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3xhab ich gern gelesen
geschrieben 2015 von Janina Breidt.
Veröffentlicht: 15.04.2016. Rubrik: Fantastisches


Samhain - Liebe zwischen Welten

Das Rollenspiel an Halloween bestand darin: Leben lassen oder den Tod bringen!
Ein Spiel, dass unsere Ahnen begonnen haben, um den Weltenspringer zu zeigen, was wir von ihren Handlungen in jener Nacht hielten. Ich, Vin, war die Neue in diesem Zirkel und durfte heute Nacht über die Regeln bestimmen. Dabei ahnte ich nicht, dass ich über unser aller Schicksal entschied.

Die Vorstellung das alle Wesen, Fabelwesen und furchterregenden Gestalten wirklich existierten, jagte mir eine riesen Angst ein. Als ob es gestern gewesen war, erinnerte ich mich an die unheimlichen Geschichten über den Satan und seine Dämonen. Nun musste ich erfahren: Er lauerte vielleicht in wenigen Stunden hinter einem Portal und bestimmte über mein Schicksal. Nicht vielleicht, ich wusste er bestimmte darüber, denn wie sollte ich, kleine unscheinbare Vin gegen den Herrscher der Unterwelt triumphieren?
»Na Vin, kann es bald losgehen?«, erkundigte sich eine Frau, die ich noch nie gesehen hatte. Seit ich die Auserwählte für dieses Rollenspiel war, bereitete es mir ein mulmiges Gefühl.
»Ja ich bin fast so weit. Aber ich werde diese »Kleidung« nicht tragen«, murmelte ich. Deutete damit beiläufig auf die skurrilen Hautfetzen, die auf dem Bett lagen, und hielt davon abstand.
»Je weniger desto besser«, antwortete Sie mir. Ihre Aussage war damit etwas knapp gehalten, und ein verräterisches Lächeln huschte über ihr Gesicht.
»Warum das denn?«, meckerte ich. Über die Aussage dieser aufgeblasenen Schnepfe ärgerte ich mich sehr und sprang mit ungeheurer Wut von meinem Stuhl auf.
»Und was soll das Messer und der Abendstern? Ziehe ich in einen Krieg?«, schrie ich herum und schmiss diese durch das Zimmer. »Deine Wut ist hervorragend, doch ich würde Sie mir für deinen Gegenspieler bewahren«.
Sie blickte mich immer noch lächelnd an, und dies verärgerte mich noch mehr. Sie ging.
Verunsichert stand ich in einem Zimmer mit aufreizender Wäsche, die ich nicht anzog und Waffen, die ich nie besessen hatte. Plötzliche Übelkeit riss mir die Beine weg, und ich kniete für einen kurzen Moment auf dem Boden.
Als sich unverhofft die Tür öffnete und wieder jemand hereinkam. »Vin bist du so weit, ich muss dich herunter bringen«, fragte mich jemand. Es war wieder die eingebildete Frau, die eiskalt und herzlos mit mir umging. Doch ich konnte ihr Verhalten nicht tolerieren und stellte Sie zur Rede.
»Darf ich dich etwas Fragen?«, flüsterte ich. Blickte ihr in die Augen und entdeckte Traurigkeit darin, die Sie mit Arroganz überspielen wollte.
»Was willst du wissen?«, erkundigte Sie sich. Schlug die Hände übereinander und blieb unbeeindruckt im Türrahmen stehen.
Mir stiegen jedoch die Tränen in die Augen und es blieb mir nicht mehr viel Zeit, denn die Wanduhr zeigte noch eine viertel Stunde bis Mitternacht an.
»Werde ich wieder zurückkehren?«, weinte ich.
»Die letzte Kämpferin hat es nicht geschafft. Falls du das wissen willst«, informierte Sie mich.
»Warum? Was ist, geschehen?«, fragte ich nach.
»Naja Sie hat nicht aufgepasst und ihr Gegner war viel stärker als Sie es einschätzte. Und schon hat Sie das Spiel verloren«, antwortete Sie mir.
»Und was ist mit ihr geschehen?«, flüsterte ich leise. Ihre Aussage schnürte mir förmlich die Kehle zu.
»Sie wurde zur Sklavin und musste mit ihm in sein Schattenreich, aus dem es kein zurück mehr gibt«, seufzte Sie. Gedankenverloren blickte Sie aus dem Fenster.
»Tja so ist es halt. Hätte meine Schwester besser aufpassen müssen. Und so wird es dir auch gehen, wenn du dich nicht an die Regeln hältst. Also höre auf meinen Rat. Auch wenn du die Regeln bestimmen darfst, unterschätze niemals die unsichtbare Macht deines Gegners. NIEMALS!«, warnte Sie.
