seufzte. »Gib nicht an! Wir alle wissen, dass dieser Eros die Arbeit macht und du …«
»Ich will nichts mehr hören!«, fauchte Aphrodite.
Gelächter ging in der Runde um.
Plötzlich klirrte es, und einige schrien auf, als ein Apfel durch das Fenster krachte, einige Meter über den Boden rollte und vor den Füßen der Götter zum Liegen kam.
Für einen Augenblick starrten die Götter auf den Apfel hinab.
Dionysos blinzelte, stellte seinen Weinkrug ab und nahm den Apfel in die Hand. »Hmm, was soll das sein?«
Hermes neigte den Kopf. »Ein Apfel würde ich meinen.«
»Aber schau ihn dir doch mal an«, murmelte Dionysos. »Die Farbe. Er ist golden.«
»Ein Apfel aus Gold?«, tuschelte die Menge.
Hera trat heran. »So scheint es«, sagte sie und wandte sich einem der Diener zu. »Los, sieh nach, wer ihn geworfen hat.«
»J-ja, natürlich, holde Dame.« Der Diener verneigte sich, eilte zur Tür hinaus und verschwand.
Hermes kniff die Augen zusammen. »Es steht etwas darauf geschrieben!«
»Warte, was?«, rief Dionysos.›
Hermes zog ihm den Apfel aus den Händen. »Ja, da steht, ›Für die Schönste‹ … was soll das bedeuten?«
»Es bedeutet, dass er mir gehört«, seufzte Aphrodite. »Es tut mir leid, dass meine Verehrer mich selbst hierher verfolgen.« Sie konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
»Ist das so«, knurrte Hera und verschränkte die Arme. »Ich glaube ja, er ist für mich gedacht.«
»Ach, ist das so?«, fauchte Aphrodite. »Und wie kommst du bitte schön darauf?«
Athene zog die Augenbrauen nach oben und trank einen Schluck.
»Was ist mit dir?«, fragte Hermes sie. »Willst du den Apfel nicht?«
Sie schmunzelte und stellte ihr Glas nieder. »Mir soll es eigentlich egal sein, aber ich werde sicher nicht den Tussis die Genugtuung lassen. Hey, ich glaub, der Apfel ist meiner!«
»Aber wem gehört er nun wirklich?«, grunzte Dionysos.
Aphrodite verschränkte die Arme vor ihrer Brust. »Ich schätze, es gibt so seine Wege, wie sich das entscheiden lässt – auch wenn das Ergebnis natürlich schon feststeht.«
Der Diener eilte in den Saal zurück.
»Ähm, holde Dame«, flüsterte er zu Hera und tupfte sich mit einem Taschentuch die Stirn.
»Hast du etwas gesehen?«, fragte die Göttin.
Der Diener schluckte Speichel herunter »N-nein, holde Dame«, stammelte er. »Nichts, als ein schwarzer Schatten, welcher durch die Gipfel der Bäume zog.«

Dort, wo nie die Sonne scheint. Wo der Atlas den Himmel trägt. Im Land, wo die Träume leben. Dort steht ein Turm.
Ein Turm mit Mauern aus schwarzem Stein.
Silberne Laternen, wie Sterne glühen hinter den Fenstern und bringen Licht in die Finsternis der ewigen Nacht.
Die Nacht.
»Die Nacht.« Eris warf einen Blick aus dem Fenster. Nichts als Finsternis. »Wenn du mich hören kannst …« – sie biss sich auf die Unterlippe – »sag mir, wieso tust du nichts … warum … du könntest doch …«
Eris trat einen Schritt nach hinten, als ein kleiner Vogel vor ihr auf der Fensterbank landete.
»Was willst du hier?«, brummelte sie.
»Welch herzallerliebste Begrüßung«, antwortete der Vogel. »Nur einmal aus Interesse … mit wem hast du da eben geredet?«
»Mit mir selbst.« Eris wandte sich seufzend vom Vogel ab.
Der Vogel neigte den Kopf. »Wie dem auch sei. Ich würde mich gerne einmal mit dir unterhalten.«
Sie zuckte mit den Schultern und widmete ihren Blick wieder dem Fenster. »Sag mir, was du zu sagen hast«, murmelte sie.
Der Vogel hüpfte von Fensterbank in das Zimmer hinein und nahm noch im Satz die Gestalt eines Löwen an. »Ich habe mitbekommen, was unter den Göttern geschehen ist«, sagte er, »und ich nehme an, dass du daran nicht ganz unbeteiligt warst.«
»Meine Tanten haben mir einen Apfel geschenkt«, flüsterte Eris.
»Und du hast ihn dafür benutzt, um einen Krieg zu beginnen.«
»Es war doch nur ein Apfel.« Sie seufzte und drehte sich zu ihm um. »Wer hätte gedacht, dass sie es so ernst nehmen würden.«
»Wohl wahr, sie haben es ernst genommen.« Der Löwe, Phobetor neigte seinen Kopf. »Und trotz alledem bist du noch hier.«
»Hmm, ich glaube, sie haben nie erfahren, dass der Apfel von mir stammte.«
Er lächelte sanft, so sanft wie es ein Löwe eben konnte. »Dein Vater war nie so heimlich wie du, werte Cousine.«
Auch Eris neigte den Kopf und sah ihm nun direkt in die Augen. »Mein Vater hat trotzdem nicht verdient, was geschehen ist.«
»Tod wurde auch gefangen«, erinnerte Phobetor sie. »Und er schaffte es, zu entkommen.«
»Ich weiß.« Eris stützte den Kopf auf ihre Hand. »Aber Momos ist schon länger fort als Thanatos.«
»Du kannst nicht behaupten, dass es anders zu erwarten war«, sagte Phobetor ruhig, dennoch war der Anflug von Wut in seiner Stimme zu erkennen, »Zeus ist stolz und Hera noch stolzer. Man beleidigt sie nicht, ohne mit einer Strafe zu rechnen.«
»Es ist unfair, oder etwa nicht? Es ist doch nicht seine Schuld, wenn diese falschen Götter nicht mit Kritik zurechtkommen.«
»Mit Sicherheit nicht.« Er lächelte. »Wir werden warten, so meinte mein hoher Bruder. Auch dein Vater wird gewiss eines Tages zurückkehren. Dennoch ist es kein Grund für unüberlegte Taten. Wenn dich jemand gesehen hätte, dann …«
»Mich hat aber niemand gesehen«, fauchte Eris.
Phobetor schüttelte mit dem Kopf und setzte sich neben sie an das Fenster – es war die tiefste Schwärze einer ewigen Nacht. Einzelne Fackeln brachen die Schatten und leuchteten wie ferne Sterne in einem kalten, toten Himmel. »Wir werden sie nicht angreifen«, seufzte er. »Zumindest nicht jetzt. Thanatos versteht unsere Befürchtungen, aber er sagt, dass wir warten sollen. Er versteckt sich, wie ein Kind und hofft darauf, dass sie ihn vergessen. Dass es sie nicht interessiert, solange er nur wieder ihre Arbeit erledigt. Ich weiß nicht, wie sie es tun, doch sie verbergen sich vor ihm und seinem Einfluss. Nun, du musst bedenken; die bloße Existenz des Todes ist für sie gefährlicher als die des Restes von uns.«
Eris hob die Augenbrauen.
»Verzeihung, ich habe vergessen, mit wem ich spreche.«
»Also heißt es warten«, sagte Eris, stützte ihren Kopf auf ihre Handfläche und seufzte. »So wie immer.«
»Eine Ewigkeit in der Finsternis.«

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