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geschrieben 2019 von Stella J. (stella).
Veröffentlicht: 14.01.2019. Rubrik: Nachdenkliches


Das Märchen, dass man nie erzählen wird

Eine flüchtige Begegnung. Sehr unscheinbar. Nichts besonders. Ich schaute dich an, fand dich sympathisch. Kannte dich nicht. Hab dich nie wirklich bemerkt, doch zogst du meine ganze Aufmerksamkeit auf dich. Ich weiß nicht was du an dir hattest. Doch das war auch nicht wichtig. Du warst nur irgendjemand. Doch wir lernten uns kennen. Wir sahen uns öfter. Wir schrieben viel, doch meist über belangen lose Sachen. Über die Uni, über die nächste Party, über die Arbeit. Darüber wie es uns geht, doch wer sagt schon wie es einem wirklich geht? Vor allen Dingen irgendjemanden. Wir kannten uns doch kaum. Wir lernten uns weiter kennen, sahen uns außerhalb des Vorlesungssaals. Immer mit gemeinsamen Freunde, wie es an der Uni halt so ist. Man geht was trinken, man geht mal hierhin, man geht mal dahin. Man verbringt Zeit zusammen. Mal an den See, mal zu einer Party, mal in eine Bar, mal in den Club. Doch nie allein. Oder etwa doch? Unter all den Menschen, die wir kannten, oder auch nicht, gab es irgendwann nur noch uns Beide. Wir waren nicht mehr vereinzeln da. Wir waren nur noch zusammen da. Wir saßen immer nebeneinander, wir schauten uns immer an, wir fingen an unsere Sachen zu teilen, wir lachten über Witze die nur wir verstanden, wir kamen uns immer näher, alles rein platonisch verständlicherweise. War einer mal nicht da, schrieben wir die ganze Zeit, ununterbrochen. Schon leicht lästig, doch irgendwie ging es kaum noch ohne. Wir schrieben über uns, über unsere Familien, über unser Leben. Wir fragten uns wie es uns gehe und wir antworteten. Doch diesmal mit der Wahrheit. Wir waren nicht mehr irgendjemand. Wir waren nun Freunde. Wir redeten über Sachen die uns beschäftigten, über unsere Probleme, über unsere Sorgen, über uns. Wir sahen uns immer öfter. Doch nicht mehr mit anderen. Wir fingen an uns privat zu treffen. Wir lernten zusammen, wir gingen spazieren, wir schauten zusammen Serien, wir kochten sogar zusammen. Wir verhielten uns merkwürdig. Irgendwie wie ein Pärchen. Doch das waren wir nicht und würden es auch nie sein. Das war uns beiden klar. Wir waren nur Freunde. Gute Freunde. Wir gingen mal wieder mit Freunden weg. Die Gläser leerten sich. Eins nach dem anderen. Wir waren nur noch zu zweit unter hunderten von Menschen. Wir vergaßen die anderen, es gab nur noch dich und mich. Du musstest eigentlich arbeiten. Ich verbrachte meine ganze Zeit damit bei dir stehen zu bleiben und auf dich zu warten, obwohl da doch so viele andere Menschen waren. Doch ich wollte nur bei dir bleiben. Ich musste mir eingestehen, ich war nur wegen dir da. Ich war immer nur wegen dir da. Du warst ein Semester über mir, ich fing dieses erst an. Du kanntest somit viel mehr Leute als ich. Viele von denen fingen an nachzufragen. Nannten mich deine Freundin. Fragten seit wann wir zusammen seien und warum wir nichts gesagt hätten. Uns wurde gesagt wir würden gut zusammen passen und man wünschte uns viel Glück in unserer Beziehung. Es war jedes Mal eine peinliche Situation. Wir waren nämlich kein Paar, doch anscheinend wirkten wir wie eines. Wir verneinten jedes Mal. Wir wussten nicht mehr wie wir darauf reagieren sollten. Es regte zum Nachdenken an. An jenem Abend, leerten sich bei dir paar Gläser zu viel. Ist auch okay, das passiert mal. Ich brachte dich nach Hause, auf dein Zimmer, in dein Bett. Ich legte mich zu dir, war ja nicht das erste Mal. Ich schaute dich an, konnte nicht aufhören, ich starrte schon fast. Ich lächelte, ich wollte doch gar nicht