»Ja das werde ich«, brachte ich entgegen. Ich wusste, dass Sie mir einen Tipp gab, was ihr eigentlich nicht gestattet war.
»Ich heiße übrigens Selma. Nun komm, das Spiel beginnt gleich«, sagte Sie. Forderte mich gleichzeitig auf, ihr zu folgen.
Als ich aus der Tür ging, deutete Selma auf die liegengebliebenen Waffen.
»Wenn du schon nicht mit ihm »spielen« willst, eine der angenehmen Phasen des Rollenspiels, dann leg dir wenigstens die Waffen an, sonst hast du gleich verloren«, überzeugte Sie mich.
Widerwillig nahm ich die Waffen an mich und ging genervt neben Selma mit in das Verlies.
Wir blieben vor einem eisernen Tor stehen.
»Weiter darf ich dich nicht begleiten, den Rest des Weges musst du alleine gehen«, teilte Selmar mir mit.
Panik stieg in mir auf, und ich konnte die Tränen nun nicht mehr zurückhalten. Denn schließlich wusste ich nicht, ob ich lebend wieder herauskam.
»Weißt du, wer auf der anderen Seite auf mich warten wird?«, flüsterte ich.
»Der Gewinner der letzten Spiele«, murmelte Sie. Mehr brachte Selmar nicht hervor. Ich erblickte die beiden Wachen, die sich neben mir positioniert hatten, um mich zu begleiten. Eine Flucht war damit ausgeschlossen. Mein Herz pochte in einem Rhythmus, der mich zusätzlich in den Wahnsinn trieb. Ich begann hektisch zu atmen, und Panik machte sich wieder in mir breit. Selma nahm mich in einer unachtsamen Minute der Wachen schnell in den Arm und flüsterte mir leise: »Der Teufel selbst. Nimm dich vor seinem Seelenkuss in acht«.
Ich starrte Sie an. Das konnte nicht ihr Ernst sein. Werden meine Befürchtungen war? Damit wusste ich: Heute Nacht werde nicht ich über die Regeln bestimmen, sondern er! Und dies gefiel mir überhaupt nicht! Die Uhr schlug zwölf, das eiserne Tor schloss sich und Selma blieb dahinter zurück. Auch die beiden Wachen waren verschwunden und ich stand in einer empfundenen Leere, von Dunkelheit umhüllt. Ich spürte das heftige Pochen meines Herzens, das schnelle Rauschen meines Blutes in den Adern und das beklemmende Gefühl auf meinen Lungen, so dass ich kaum Luft bekam.
Unheimliche Stille umgab mich. Und es geschah: Nichts! Fieberhaft wartete ich darauf, dass etwas geschah. Doch: Nichts! Sollte ich mich von der Stelle bewegen, oder einfach abwarten, was passierte? Und wenn er schon hinter mir stand? Hastig drehte ich mich um, und zog reflexartig mein Messer. Als ich darüber nachdachte, wie ich hier stand, mit dem Messer in der Hand, um den Satan selbst zu töten, musste ich lachen. Wie könnte ich dies je schaffen. Zumal auch Halloween war und die Wesen in dieser Nacht, über die größte Macht verfügten. Plötzlich spürte ich einen stechenden Schmerz an meinem linken Unterarm, und es wurde warm. Blut floss herab und tropfte auf den Boden. Er war hier!
Ich versuchte weg zu laufen, gelang auch an eine Tür. Doch die war verschlossen!
Ich lief zur Orientierung die Wand entlang, denn sehen konnte ich in der Dunkelheit nichts. Dann: der nächste Schnitt!
Diesmal an meinem Oberarm, und ich ließ das Messer fallen! Hastig tastete ich danach und konnte es nicht finden. Doch was ich fand, war etwas anderes!
Er stand genau vor mir! Langsam erhob ich mich und wich zurück! Ich konnte seinen Atem spüren! Heiß und nach Schwefel roch es. Ich konnte ihn spüren. Ich musste mir etwas überlegen, sonst hatte ich das Spiel, kaum das es begonnen hatte, verloren. Dann hörte ich zum ersten Mal seine tiefe Stimme.
»Wie leicht es ist, die Spiele zu gewinnen«, lachte er höhnisch. Trat einen weiteren Schritt an mich heran.
