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3xhab ich gern gelesen
geschrieben 2023 von Mercury.
Veröffentlicht: 07.06.2023. Rubrik: Unsortiert


Mischwald

Seit Wochen, wenn nicht Monaten: immerwährender Regen. Die Benediktenwand liegt im Nebel, die wenigen Felsfalten, die durch die weiße Verschleierung scheinen, sind auch Mitte Mai noch von Schnee bedeckt. Trotz des anhaltenden Niederschlags und des Nebels ist es ein recht heller Tag, was in letzter Zeit selten war. Und bei all der Düsternis, die der Regen erzeugt, erzeugt er doch auch Strahlendes. Das Grün der Pflanzen ist fast schon blendend, das Moor leuchtet vom hydrophilen Moos. Und während die Menschen ihr Leben noch wie im Winter führen, erquicken sich die Laubbäume am Regen und läuten den Frühling kurz vor Sommerstart ein. Der Frühling, die im Anthropozän verlorene Jahreszeit, die wir nun Ende Mai für ein paar Tage genießen dürfen. Das graue Dunkelgrün der letzten Monde wurde ersetzt durch den farbenfrohen Mischwald, der die Berge ziert. Mit tiefsten satten Grüntönen der Nadel- und vibrierenden grellen Tönen der Laubbäume. Das Leben ist zurückgekehrt und es zeigt sich durch Vielfalt. Ein Nadelwald kann schön sein. Ein Laubwald kann schön sein. Aber keine homogene Masse wird die Ästhetik der Vielfalt erreichen können, so schön sie auch sein mag.
Und doch gibt es Verfechtende der Homogenität. In der Politik zu sehen durch ethnozentrisches oder nationalistisches Gedankengut oder in Retrospektive zu Zeiten der großen Koalition in Konsens der Koalitionsparteien auf Biegen und Brechen. Fast ein Negativ zur direkt im Anschluss gelebten auf innere Konfrontation gebürsteten Ampel. Fast könnte gemeint werden, es handle sich um eine heterogene Koalition. Bis wieder auffällt, dass da ja eine Millionärspartei versucht, Politik für das oberste Prozent zu machen, während ein Koalitionspartner versucht, die brennende Welt zu löschen und die kanzlerstellende Koalitionspartei einen Mann nach vorne gesetzt hat, der knietief in Cum-Ex-Geschäfte verwickelt ist, den Hamburger Flüssiggasport an Chinesen verkauft hat, während Politiker*innen, Expert*innen und das Volk sich dagegen ausgesprochen haben und bei jeder Nachfrage zu seinen Machenschaften indirekt mit einer vermeintlichen Demenz argumentiert. Diese Koalition macht es einem nicht gerade einfach, Verschwörungstheoretiker*innen oder Extremist*innen Argumente entgegenzubringen, wenn einem die Phrase „dysfunktionaler Staat“ um die Ohren geworfen wird. Gute Argumente fallen mir nur dann schnell ein, wenn von einem „Fehler im politischen System“ die Rede ist.
Das politische System (das ökonomische sei hier kurz ausgeblendet) ist in seiner Theorie ein nettes Konzept. Auf Basis von Menschenrechten und Menschenwürde einen Sozialstaat zu führen, in dem niemand arm sein muss und dessen politische Führerschaft eine repräsentative Darstellung des Querschnitts der Gesellschaft ist. Klingt doch nett. Ist jedoch in den Umsetzungen misslungen. Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und doch werden Menschen in Krisengebiete abgeschoben. Und doch leben Menschen unter räudigen Bedingen hungernd von der Hand in den Mund, weil die durch das Netz des Sozialstaates fallen. Und doch existiert noch eine Gender Pay Gap, ein riesiger Niedriglohnsektor samt allen Ideen der Ausbeutung, die gerade noch legal sind. Und doch hat Deutschland Griechenlands „Rettungsschirm“-Milliarden mit ausbeuterisch hohen Zinsen versehen, die nun ein hübsches Zubrot im deutschen Haushalt in Form von 600 Millionen Euro Zinsen pro Jahr darstellen. Und doch demontiert Deutschland durch seinen Exportüberschuss die komplette europäische Wirtschaftskraft außer der eigenen und wirft andere Länder in die Armut. Diese Liste könnte ich ewig weiterführen. Das mit dem Sozialstaat und der Würde des Menschen klappt also so-lala. Aber dafür haben wir ja noch unser Parlament, was einen Querschnitt der Gesellschaft darstellt mit einem fairen Anteil an Frauen, Migrant*innen, Menschen aus verschiedenen Bildungsschichten und Menschen mit Behinderung und Schwerbehinderung. Wäre ja ein absoluter Jammer, wenn die Geschicke der Deutschen und die Zukunft des Landes gelenkt werden würde von alten weißen Männern, die Jura studiert haben.

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