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2xhab ich gern gelesen
geschrieben 2022 von Scheper.
Veröffentlicht: 01.02.2023. Rubrik: Nachdenkliches


Zigeunersoße für den schwarzen Michael

Ich bin in einem Dorf irgendwo zwischen Hannover und Bonn geboren. Ich liebe die Landschaft, die Weitläufigkeit, die Tiere und auch die Menschen. Es ist meine Heimat, mein Zuhause. Dieser
Landstrich wird auch als der Schweinegürtel Deutschlands bezeichnet. Dort leben mehr Schweine als Menschen, die Migrationsrate ist gering und bei der letzten Landtagswahl wählten über 70% die CDU. „Hier ist die Welt noch in Ordnung“, pflegen einige meiner Freunde, die
nie aus diesem Dorf herausgekommen sind, zu sagen. Als ich 18 war, hätte ich dem beigepflichtet. Und in mancher Hinsicht mag das stimmen, jedoch nicht im Hinblick auf Alltagsrassismus und Diversität. Seitdem ich vor einigen Jahren allein in die Stadt zog, hat sich meine Welt und meine Sicht auf viele Dinge stark verändert. Erst vor 3 Wochen besuchten meine Freundin und ich, welche gebürtig aus der Stadt kommt,
eine Karnevalssitzung in meinem Heimatort. Dort hatte sich der Moderator komplett schwarz angemalt und trug einen Bauchladen voller Sonnenbrillen mit sich herum. „Ist das jetzt sein Ernst?“, kommentierte meine Freundin zurecht. Ich hatte keine Antwort auf ihre Frage. Vor
zehn Jahren wäre es mir gar nicht aufgefallen. Wahrscheinlich wollte der Moderator, welcher nebenbei bemerkt der Geschäftsführer der örtlichen Supermarktkette ist, keine Schwarzen diskriminieren.
Er hat einfach nicht darüber nachgedacht, es war ihm egal. Sich als Strandverkäufer zu verkleiden, schien für ihn eine äußerst lustige Idee gewesen zu sein.
Dieses Beispiel spiegelt das Problem gut wider. Rassismus und Diversität spielt in dem Leben dieser Leute eine verschwindend geringe Rolle. Sie sind in der Regel privilegiert aufgewachsen, weiß, heterosexuell und konservativ. Alles Neue und Andere wird zunächst
skeptisch beäugt. Für sie hat es bisher immer so funktioniert. Deshalb sollte man aber noch lange nicht alles hinnehmen und tatenlos zusehen.
Oma sollte lernen Schokokuss zu sagen, der Bänker sollte sich nicht mehr schwarz anmalen und Opa muss endlich einsehen, dass Homosexualität keine Krankheit ist. Die Mehrheit der
Deutschen lebt heutzutage zwar in der Stadt, über ein Drittel siedelt allerdings ländlich. Wer korrigiert diese Menschen, rüttelt sie wach, regt zum Nachdenken an? Garantiert, kein sich
überlegen fühlender außenstehender, der verurteilt und belehrt.
Die Antwort lautet: wir. Menschen wie Du und ich. Alle jene, die vom Land in die Stadt gezogen sind, sich anders sozialisiert haben, aber noch immer gerne in ihre Heimat fahren. Wir müssen
die liebevollen Nervensägen sein, die den betrunkenen Onkel auf der Familienfeier unterbrechen. Wir müssen diejenigen sein, die Oma und Opa dutzendfach erklären, warum
das Wort "Zigeuner" nicht mehr zeitgemäß ist. Die Veränderung muss aus ihrer Mitte kommen. Sonst wird die Einstellungskluft nur noch größer. Denkt gerne darüber nach, wenn Ihr zu Ostern oder Kraneval in Eure Dörfer zurückkehrt. Die Menschen auf dem Land dürfen in der gesellschaftlichen Entwicklung nicht zurückgelassen
werden, auch wenn es nervt. Lasst uns gemeinsam versuchen, die ländlichen Gegenden in den gesellschaftlichen Wandel zu integrieren und zusammen damit die Welt ein Stück diverser
machen.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von ehemaliges Mitglied am 01.02.2023:

Hallo Scheper, leider haben nicht nur Menschen auf dem Land Angst vor Veränderungen. Jedoch, Auflärung ist immer gut. - Tolle Geschichte, sehr ehrlich und authentisch. LG Jürgen




geschrieben von Onivido kurt am 01.02.2023:

"Dort hatte sich der Moderator komplett schwarz angemalt und trug einen Bauchladen voller Sonnenbrillen mit sich herum." Ich lebe in der Karibik, wo ich diese Personen taeglich am Strand sehen kann und finde die Verkleidung fuer einen Europaer sehr gut und einfallsreich. Man verkleidet sich , um in eine andere Identitaet zu schluepfen. Weshalb dies eine Beleidigung fuer einen Schwarzen sein soll , kann ich nicht verstehen. Wahrscheinlich bin ich wegen meines Wohnorts gar nicht befugt das Empfinden der Europaer zu kommentieren. Ich moechte jede Wette eingehen, dass die hier heimischen Strandverkaeufer sich keinesfalls von dem Verkleideten beleidigt fuehlen wuerden, sondern sich vielleicht totlachen wuerden und hoechstens seinen Outfit kritisieren koennten. Dass man in Deutschland kein Zigeunerschnitzel mehr essen kann, finde ich bedauerlich. Ich habe gehoert, dass es in Deutschland keine Zigeuner mehr gibt, sondern nur noch Roma und Sinti. Da kann doch wenigstens das arme Schnitzel seinen Namen behalten. Wird jetzt der Zigeunerbaron von J. Strauss umbenannt in “Nichtsesshaftenbaron”? Was wird aus dem melancholischen Lied “Was kann ich denn dafuer, ein Zigeuner ist mein Herz”? Dass man keinen Negerkuss mehr kaufen kann, finde ich als Mann nicht schade. Diese Suessigkeit wird bei uns “Beso de Negrita” (Negerinnenkuss) genannt ,was mir weit begehrenswerter erscheint. Der Opa wird vermutlich nie einsehen, dass Homosexualitaet keine Krankheit ist , sondern eine Laune der Natur. Was ihre Rolle fuer den Fortbestand der Menschengattung ist, weiss Gott alleine.10% der Menschen sollen homosexuell sein . Das heisst in jeder Fussballmannschaft muss es einen Homosexuellen geben. Man soll nicht versuchen den Opa zu bekehren. Seine Ansicht wird mit ihm aussterben. Vielleicht wandelt sich die Sprache im Sinne der Woke – Eiferer und vielleicht nicht. Wichtig ist, dass wir und gegenseitig verstehen, unabhaengig von der Wortwahl. Beste Gruesse///Onivido Kurt




geschrieben von Onivido kurt am 03.02.2023:

Ich muss es eingestehen. Ich vermisse den anschi.




geschrieben von ehemaliges Mitglied am 03.02.2023:

@Onivido kurt: wer ist anschi? Lg jürgen




geschrieben von Onivido kurt am 03.02.2023:

Hallo Juergen, der anschi bringt Leben in die Kommentare, weil er alles besser weiss und mit seiner meist spoettischer Kritik eine Diskussion anheizt, aber auch Fehler anzeigt (manchmal). Gruesse///Onivido

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