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geschrieben von As'a hel.
Veröffentlicht: 21.03.2022. Rubrik: Unsortiert


Stachel im Fleisch

Ich begehrte es, ich wollte es unbedingt haben. In den Kursen war ich vorbildlich, mein Lerneifer war herausragend, meine Ausbilder begeistert; die anderen suchten meine Nähe, weil jeder erkannte, dass ich der Beste war. Jeder wusste, dass die Prüfung für mich nur ein kleines Hindernis ist, um den Weg für kommende Erfolge freizumachen.

Ich bat dich, Vater, um deinen Segen für gutes Gelingen, trat zur Prüfung an und scheiterte. Der Ausbilder, der mich begleitete, war so überrascht, dass ihm der Mund offenstand, und ich selbst war so überfahren, dass ich nicht einmal enttäuscht sein konnte.

Ich war wie betäubt, erst Stunden später war ich wieder empfindungsfähig und wurde zerrissen von wiederkommenden Wellen aus Schmach, Verbitterung und Zorn. Ich war tagelang unwillig, die Ereignisse nüchtern zu betrachten; du, Vater, sprachst zu mir, aber ich wollte dich nicht hören; ich wollte meinen Schmerz mit Schuldzuweisungen erschlagen, irgendjemand musste bezahlen; ich selbst konnte nicht schuld sein, es blieben: der Prüfer, die Ausbilder, die Umstände, die Welt. Ich brauchte über eine Woche, um wieder klar denken zu können, und Monate, um zu lernen, mit dem Schmerz zu leben, ohne im Herzen zu sündigen. Du, Vater, hast mich davor bewahrt, meine Bosheit nach außen zu zeigen, und du hast nicht erlaubt, dass ich mich gegen dich auflehne; ich danke dir.

Ich erkannte, dass ich scheitern musste, weil ich auf dem Weg in den Tod war; ich war hochmütig und hielt mich dabei für gottgefällig. Ich habe dich, Vater, zum Wunscherfüller für meine fleischliche Lust herabgewürdigt, ohne es zu bemerken. Ich war kein Milchtrinker mehr im Glauben, ich wusste, dass die Welt nichtig ist, ich kannte den Feind, ich sah die neue Welt und dennoch gierte ich nach dem Vergänglichen; und ich gefiel mir in meinem christlichen Selbstbild, während in mir der Stolz thronte.

Obwohl ich mit dem Verstand wusste, dass die Liebe zu Gott, die Liebe zu mir selbst und die Liebe zur Welt nicht miteinander vereinbar sind, erfasste ich diese Wahrheit mit meinem Herzen erst durch das Scheitern. Wir Menschen sind wegen der Verunreinigung durch die Sünde erbärmlich, wir kommen nur dann demütig und mit ganzem Herzen zur Wahrheit, wenn wir leiden.

Ich bereitete mich gründlich auf die Wiederholungsprüfung vor. Diesmal, Vater, bat ich dich nicht für gutes Gelingen, sondern dass dein Wille geschehe. Ich trat zur Prüfung an und scheiterte. Ich war nicht verärgert und verstand, dass ich nicht so gut war, wie ich und mein Umfeld dachten; die negative Bewertung ist vertretbar.

Ich vergeudete keine weitere Kraft, um wiederholt die weltlichen Umstände des Scheiterns zu untersuchen, denn ich weiß, dass alles von Gott kommt. Durch Gebet und Fasten erforschte ich mein Herz und fand Betrug: nichts Übles, nur ein wenig Freude über Berufung, Erfolge, Erkenntnisse, Fähigkeiten; ein kleines Körnchen, das aber dem Feind Zugriff ermöglicht; ein unscheinbarer Funken Stolz - so wie bei Adam.

Ich erfasste, dass vollkommener Glaube nichts Geringeres ist als Selbstaufgabe. Es gibt für einen Sohn Gottes kein ich, es gibt kein mein: Zeit, Mittel, Fähigkeiten, Körper, Geist, Seele, alles ist Gottes. Es ist bedeutungslos, was ich will, was ich bin oder was mit mir geschieht - allein dein Wille geschehe, Vater!

Als mein Glaube jung war und ich größere Geldmengen verschenkte, fastete ich tagelang und bat um Segen, doch das ist kein reifer Glaube. Wenn ich alles Geld oder was auch immer weggebe und dabei dieselbe Herzens- und Geisteshaltung habe wie beim Betätigen der Toilettenspülung, dann habe ich reifen Glauben. Gläubig ist, wer in seinem Herzen sich selbst sowie die Welt kreuzigt und für Gott lebt. Dazu muss ich nichts Besonderes tun, ich muss mich nicht auf die Straße stellen und Leute missionieren, sondern ich gehöre einfach mit ganzem Herzen dem Vater, alles Weitere fügt er.

Ich beschloss, ein drittes und letztes Mal anzutreten. Ich tat alles Menschenmögliche, aber ich betete nicht, denn ich bitte nicht um Nichtiges, sondern ich tue allezeit, was dem Vater wohlgefällig ist. Ich stellte mich der Prüfung und scheiterte. Wie die Male davor war ich auch diesmal freundlich und liebevoll zu den Beteiligten, doch in den ersten beiden Niederlagen wurde ich vom Geist getragen, jetzt aber kam die Liebe aus meinem Herzen; trotz meines fleischlich schmerzhaften Versagens war keine Bosheit in mir.

Ich kann meiner Schande nicht entfliehen; ständig sehe ich, wie andere haben, was mir unmöglich ist. Mein Selbstbild ist beschädigt und das verursacht in meinem Fleisch Leid; der Stolz in mir ist verletzt und möchte verbittert und zornig sein. Wenn ich geschwächt bin, greifen manchmal die Teufel durch meine Wunde an und peinigen mich mit Sehnsucht und Selbstvorwürfen. Mit der Zeit fiel mir auf, dass ich durch meine unheilbare Verletzung geistlich wachse und inzwischen kann ich mit einer Geste oder einem Wort die Plagegeister vertreiben; doch der Schmerz bleibt.

Vater, du liebst mich so sehr, dass du mir einen Stachel ins Fleisch gegeben hast. Ich wurde vor tödlichem Irrtum bewahrt, erhalte tiefes Verständnis und darf ein Gefäß für ehrenhaften Gebrauch sein. Bitte sei mir Sünder gnädig und gedenke, dass ich nichtig bin; erlaube nicht, dass ich deinen Willen verletze und dich mit meiner Bosheit belaste. Ich bitte nicht für mich, sondern für dich, damit du so geliebt wirst, wie du liebst. Amen.

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