Veröffentlicht: 20.05.2025. Rubrik: Total Verrücktes
Stierkampf
Heute ist Schlachttag. Ein stolzer Bulle steht bereits auf dem Viehanhänger im Hof. Zur Sicherheit setzt Metzgermeister Loth dem Tier eine Sichtblende auf. Damit werden die Tiere ruhiger und lassen sich leichter vom Anhänger in das Schlachthaus führen. Alles läuft nach Plan. Der Bulle scheint die Ruhe selbst – bis zu dem Moment, wo der Metzger die Klappe des Anhängers öffnet. Im selben Augenblick bäumt eine halbe Tonne auf vier Beinen auf und legt den Rückwärtsgang ein. Der Metzger und sein Geselle können gerade noch zur Seite springen und lassen vor Schreck den Strick los, an dem sie das Tier normalerweise führen.
Blind durch die Blende, rammt das Tier mehrmals eine Hauswand und einen Holzvorbau. Der Putz bröckelt, das Holz splittert und der Bulle findet einen Weg aus dem Hof. Metzger Loth sieht auf der Straße Emma Viehmann, die mit ihrer Nachbarin ein Schwätzchen hält. Die Nachbarin hat nichts zu befürchten – sie ist im Haus uns schaut aus dem Fenster. Aber Emma … „Emma, geh in Deckung!“ ruft der Schlachter. „Der Bulle ist los.“ Im letzten Augenblick sieht die ältere Frau das Tier, das mit rasanter Geschwindigkeit auf sie zu gerannt kommt. Emma rafft ihre Schürze und flüchtet auf eine Treppe im Hof. Ins Haus will sie nicht, denn da könnte sie ja etwas verpassen.
Als Stier und Stierkämpfer am Hof vorbeigelaufen sind, gibt es für die neugierige Frau kein Halten und wie ein junges Reh hüpft sie von der Treppe zurück auf die Straße, wo sie die Verfolgung aufnimmt. Ihr Geschrei weckt bei jedem Haus die Aufmerksamkeit von immer mehr Menschen, die sich alle der Verfolgungsjagd anschließen. Der Bulle scheint der Meute entkommen zu wollen und biegt rechts ab, mit Kurs auf mehrere Kleingärten. Die Wäsche, die eine Dorfbewohnerin dort aufgehängt hat, spießt das Tier mit den Hörnern auf und wechselt erneut die Richtung. Jetzt sind es parkende Autos, die mit den Hörnern aus dem Weg geräumt werden und „ab geht die Luzi“ weiter zur Tankstelle. Mit Anlauf rammt der Bulle eine der Zapfsäulen. Die Geräusche von knirschendem Metall, splitterndem Glas und schreienden Menschen treiben ihn immer weiter, bis zu einer Wiese, am Ufer eines kleinen Bachs.
Die Bäuerin, die ihn mit der Hand aufgezogen hat, spricht beruhigend auf das Tier ein und versucht sich ihm zu nähern. Aber eine Nähe, von weniger als 2 Armlängen lässt er nicht zu. Und so kommt, was kommen muss, ein Jäger setzt dem Spektakel und dem Leben des Jungbullen ein Ende.
Den Protagonisten wird noch eine halbe Zeitungsseite in der Tagespresse gewidmet, bevor sich die „Steaks vom Jungbullen“ in der Ladentheke und auf den Tellern der Dorfbewohner wiederfinden.