»Du bist keine bessere Spielgefährtin als die Letzte. Wie töricht die Menschen doch sind. Sie glauben jedes Jahr aufs Neue, die Halloween-Regeln zu kennen, und veranstalten immer wieder diese langweiligen Rollenspiele, die noch nie richtig umgesetzt worden sind«, erklärte er. Packte mich am Arm, und so schmerzte der Verletzte mehr, als er es schon tat. Doch ich versuchte den Schmerz zu ignorieren, und machte gute Miene zum bösen Spiel. Also schwieg ich.
»Ich weiß, dass dir dein Arm schmerzt«, flüsterte er mir ins Ohr.
Ich wollte zu gerne wissen, wie er aussah. Ob unsere Vorstellung von ihm der Wirklichkeit entsprach?
»Aber, du scheinst ein Spiel mit mir spielen zu wollen. Nun gut, dann lass uns spielen«, forderte er mich heraus.
Ich spürte eine Bewegung. Dann ein leichter Wind, der mein Gesicht streifte. In der Mitte des Raumes flammte ein schwaches Licht auf und dort befand sich plötzlich ein Bett. Was mich völlig irritierte. Ich hatte die Hoffnung, dass ich ihn in dem schwachen Licht endlich sah, doch er hielt sich in den Schatten versteckt. Während ich langsam zu dem Bett schritt, schossen mir tausend Gedanken durch den Kopf, und ich musste mir schnellstens etwas einfallen lassen, sonst war ich dem Tode nahe. Ich erinnerte mich an Selmas Satz: »Je weniger desto besser«.
Also begann ich langsam meine Kleider, während ich das Bett fest im Blick hielt, nacheinander auszuziehen. Und ich spürte, wie mich immer mehr Mut und Selbstvertrauen durchflossen. Ich stellte ihm Fragen.
»Hast du einen Namen?«, flüsterte ich. Und warf mein Shirt in die angrenzende Dunkelheit. Dann hörte ich ein leises Raunen, und ich merkte, wie sich sein Blick in meiner Brust festbrannte. Ich konnte sogar den Schmerz spüren, doch ich schritt erhobenen Hauptes weiter.
»Wie lautet er?«, sagte ich bestimmter. Spürte dabei seinen hasserfüllten Blick. Es dauerte einen Augenblick, bis er schroff »Beliar« antwortete. Ich merkte, dass ich die Macht gewinnen konnte, und ließ nicht locker.
»Beliar. Ich bin Vin«, sagte ich.
Vor dem Bett blieb ich stehen, und war erstaunt, dass es doch wesentlich größer war, als es von weitem ausgesehen hatte.
»So Beliar. Hmm… Bei uns ist er ein gefallener Engel. Und nicht der Satan selbst«, sprach ich.
»Vielleicht ist es ja auch nicht wahr. Eure Geschichten und Vorstellungen von mir«, keifte er. Ich merkte, dass er wieder hinter mir stand. Mein linker Arm schmerzte sehr, doch ich versuchte, es einfach auszublenden. Innerlich pochte mein Herz schneller als nach einem Marathon, und mir verschwamm alles vor den Augen. Ich konzentrierte mich, versuchte das Zittern meiner Hände zu kontrollieren und drehte mich langsam zu ihm herum.
Ich sah: Nichts! Wieder nichts als eine schwarze Wand.
»Komm heraus«, zischte ich. Und öffnete nur den Knopf meiner Jeans. Das zweite Messer fest in meiner rechten Hand, hielt ich die schwarze Wand im Blick, um jederzeit auf eine plötzliche Reaktion von ihm zu reagieren. Dann ein lautes Scheppern und schnelle Schritte. Ich versuchte ihnen zu folgen, doch ich wusste nicht wohin.
Ein höhnisches Lachen durchbrach die Stille.
»Du denkst wirklich, du gewinnst. Wie selbstsicher du hier stehst. Dabei hätte ich dich schon sechs Mal töten können, ohne dass du es wirklich mitbekommen hättest«, spottete er. Wieder ein Klirren. Es kam mir vor, als ob Beliar irgendetwas ablag.
»Und warum tötest du mich nicht?«, fragte ich.
»Ich will spielen«, hauchte er mir ins Ohr. Ich spürte seinen heißen Atem. Blitzschnell drehte ich mich um. Mit erhobenem Messer stürzte ich mich auf ihn. Da das Bett direkt hinter uns stand, landeten wir darauf. Reflexartig zog ich meine mitgeführten Handfesseln und versuchte ihn binnen Sekunden zu kontrollieren. Doch so ein leichtes Spiel hatte ich nicht mit ihm. Er war, wie ich erwartet hatte, stärker als ich. Es bereitete mir Schwierigkeiten, ihn zu unterwerfen.
