Veröffentlicht: 06.07.2025. Rubrik: Unsortiert
Zugreise
Ich fahre, wie so oft im zurückliegenden Jahr, mit dem Zug nach HH
Hauptbahnhof. Dieses Mal, wegen der eine Woche zurückliegenden
Straftat direkt am Hauptbahnhof, geschehen am Wochenende,
mit einem mulmigen Gefühl. Ich werde an dem Gleis aussteigen müssen,
wo die Straftat sich ereignete.
Angekommen im Abteil fällt mir sofort eine Frau auf, kräftig gebaut,
die einen großen Plastiksack mit noch zu knackenden Nüssen (Pistazien?)
vor sich auf dem Gästetisch platziert hat. Regelmäßig, kurz "getackt",
"knick knack", zerbeißt sie die Köstlichkeit. Noch bin ich geduldig, weil
ich denke, bei dieser Schnelligkeit, mit der sie isst, wird die
unangenehme Geräuschkulisse bald ein Ende haben. Sie grinst breit
in die Runde. Alle Reisenachbarn sind inzwischen nervös. Viele von Ihnen
haben entweder auf eine entspannende Fahrt nach der Arbeit gehofft
oder freuen sich wie ich auf ihre Lieben, die sie womöglich eine Zeitlang
nicht gesehen haben. Aus dem Lautsprecher tönt es: "Liebe Fahrgäste,
bitte denken Sie an Ihre Mitreisenden und bieten Sie älteren,
behinderten Menschen ihren Platz an. Der Zug ist übervoll. Wenn sie
nicht höflich sein wollen, lassen wir den Zug räumen!"
"Knick knack", die massige Frau, Asiatin, schaut in die Runde,
lacht wieder breit. Genüsslich schmatzt sie vor sich hin.
Ein Mann, cool, gelassen, von hagerem Wuchs, setzt sich plötzlich neben sie. Unhörbar atmen alle auf. Er wird sie höflich kritisieren "bete" ich.
Im Gegenteil, er schließt die Augen und schläft tatsächlich alsbald ein.
Eine ältere Dame, neben mir sitzend, hüstelt nervös. Auch alle weiteren
Zuggäste zeigen nun ihre Ungeduld deutlich! Keiner traut sich hingegen,
die laut knabbernde Frau um Rücksichtnahme zu bitten. Wir alle
fürchten, als ausländerfeindlich zu gelten. Wir erreichen schon fast den
Hauptbahnhof, als die riesige Plastiktüte geleert ist (Pistazien, Anderes?)
Das mulmige anfängliche Gefühl wegen der schlimmen Straftat am
Hauptbahnhof auf Gleis 13 (eine Woche zurückliegend) haben wir wahrscheinlich alle für eine gewisse Zeit vergessen.
Ablenkung wirkt manchmal Wunder!
Ich steige aus, meine Lieben erwarten mich. Ein Polizist oder ist
es ein Sicherheitsbeamter (?) lächelt mir zu.

