Bad am laufenden Band

Die nicht mehr ganz so frischen Semester unter uns kennen vielleicht noch die Quizsendung des kettenrauchenden, singenden und amüsanten Niederländers Rudi Carrell „Am laufenden Band“. Die habe ich noch mit meiner Omi zusammen geschaut, die ebenfalls Kettenraucherin war. Dieses laufende Band hatte mich damals fasziniert. Man musste nur etwas wissen und behalten können, und mit etwas Glück konnte man dann einen Toaster oder eine Waschmaschine gewinnen.

Möglich, dass das in meinem unterentwickelten Hirn damals eine Initialzündung ausgelöst hat: „Du musst nur etwas wissen und behalten, dann bekommst du vielleicht auch einmal einen Toaster.“ Gut, ich musste schnell einsehen, dass es mit dem Wissen schwer wird, wenn man nichts behalten kann, was einen nicht wirklich interessiert, und selbst dann war meine Kapazität zu schnell ausgeschöpft, um wirklich Kapital daraus zu schlagen.

Deshalb fand ich später Rudis Sendung „Lass dich überraschen“ viel geeigneter für mich. Ich lebte von da an in den Tag hinein und ließ mich vom Leben und meinen Mitmenschen überraschen, und ich sage euch, das war eine spannende Zeit, denn ich wurde in vielerlei Hinsicht überrascht.

Zum Beispiel von meiner ersten Freundin. Eigentlich dachte ich, dass sie riesige Möpse hätte, aber nachdem sie sich ausgezwiebelt hatte, blieben nur entzündete Mückenstiche übrig. Ich fand das jetzt nicht so schlimm. Klein und stramm ist irgendwie praktischer als groß und in Bodennähe. Obwohl mir das eigentlich völlig egal war – es kommt auf die inneren Werte an –, war ich trotzdem überrascht und wusste von da an, dass nicht jede Verpackung hält, was sie verspricht.

In der Schule wurde ich seltener überrascht. Meistens kam die Katastrophe, die ich erwartete, auch prompt. Überrascht hatte mich nur die Lehrerschaft, die einfach nicht in der Lage war, nur meine Leistungen zu bewerten, sondern meine Persönlichkeit ganz offensichtlich mit in ihre Benotung einfließen ließ. Überraschenderweise nie zu meinem Vorteil.

Das Gleiche wiederholte sich im Arbeitsleben später: Du kannst schneller und besser arbeiten, so viel du willst, doch wenn dein Vorgesetzter charakterlos ist und dich nicht leiden kann, weil du eventuell deine Meinung vertrittst, anstatt in seinen Arsch zu kriechen, stehst du wahrscheinlich hinten an. Ganz hinten, und dir ist die beschissenste Arbeit sicher.

Am meisten überrascht hat mich im Leben wohl, dass man mit der Wahrheit meist nicht so weit kommt wie mit offensichtlichen Lügen, weil die Wahrheit einfach kaum jemand verträgt. Anders kann ich mir nicht erklären, warum zum Beispiel viele Frauen nie mehr mit mir gesprochen haben, nur weil ich auf die Frage „Und, wie schau ich aus?“ völlig ungeschminkt geantwortet habe. Eine wertvolle Erfahrung, konnte ich so doch immer schnell die Spreu vom Weizen trennen, ohne meine Zeit mit völlig überflüssigem Balzverhalten zu verschwenden.

Das Leben ist einfach voll von Überraschungen und das auch noch am laufenden Band. So kann es sicher nicht schaden, genau hinzusehen und auch abzuwägen, wann man im Leben zugreift und wann man eine Chance lieber verstreichen lässt, weil noch lange nichts wertvoll ist, nur weil es in einer Hochglanzverpackung daherkommt.

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