lächeln. Ich durfte gar nicht hier sein. Diese ganze Situation, die war falsch. Doch wollte ich auch nicht gehen. Also blieb ich liegen, mit dem Wissen, ich würde es bereuen. Du fragtest mich, offen heraus, was das zwischen uns wäre. Ich konnte dir keine Antwort geben, ich wusste es doch auch nicht. Aber Herr Gott, ich musste es wissen. Ich hätte sagen müssen, da wäre nichts zwischen uns. Wir waren nur Freunde. Gute Freunde. Wir mussten einen Gang zurückschalten. Ich mochte dich, doch ich durfte dich nicht zu sehr mögen. Doch ich sagte nichts. Ich lag wir verharrt da und sah dich an. Das Gespräch war nicht wirklich aufschlussreich, eher verwirrend. Wir redeten darüber. Über diese Situation. Wir wussten es war falsch, doch konnten uns nicht erklären warum wir es nicht einfach lassen konnten. Wir waren doch nur Freunde. Da gab es nicht mehr zwischen uns. Das war unser Entschluss. Wir wollten es uns nicht eingestehen, das was alle anderen schon wussten, wollten wir nicht sehen. Wir waren wie ein Märchen. Eine Geschichte die man seinen Kindern mal erzählen möchte. Eine mit Happy End, in der die Liebe siegt und man glücklich lebt, bis an sein Lebensende. Doch sind wir das Märchen, dass man nie erzählen wird, ich frag mich was aus uns geworden wäre, wenn ich nur ein bisschen mehr so gewesen wäre wie du. So optimistisch, voller Euphorie, dass das zwischen uns funktionieren würde, dass wir zusammen glücklich werden könnten. Das der schwere Weg sich lohnen würde. Doch sah ich die Welt nicht so wie du. Für mich war es nicht so einfach. Ich konnte es einfach nicht hinnehmen, es hätte doch eh nichts gebracht, es hätte nicht funktioniert. Also schottete ich mich ab. Das Märchen war plötzlich vorbei. Es wurde einfach nie geschrieben. Ich kehre in meinen Alltag zurück. Ohne dich. Es war einfacher als erwartet. Ich konnte gut ohne dich leben. Vielleicht warst du einfach eine Gewohnheitssache. Wie eine tägliche Angewohnheit. Ein Morgenritual. Wie das Glas Wasser nach dem Aufstehen. Wie das Aufstehen zur gleichen Zeit. Wie die wöchentlichen Anrufe bei Oma. Wie das geregelte Haare waschen. Doch diese Sachen, die macht man ohne Nachzudenken. Und an dich, dachte ich immer wieder. Ich fragte mich, wie sehe unser Märchen aus? Wie wäre es ausgegangen? Hätten wir vielleicht doch ein Happy End bekommen? Vielleicht gibt es ja eine Parallelwelt. Eine in der ich den Schritt wage, in der ich auf dich zugehe und den schweren Weg auf mich nehme. Eine in der wir verliebt, Hand in Hand, durch die Straßen laufen. Eine in der alles so weiter lief, wie es zwischen uns war. In der wir überall zusammen waren, in der wir nebeneinander sitzen würden, uns immer zu anschauen würden, in der wir unsere Sachen teilten, in der wir über Witze lachen würden, die nur wir verstehen, eine, in der wir uns immer näher kommen würden, eine in der wir wirklich ein Paar seien. Unser Märchen fühlt sich so an, als würde man sich im freien Fall befinden. In einem Fass ohne Boden. Man weiß nicht was einen da unten erwartet. Also falle ich zurück in die Realität. In die, in der unser Märchen nicht erzählt wird. In die, in der ich mich in einem anderen Märchen befinde. In die, in der ich immer noch mit ihm zusammen bin. Mit der Person die ich liebe, die ich schon liebte bevor ich dich kannte. In die, in der unsere Situation so falsch war, weil er der Mensch an meiner Seite war. Manche Märchen sind wohl nicht dafür bestimmt erzählt zu werden, weil man sich schon in einem anderen befindet. Doch bin ich mir sicher, wir hätten eine schöne Geschichte erzählt und wir werden eine schöne Geschichte erzählen, nur nicht unsere.

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