»Du willst also spielen? Nun gut. Dann nimm die Finger von mir!«, befahl ich. Im ersten Moment verharrte er in seiner Dominanten Position und durchbohrte mich mit seinem Blick. Dass ich vor seiner Gestalt Angst hatte, versuchte ich mir nicht anmerken zu lassen. Sein Körperbau glich dem eines Menschen. Er war größer als ich. Seine Haut war dunkelgrau. Darauf waren dunkelrote schuppenartige Muster, die bei jeder Berührung anfingen zu brennen. Beim Betrachten seiner Augen verlor ich mich in dem Schwarz. Wie unendlich tief Sie einen in den Abgrund zogen, doch das durfte mir nicht passieren. Denn schließlich hieß es immer noch, die Rollenspiele von Halloween zu gewinnen.
»Die Hände!«, befahl ich. Mit einem hämischen Grinsen auf den Lippen schien er mich nicht für dominant genug zu halten. Ich packte mit einem Ruck seine Hände und verschloss Sie in den Handfesseln, die ich im zweiten Gegenzug am Kopfende des Bettes befestigte. »Ah so gefällst du mir schon besser Menschlein«, stöhnte er. Ich kniete über ihm und zog langsam mein Messer hervor.
»Ich kann es noch besser«, flüsterte ich. Und spielte damit vor seinem Gesicht herum. Mein Blick wanderte über seinen ganzen Körper, doch Beliar hielt mein Gesicht fest mit seinem fixiert.
»Denn ich möchte die Spiele gewinnen, und nicht zu deiner nächsten Sklavin werden«, sagte ich. Mit Bedacht führte ich die Messerspitze zu seinem Kehlansatz und fuhr langsam damit zum Bauch herunter. Je näher ich dort hingelang, desto stärker drückte ich zu, auf dass der Schnitt immer tiefer wurde. Ich erwartete, das Blut hinaustrat, doch es war kein Blut, wie bei den Menschen. Es war eine dickflüssige Substanz, die mir bei der kleinsten Berührung eine Brandnarbe hinterließ. Dann der nächste Schnitt, quer über seinen Oberarm.
»Das ist dafür, dass du mir meinen Arm verletzt hast«, meckerte ich. Die Wut, die er in mir entfachte, brodelte unaufhörlich. Ich war mir dem Sieg so gut wie sicher. Doch ich musste mit Schrecken feststellen, dass er mit MIR spielte, und nicht umgekehrt, wie ich es im Gefühl hatte. Langsam richtete er sich unter mir auf, und befreite sich spielend einfach aus den Fesseln. Seine Schnitte verschlossen sich binnen Sekunden vor meinen Augen.
»Der ist dafür, dass du mich fast besiegt hättest«, sagte er. Und küsste mich. Es kam mir vor, als ob mich flüssiges Feuer durchdrang, und mich völlig zu lähmen schien. Regungslos saß ich auf ihm und konnte nichts mehr machen.
»Na, wer hat nun die Spiele gewonnen?«, triumphierte er. Doch als er mir danach wieder in die Augen blickte, geschah etwas, was ich nicht für möglich hielt. Es schossen rätselhafte Bilder durch meinen Kopf. Die Starre in meinen Körper wisch, und mein verletzer Arm war wieder geheilt. Warum tat er das? Was war geschehen, das er so abrupt aufhörte?
Ehe ich mich versah, standen wir vor unserem Haus auf der Straße, und er sah aus wie ein gewöhnlicher Mensch. Attraktiv, aber auch sehr geheimnisvoll. Seine Haare schimmerten rabenschwarz trotz der Dunkelheit, und seine Augen behielten ihre Farbe. Er war der perfekte Täuschungskünstler. Und wenn ich es mir recht überlag, bereitete es mir eine riesen Angst. Denn wer wusste schon, dass so jemand wie er das Böse war und darauf bedacht war, unsere Menschheit nacheinander zu versklaven?
Er ergriff meine Hand und ging mit mir die Straße entlang. Beliar war hier in der Realität wie ausgewechselt. Es erfreute ihn, die gruselig beschmückten Häuser zu betrachten, und den vielen kostümierten Kindern nachzusehen. Er verhielt sich fast wie ein kleiner Junge, und nicht wie der Fürst der Unterwelt. War es möglich, dass die Geschöpfe der Nacht an Halloween genau gegenteilig zu dem waren, wie es ihre Natur vorgab? Wie sonst konnte es möglich sein, eine so ausgelassene Nacht mit Beliar zu verbringen? Wir erreichten das Ende der Straße und folgten dem unbefestigten Weg zu einem verlassenen Haus.
