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geschrieben 2024 von Konrad (Konrad).
Veröffentlicht: 30.07.2025. Rubrik: Menschliches


Der 7er Willi

Als ich zurück komme stehen meine Sachen wild durcheinander vor der Tür. Eine Krankenschwester kommt aufgeregt auf mich zu und schickt sich an mir zu erklären das sie mich schon länger versucht mich zu erreichen, aber sie keine Ahnung hatte wo ich war. Ein Zustand den man in einem deutschen Krankenhaus nicht vermuten würde. Kurz gesagt sie brauche das Zimmer mit den Überwachungsgeräten für einen neuen Patienten. Ich werde für mein letzte Nacht in ein anderes Zimmer verlegt.
Ärger steigt in mir hoch, hatte ich mich doch mit Gerhard seit zwei Tagen angefreundet. Ich der ich immer und sofort nach einem Einzelzimmer rufe, trauere jetzt um eine Krankenhausbekanntschaft. Es war aber auch außergewöhnlich, wir hatten uns so viel aus unserem Leben zu erzählen, so viele Schnittpunkte, so viel verstehen was der andere erlebt hat. Das abrupte Ende ärgerte mich über die Maßen. Aber man fügt sich wortlos.

Verbringe ich jetzt die Nacht mit einem Toten? Als ich in das neue Zimmer komme erblicke ich einen Menschen der wie aufgebahrt kerzengerade, den Blick der geschlossenen Augen an die Decke regungslos da liegt. Keine Regung, kein Zucken, nichts. Ich möchte nicht da rein. Meine Sachen schon, die sind bereits drin und warten auf mich. Mir steh der Sinn nach Flucht. Soll ich ein Taxi rufen und vorzeitig einfach nach Hause gehen? Ich entscheide mich für die kleine Flucht. Erstmal in die Cafeteria.

Draußen vor der Tür, die Krankenschwester mit der Nikolausi Beschmückung, ist gerade sehr beschäftigt ihre langen Listen mit Patientendaten zu füllen. Sehr konzentriert, alles muss ganz genau sein. Sachen die später niemand mehr braucht müssen immer ganz genau sein. Das beruhigt, wenn man weiß es ist aber schon ganz genau und richtig erfasst. Ebendiese Krankenschwester blickt kurz von ihren Listen hoch und ist sehr verstört bei meinem Anblick. Ein Patient um diese Zeit außerhalb des Patientenzimmers, ist das überhaupt möglich. Noch bevor sie ein Wort sagen kann hört sie von mir ein durchaus freundliches, vergnügtes „Ich bin mal weg zum Kaffee holen“. Sie ringt nach Fassung und Worten. Nach Sekunden deutlich sichtbarer Denkprozesse bringt sie ein „aber nur weil heute Nikolaus ist“ hervor. Da bin ich aber froh das heute so ein bedeutender Tag ist und ich solche Sonderrechte bekomme.

Als ich von meinem kleinen sondergenehmigten Ausflug zurück komme ist mein Ärger verflogen und ich bin bereit die letzte Nacht zu bestreiten. Beim Betreten des Zimmers ein völlig anderes Bild. Mein Zimmernachbar hat seine Leichenposition verlassen und sitzt nun am Bettrand und kämpft mit seinem Abendessen. Ein Hüne von einem Mann, aber ziemlich abgemagert und dadurch eher unförmig. Schlaksig, irgendwie nicht mehr proportioniert. Die wenigen Haare in fettigen Strähnen streng nach hinten gelegt.
Ich bringe ein freundliches Guten Abend und Guten Appetit zusammen, was mein gegenüber ebenfalls freundlich zurückgibt. Und gerade dieser kurze Moment der Freundlichkeit war es der mich überraschte. Den gleich darauf versank mein Gegenüber in sehr finsterer Laune.

Der Arzt hat was im Darm gefunden. Ist nicht gut. Er soll in ein anderes Krankenhaus. Jetzt wo er schon seit Monaten im Krankenhaus liegt und seine Helga so vermisst. Ja die Helga, er hatte sie vor Jahren bei einer Radio Show kennengelernt. Sie sollte zwischen verschiedenen Anrufern den sympathischsten auswählen. Er machte das Rennen und seither sind sie ein glückliches Paar. Seine Helga kümmert sich um ihn und sie blickt noch voll durch. Sie ist eine wunderbare Frau. Und früher als er noch Handelsvertreter für Textilien war, ich denke wann muss das gewesen sein als es noch reisende Handelsvertreter gab, fuhr er durch ganz Deutschland auf und ab. Ja, 70000 Kilometer jedes Jahr. Und die Kunden mochten Ihn, er war beliebt und erfolgreich. Sehr anstrengend die komplette Kollektion aus dem Auto zu holen dem Kunden zu zeigen und wieder ins Auto zu verstauen. Aber man war halt jung und taten kräftig.
Ich werde diese kurze Essenz eines Lebens an diesem Abend noch dreimal hören. Ziemlich genau im Abstand von 7 Minuten. Und doch ich höre zu. Jedes Mal.
Mitleid. Ich ziehe die Schubladen DEMENZ und WAHN. Alles klar dann.


Das Handy läutet. Willi kämpft mit ihm und bringt es schließlich zum Sprechen. Eine angenehme Frauenstimme erfüllt den Raum. Helga

Helga hat alles geregelt. Seine Entlassung für morgen, das neue Krankenhaus, den neuen Arzt. Sie organisiert sein Leben. Bewundernswert.


…ach mein liebster Willi, ich liebe Dich und ich vermisse dich so sehr. Helga legt auf.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Bad Letters am 10.08.2025:

Mitten aus dem Leben. Sehr gerne gelesen!

MfG
Bad Letters




geschrieben von Konrad am 14.08.2025:

Danke für die Rückmeldung. Freut mich sehr wenn es dich angesprochen hat. Gruß Konrad

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