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geschrieben von Friedrich Malinowski.
Veröffentlicht: 16.02.2016. Rubrik: Unsortiert


Krokant

Das Drolsufer war Teil, der südlich, im prächtigen Fluss Delta gelegenen Elfrieden Schanze, an dessen Ausläufern, durch dichte Waldungen umgeben, sich majestätisch der Sankt Eberhard erhob.
Hier, in dieser abgeschiedenen Idylle, auf fruchtbarem Terrain, tauchte eines Tages ein Kater auf.
Krokant war eine stattliche Erscheinung mit schokoladenfarbigem Fell, welches oberhalb der Schulterblätter eine Melange aus dunklen Gelbtönen aufwies. Die Pfoten waren eine Schattierung dunkler, nur an den Krallenwulsten massierte sich ein tiefes Braun. Er war von kräftiger Statur, etwas füllig vielleicht, hatte ein selbstbewusstes, ja schon fast aristokratisches Auftreten und erfreute sich unter seinesgleichen großer Beliebtheit. Wenn man Krokant sah, konnte man meinen, für ihn habe sich der Schöpfer mehr Zeit gelassen.
Der Ziegenmelker, der gerade von der Nachtschicht kam und noch an einem Schnabelkerfer kaute, hatte ihn zuerst entdeckt und gab die Nachricht mit vollem Mund weiter.
„Wer ist tot?“, fragte der Steinschmätzer, der nicht ganz verstanden hatte. Er war die Ordonnanz des Kolkraben. Über ihn liefen alle Informationen, die mit der Inneren Sicherheit im Zusammenhang standen.
„Eindringling auf Planquadrat 24!“ Das war deutlich!
Sofort formierte sich die heimische Vogelschar.
Eindringlinge waren hier an der Tagesordnung. Nur überprüfen musste man sie schon. Waren sie harmlos und verließen das Revier wieder, hatte man keine Einwände. Blieben sie allerdings, um hier auf Beute zu gehen, konnten die Reaktionen recht ungemütlich werden.
In Windeseile wurden die strategisch wichtigen Punkte unter Kontrolle gebracht. Jeder dieser Posten war mit Spezialisten besetzt. Die Späher gingen auf Spurensuche und stellten Nachforschungen an, die Analytiker sichteten das Material und gaben die Ergebnisse an die Führungsebene weiter. Die traf die Entscheidung!
„Hast du ihn schon vermessen? “, fragte der Kolkrabe.
„Sekunde, ich bin grad dabei.“
Clori, der Buntspecht ritzte noch schnell ein paar Zahlen in die Zeder, dann rief er Pica, die Elster, denn Mathe & Physik konnte er nicht, da war er grad auf Brautschau, sagte er jedenfalls. Pica sah sich das Gekritzel kopfschüttelnd an.
„Also, das ist nur träge Materie, nach Newton muss die angeschoben werden, wenn die Zahlen hier stimmen.“
„Und wie sieht es mit der Stoffmengenkonzentration aus?“
„Alles im grünen Bereich, unter einem Mol.“
„Trotzdem, behaltet den Kerl im Auge, dieser Spezies ist nicht zu trauen. Und Frugi soll für alle Fälle schon mal die Fährte legen.“
Frugi, die Saatkrähe, alt eingesessenes Mitglied der Maiskolbenkolonie, war schlau, kannte alle Schliche und wurde besonders bei verdeckten Aktionen eingesetzt.
Die Maschinerie lief auf vollen Touren.
Derweil markierte der unternehmungslustige Krokant, der in der Tat unter Gewichtsproblemen zu leiden hatte, behäbig, aber wohlgemut, sein neues Revier. Die Böschungen entlang der Ufer-Promenade mit der anschließenden, von Schilfdickicht umgebenen kleinen Halbinsel und seiner natürlichen Artenvielfalt, waren ein Biotop so recht nach seinen Wünschen.
Ein Geräusch ließ ihn die Ohren spitzen.
Er schlich sich weiter heran. Das hörte sich wie ein Rotkehlchen an. Oder? Die Ungewissheit veranlasste ihn, weiter in das Dickicht einzudringen. Sicher war er sich nicht. Es könnte auch ein Buchfink sein. Streng genommen war das alles Kokolores, was er da dachte, denn von Haus aus kannte er eh nur die Kanarien und die auch nur vom „Vor dem Käfig sitzen.“ Allerdings, wenn er unter seinesgleichen war, wie früher, mit Felidae oder Bob dem Streuner, dann markierte er gern den großen Macker und protzte mit seinen ornithologischen Kenntnissen.
Es war ein Wohlfraß! Nur einen Fangsprung entfernt.
Er konzentrierte sich, warf noch einen kurzen Blick auf seine Krallen, verlagerte sein Gewicht auf die Hinterläufe und schnellte mit einem mächtigen Sprung in Richtung Beute. In der Luft noch, erkannte er die Falle, aber es war zu spät. Die Beute war weg, der Boden gab nach, Krokant saß in der Falle.
Frugi meldete Vollzug. Sie hatte ganze Arbeit geleistet.
Krokant saß in der Patsche
Patschen sind kleine, raffiniert angelegte Fallen, ungefähr zwei Meter tiefe Sumpflöcher aus Matsch, Schlick-Schlamm und Moderlehm. Speziell für Straftäter der I. Kategorie.
Krokant konnte sich glücklich schätzen, nicht an die II. oder gar III. Kategorie geraten zu sein. Von Delinquenten, die hier einsaßen, so erzählte man sich, hätten nur wenige ein normales Leben weiterführen können, die meisten jedoch liefen mit einem riesigen Satthals durch die Gegend.
Mit diesen „Büßer-Patschen“ hatte es eine besondere Bewandtnis. Vor einiger Zeit wurden hier zwei Katzen ausgesetzt, die die ganze Gegend unsicher machten. Aus Sorge um die Arterhaltung und um den Brutbestand zu schützen, wurden auf Anordnung des Kolkraben, entlang der Vogelfluglinie solche Patschen, die ja letztlich nur der eigenen Sicherheit und zur Abschreckung dienen sollten, eingerichtet.
Für Krokant waren diese entwicklungsgeschichtlichen Betrachtungen zunächst von untergeordneter Bedeutung, schließlich stand ihm die Pampe bis zum Hals. Verzweifelt ruderte er aus Leibeskräften bis seine Krallen einen festen Widerstand fanden und er sich an einer Seitenwand hochziehen konnte.
Viel Aristokratisches war nicht geblieben. Krokant sah erbarmungswürdig aus.
Während er seinen Schwanz einzog und sich seitwärts in die Büsche schlug, jubilierten auf der Galerie die üblichen Verdächtigen.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Svenson am 01.03.2017:

Während dieser amüsanten Selbstverteidigungsgeschichte habe ich gelernt, was eine Patsche ist. Danke!




geschrieben von Susi56 am 04.02.2021:

Sehr hübsch! Ich habe jetzt ein Lächeln im Gesicht. 😃

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