»Ich werde dich immer beschützen«, sagte er. Und es löste in mir ein euphorisches Gefühl aus. Ich konnte es immer noch nicht fassen. Noch vor ein paar Augenblicken, war er kurz davor gewesen mich zu töten und nun ist er um mein Wohlergehen besorgt. Wir betraten das alte Haus. Gingen gemeinsam in die obere Etage und legten uns auf das Bett. Behutsam entledigte er mich meiner Kleidung. Auch seine hatte er abgelegt und kam langsam zu mir herrauf. Vergessen waren die totbringenden Kämpfe der Rollenspiele und der Kampf um Macht. Es wurde die tollste Nacht meines Lebens. Wie sanft er durch mein langes Haar strich, und gedankenverloren seine Nase darin vergrub. Als ob er mein Ganzes ich in sich aufsaugen mochte. Ich schien gänzlich die Kontrolle über Raum und Zeit verloren zu haben, als ich plötzlich Schmerzen verspürte. Panisch schrie ich auf, und stieß ihn auf die Seite. Beim genauen Betrachten sah ich das die Wunde, die ich ihm eben zugefügt hatte, wieder aufgebrochen war.
»Was ist geschehen?«, schrie ich.Blickte mich irritiert um. Dann sah ich es. Es war nicht Beliar, der neben mir saß, sondern ein anderes Wesen.
»Beliar. Hilf mir«, flehte ich.
»Beliar wird dir nicht mehr helfen können«, antwortete das Wesen. Richtete sich vor mir auf.
»Dann hast du Menschlein es wirklich geschafft ihn dir gefügig zu machen«, spottete es.
»Was?«, stammelte ich verwirrt. Sah, dass zwei Gargoyles Beliar in ihre Gewalt nahmen. Sie hatten ihn in glühende Ketten gelegt, die ihn außer Gefecht setzten.
»Sag, was hast du gesehen?«, befahl dieser mir. Ich wusste nicht, was er damit meinte. »Schweigen wird dir nichts bringen. Vin. Vielleicht fürs Erste, aber früher oder später werden deine Sünden eingebüßt«.
Verzweifelt überlegte ich, was er damit meinte.
»Was habt ihr mit ihm vor?«, fragte ich. Blickte hoffnungslos zu Beliar herüber, der durch das geöffnete Portal wieder hinüber in seine Welt schritt.
»Er wird für sein Vergehen büßen müssen. Übriges ich heiße Dagon. Für den Fall, dass du nach mir suchen solltest Schätzchen«.
Er strich mir dabei sanft über meine Wange. Angewidert trat ich einen Schritt zurück, und lief zum Portal. Doch auf halbem Weg hielt mich ein Zauber fest, und ich konnte mich nicht mehr von der Stelle bewegen.
»So einfach wirst du es nicht haben, Vin«, brummte Dagon. Er stand neben mir und trat lächelnd durch das Portal. Hastig lief ich auf das sich schließende Portal zu. Doch es war zu spät. Sie waren verschwunden. Beliar war verschwunden, jemand den ich nie zu lieben geglaubt hätte. Ich musste einen Weg finden, zu ihm zu gelangen und ihn zu retten. Selma!
Ich nahm rasch mein Shirt, steckte mein Messer wieder ein, und lief zum Tor.
Verzweifelt klopfte ich dagegen, in der Hoffnung es hörte mich jemand. Als ich die Hoffnung aufgab, öffnete Sie sich und Selma stand dort.
»Vin du lebst ja noch«, strahlte Sie. Und schloss mich in ihre Arme.
»Selma, du musst mir helfen«, redete ich hastig.
»Bei was soll ich dir helfen?«, hinterfragte Sie.
»Ich muss in die Unterwelt und Beliar retten«, antwortete ich.
»Du willst was? Das ist nicht dein Ernst. Du willst den Satan, der dich eben vernichten wollte, retten? Was ist da drin mit dir geschehen?«, fragte Sie.
Wir hörten ein Geräusch und mussten uns verstecken. Es waren die Spielmacher, die hektisch in den Keller liefen. Beim Vorbeigehen hörten wir, was Sie besorgte.
»Wir müssen diese Vin ausfindig machen. Wenn Sie wirklich die Auserwählte ist und dieses Kind auf die Welt kommt, wird unser Zirkel dem Untergang geweiht sein«, flüsterten Sie.
Ich traute ihren Worten nicht und blickte Selma an. Ihr wurden nun die Zusammenhänge klar, und Sie zog mich hastig mit in den nächsten Raum.
