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3xhab ich gern gelesen
geschrieben von Federteufel.
Veröffentlicht: 17.03.2023. Rubrik: Unsortiert


Fenster 3

Ich kann mir nicht helfen: Wenn ich irgendwo einen Stapel ausgemusterter Fenster sehe, die zur Entsorgung bestimmt sind, überkommt mich das dringende Bedürfnis, sie vom Untergang zu bewahren, denn Fenster sind mehr als Glas, lackiertes Holz oder Hartplastik.
Wenn ich solch einen Stapel sehe – wie jetzt vor dem Wohnblock gegenüber – frage ich mich, was haben diese Fenster verbrochen, dass man sie so schnöde aus dem Haus wirft? Ha! Bitte ich jemanden um Auskunft, bekommen ich nur dumme Antworten. Sie seien undicht und zögen, heißt es dann. Pah! Welch eine Verleumdung! Gut, es mag Fälle geben, wo ein Fenster tatsächlich undicht ist und zieht. Etwa, wenn es sich um ein ganz altes handelt, bei dem die Scheibe noch eingekittet ist und sich der Kitt gelöst hat. Aber auch das wäre kein Grund, es auf die Straße zu werfen. Dann wird eben neu verkittet, basta! Und sollte es dann immer noch ziehen, liegt´s nicht am Fenster, sondern am Mauerwerk drumherum. Also!
Aber doch nicht die da drüben! Wieso sollten sie ziehen? Ich hab sie mir angesehen: Manche wirken geradezu fabrikneu! Wie aus dem Ei gepellt! Die ziehen doch nicht! Und wenn ich dann weiter nachfrage, heißt es – wenn ich überhaupt eine Antwort erhalte – : sie ließen zu viel Straßenlärm durch. Ha! Das ist doch sowas von daneben, dass es einem die Sprache verschlägt. Wer macht denn den Lärm? Die Fenster oder die Straße? Aber nein, aber nein, an die Straße wagen sie sich nicht heran, diese Duckmäuser, die könnte ja noch mehr Krach machen!
Denkt denn keiner mal daran, was diese Fenster schon so alles geleistet haben? Und gesehen? Wie viel Freud und Leid sie jahraus jahrein mit ansehen mussten? Überhaupt, hat schon mal jemand darüber nachgedacht, was in ihnen vorging, wenn sie Dinge sahen, die sie gar nicht sehen wollten? Dann: Wie häufig sind sie bei Regenwetter nass geworden, und niemand hat sie getrocknet! Wie oft mussten sie sich ungefragt übers Gesicht fahren lassen, und niemand hat ihren gesagt, warum? Wie oft haben sie im Winter gefroren, ohne dass sich jemand um sie kümmerte?
Und, ach, erst die Doppelfenster – ein Leben lang friedlich beieinander in derselben Nische, haben dreißig, vierzig Jahre vor ein und derselben Wohnung ausgeharrt, in guten wie in schlechten Zeiten, ein halbes Menschenleben! Und jetzt? Brutal auseinander gerissen und auf den Müll geworfen wie leere Konservendosen! Wenn ich daran denke, wie oft ich in dieser Zeit schon umgezogen bin, könnte ich neidisch werden. Und dann meine Ehe! Nach zwölf Jahren war schon Schuss.
Es ist ein Trauerspiel!
Ich überlege gerade: Was könnte man mit solchen Fenstern noch alles anfangen!
Man könnte zum Beispiel daraus lichtdurchflutete Gewächshäuser bauen, mit bunten Papageien und tropischen Pflanzen, ihnen und den Menschen zur Freude. Wenn das aus irgendwelchen Vorschriften nicht geht, könnte man sie wenigstens bemalen, damit sie endlich etwas anderes sehen als die triste Hauswand von gegenüber. Aber ich fürchte, sogar das wird wieder an den Kosten scheitern.
Am liebsten würde ich mir ein Haus nur aus Fenstern bauen. Rundherum nur Fenster. Nein, nicht nach Art dieser modernen Bürogebäude, die anscheinend nur aus Glas bestehen. Ich meine Fenster, nicht schnödes Glas, und auch nicht irgendwelche Fenster, sondern solche, die schon vieles gesehen haben und das Leben kennen. Wie die da drüben. Und sie müssten aus aller Herren Länder stammen. Dann könnte ich mir jeden Tag ein anderes Fenster aussuchen und die Welt mit seinen, des Fensters, Augen betrachten. Das, wofür andere Leute weite teure Reisen unternehmen müssen, könnte ich dann bequem und kostenlos von meinem Sessel aus genießen.

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