»Welches Kind?«, fragte ich.
»Aber natürlich. Du bist es«, stellte Selma fest.
»Ich bin was?«, sprach ich. Selma suchte währenddessen, ungeduldig im Bücherregal nach etwas.
»Hallo. Ich bin was?«, rief ich so laut es mir möglich war.
»Hier ist es«, freute Sie sich. Trat mit einem kleinen, in Gold gebundenen Buch an den Tisch.
»Wo hast du das her?«, schimpfte ich. Der Ärger, den ich empfand kam in mir hoch. Bei dem Buch handelte es sich um dass, von meiner verstorbenen Mutter.
»Jetzt ist alles klar. Das Buch, du als neue Rollenspielerin in der Hoffnung, dass du niemals mehr zurückkehren wirst. Sieh her», erwähnte Selma.
Ich erinnerte mich an die Geschichte. Denn meine Mutter hatte Sie mir jede Nacht vorgelesen. Es handelte von dem goldenen Kind, welches aus reiner Liebe zwischen Gut und Böse gezeugt wurde, um die Knechtschaft der Menschen in der Unterwelt zu besiegen.
»Du denkst doch nicht allen Ernstes, dass ich diese Auserwählte bin. Und ein Kind habe ich auch nicht«, äußerte ich mich. Bis ich eine Regung in mir verspürte. Tränen standen mir in den Augen, denn ich war mit der ganzen neuen Situation völlig überfordert.
»Wie kann das möglich sein?«, fragte ich. Plötzlich schossen mir wieder die Bilder in den Kopf, als Beliar mich geküsst hatte. Selma hatte mich vor seinem Seelenkuss gewarnt, und ich wusste nun warum.
»Selma. Ich habe das alles gesehen. Es müsste mir eigentlich klar sein. Als er mich küsste, habe ich das alles gesehen. Ich hätte es verhindern müssen«, überlegte ich. Stand zornig auf und lief nervös in dem kleinen Raum herum.
Dann hörten wir Stimmen, und die Tür wurde, ohne dass jemand hereinkam, verschlossen.
» Sie haben die Tür verriegelt. Gibt es keinen anderen Ausgang?«, fragte ich nervös. Plötzlich verspürte ich einen heftigen Schmerz in meinem Unterleib und mir wurde übel.
»Vin. Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Selma. Eilte herbei und stütze mich.
»Es ist das Kind, etwas stimmt nicht«, merkte ich an. Ich hielt meinen Bauch.
»Komm mit. Wir können durch einen Geheimgang zu Luzias Labor gelangen. Sie wird uns weiter helfen können«, sagte Selmar. Ich dachte, wir würden nie in diesem Labor ankommen, bis Selma endlich eine Tür öffnete und wir in einem kleinen verdunkelten Zimmer ankamen. Die Schmerzen wurden schlimmer, sodass ich mich auf dem Sofa hinlegen musste.
»Luzia?«, flüsterte Selma und schlich leise durch den Raum. »Sie ist nicht hier«.
Selma hatte etwas von dem nahegelegenen Tisch genommen und reichte mir einen Trank.
»Hier das wird die Schmerzen lindern«, überzeugte Sie mich gerne. Bis jemand ihn mir aus der Hand schlug, bevor ich den Becher überhaupt ansetzen konnte.
»Wenn du das trinkst, wird dein Kind verloren sein, noch bevor es zur Welt kommt«, sagte jemand. Ich blickte nach oben und über mir stand eine Frau. Sie hatte feuerrotes Haar, ihre Augen schimmerten Schwarz und ihre Haut war genau wie Beliars dunkelgrau.
»Luzia. Da bist du. Ich dachte schon …«, stammelte Selma. Ich bemerkte die Anspannung, die zwischen den beiden herrschte. »Schweig Selma. Mach es diesmal richtig und schweig«, herrschte Sie diese an. Ohne weiter auf Selma zu achten, beugte Luzia sich zu mir herunter und untersuchte mich.
»Du hast Schmerzen nicht wahr?«, fragte Sie mich.
»Es ist in Ordnung. Ich möchte nur zu …«, fuhr ich fort. Blickte dabei auf die Wanduhr. Vier Uhr am frühen morgen. Ich hatte nicht mehr viel Zeit Beliar zu retten.
»Ich weiß, was du möchtest, doch unter diesen Umständen wirst du es nicht meistern, Vin«, sagte Luzia.g
»Aber ich muss ihn retten. Egal was oder wer er ist. Bitte hilf mir.« flehte ich Sie an.
»Du kannst meinen Bruder nicht retten. Er ist in der Unterwelt. Dort wo unsere Macht, vor allem an Halloween, am stärksten ist. Du würdest es noch nicht einmal in seine Nähe schaffen, ohne gleich verschleppt und versklavt zu werden«, merkte Sie an.
»Er ist dein Bruder?«, fragte Selma. Ließ dabei ein Reagenzglas fallen.
»Möchtest du, dass Sie euch finden?«, ermahnte Luzia.Sie ging zu einem kleinen Regal.
»Ja, er ist mein Bruder. Und ja ich komme auch aus der Unterwelt. Ich wurde vor Jahren verbannt, weil ich mich wie er in einen Sterblichen verliebt hatte. Seither lebe ich unbeachtet unter euch«, erzählte Sie. Während Luzia mit einem Mörser kleine Blätter, Trauben und Kohle zerkleinerte. »Du bist also die Frau, auf die Beliar sein ganzes Leben gewartet hat?«
»Ich verstehe nicht?«, flüsterte ich, wegen der Schmerzen.
»Du bist die Auserwählte der Menschen, und Beliar ist der Auserwählte der Unterwelt. So fügt sich eins dem Anderen zu«, sagte Luzia.
Der Gedanke, dass Beliar sein ganzes Leben auf mich gewartet haben soll, erfüllte mich mit nur noch mehr Schmerz. Aber mir wurden einige Schlüsse in meinem jetzigen Leben klar: warum ich mich immer alleine gefühlt habe, obwohl ich Familie und Freunde hatte. Warum ich immer dieses Gefühl hatte, es fehlt mir etwas, doch was es genau war, wusste ich nicht. Diese ewige Suche nach etwas, dass ich nicht fand. Jetzt schloss sich der Kreis und ich wusste, es war Beliar, den auch ich instinktiv suchte. Und nun endlich fand. Als ich mich erhob, bat Luzia mich mit einer Handbewegung liegen zu bleiben, was ich nur widerwillig tat.
»Ich muss zu ihm, er braucht mich«, sagte ich.
»Ich weiß. Hier trink das oder du wirst keinem mehr helfen können. Schon gar nicht eurem Kind«, sprach Luzia. Unserem Kind! Das war ein seltsames Gefühl!
»Was passiert, wenn ich diesen Trank zu mir genommen habe?«, hinterfragte ich unsicher.
»Es verhindert, dass es weiter wächst. Der Fötus ist stärker als ein Sterblicher. Er verfügt über ungeheure Macht. Der Trank hilft dir auch, über diese Macht zu verfügen. Die Wirkungsdauer ist jedoch begrenzt. Du musst dich also beeilen«, merkte Sie an. Luzia reichte mir die Phiole und allein der Geruch widerte mich an.
»Wie komme ich herüber?«, fragte ich, und richtete mich auf.
»Hier nimm meine Kette. Ihr Schimmer zeigt dir die verschiedenen Zugänge zu den verschiedenen Sphären an. Der Zugang zur Unterwelt leuchtet in einem satten blau«, erklärte Sie mir.
»Warum blau? Ich dachte da eher an Rot oder Schwarz?«, scherzte ich. Obwohl mir nicht zum scherzten war.
»Die typisch menschlichen Farben für den Teufel und seine Unterwelt«, lachte Luzia. »Nein das Blau soll diejenigen täuschen, die in ihrem Leben Unrechtes getan haben, und so in die Unterwelt gelangen und dadurch ihre gerechte Strafe bekommen«.
Kaum hatte ich die Kette angelegt, bekam ich eine völlig andere Sichtweise. Im ganzen Raum leuchteten die verschiedensten Farben und Formen auf, und ich musste mich zuerst zurechtfinden. Dann fand ich den Zugang und trank die Phiole aus. Schweigend blickte ich noch einmal zu Selma und Luzia und ging mit weichen Knien dem Portal entgegen. Mein letzter Blick auf die Uhr zeigte mir 4:24 Uhr an. Das hieß: ich hatte nicht mal mehr als 90 Minuten bis zum Morgengrauen. Da stand ich, vor einem blau leuchtenden Tor, einem ungeplanten Kind in mir und dem Willen jemanden zu retten, bei dem ich nicht wusste, ob ich ihn überhaupt retten kann. Beim Durchschreiten des Portals überkamen mich Schmerzen, die Schmerzen, die ich in der Arena auch verspürte. Dann bemerkte ich, wie es warm an meinem linken Arm wurde, und spürte das Blut. Die zugefügten Wunden waren wieder da. Offensichtlich war ich durch das Durchqueren in den Zustand der Spiele zurückversetzt worden. Aber ich verstand den Sinn davon nicht. Ich dachte, er solle mich schützen? Was ist nun mit unserem Kind? Existierte es noch?
»Sie sind perfekte Täuschungskünstler Vin!«, sagte ich mir selbst.
Als ich mich genauer umsah, stand ich vor einem Berg aus Geröll. Wie sollte ich nur darüber kommen? Dann hörte ich Stimmen und suchte ein Versteck. Heimlich beobachtete ich, wie eine Herde Seraphim, mit in Ketten gelegten Frauen, eine für mich nicht sichtbare Treppe hinunter gingen. Da es sich ausschließlich um menschliche Frauen handelte, schlussfolgerte ich daraus, dass es sich womöglich um die Verliererinnen der letzten Rollenspiele handelte. Eine in der letzten Reihe bemerkte mich, und ich deute ihr an sich ruhig zu verhalten und mich nicht zu verraten. Heimlich folgte ich der Kolonne und was ich dort unten zu Gesicht bekam, war unvorstellbar für mich. Die Frauen wurden wirklich versklavt und mussten sich hier unten der Gier der Dämonen hingeben. Eine unvorstellbare Situation für mich. Während ich krampfhaft überlegte, was ich tun sollte, hörte ich in meinem Kopf eine leise Stimme. Die mir sagte, wo hin ich zu gehen hatte. Es war Beliars Stimme, die mich leitete und so wusste ich, dass ich nicht zu spät war. Wurden seine Gedanken durch unser gemeinsames Kind übertragen?
Leise schlich ich mich an der Kolonie vorbei und kam in einer Sackgasse an. Verärgert und fluchend, den Tränen nahe und verzweifelt stand ich vor dieser Mauer und wusste nicht, wohin ich weiter gehen sollte. Bis ich plötzlich eine Stimme hörte, die mir bekannt vorkam. Es war Dagon der Wächter von Beliar. Wie gerne wäre ich ihm an die Kehle gesprungen und hätte ihm ein Ende gesetzt, doch ich brauchte ihn noch um Beliar zu finden. Als ich ansetzen wollte ihm zu folgen, überkamen mich erneute heftige Schmerzen meines verletzten Armes. Krampfhaft verband ich ihn mir mit meinem Haarband und schlich Dagon hinterher. Leider hatte ich ihn an der nächsten Abbiegung wieder verloren. Ich musste Beliar finden, denn wenn Sie das Portal gleich verschlossen, wusste ich, dass ich ihn nie mehr wieder sah. Plötzlich verspürte ich einen heftigen Schmerz in meiner linken Seite und nahm einen Schatten im Augenwinkel war. Benommen trugen Sie mich weg, und als ich meine Augen öffnete, stand ich gefesselt an einem Pfahl. In meiner unmittelbaren Nähe verharrte Beliar, die glühenden Ketten immer noch um sich. Als er mich sah, raste er vor Wut und versuchte sich verzweifelt aus den Ketten zu befreien.
»Lass Sie in Ruhe!«, schrie er außer sich. Seinen Blick fest auf mich geheftet. Als wir uns in die Augen sahen, wussten wir, was nun geschah. Dagon kreiste höhnisch lachend um mich herum und schwang seine lange mit Flammen brennende Peitsche.
»Schau Sie dir an Beliar. Da ist deine langersehnte Seelenverwandte endlich zu dir gekommen. Wie verzweifelt du doch warst, warum du Sie nie gefunden hast. Und dann trug Sie auch noch dein Kind in sich«, spottete er.
»Dagon bitte mach mit mir, was du willst. Aber lass Sie in Ruhe«, flehte er.
»Tja, und nun hast du Sie selbst dem Tode verschrieben. Wie konntest du glauben, dass so ein Menschlein, eine Bestie wie dich lieben könnte. Und das an nur einem Tag?«, redete er weiter.
Mein Herzschlag verlangsamte sich, das Rauschen des Blutes in meinen Adern wurde leiser, und da begriff ich es erst. Ich wurde getäuscht. Getäuscht von dem Bedrohlichen der Unterwelt, weil ich ihre Welt wegen einer Liebe, die nur eine Nacht galt, fast zerstört hätte. Nächstes Jahr wird es ein neues Spiel geben. Neue Gewinner und Verlierer der Halloween-Spiele. Doch es wird nie wieder ein Paar geben, dass sich in nur einer Nacht allen Gefahren widersetzte, nur um eine Nacht glücklich zu sein.

-ENDE-

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