Kurzgeschichten-Stories
Autor
Schreib, wie du willst!
Startseite - Registrieren - Login - Kontakt - Impressum
Menu anzeigenMenu anzeigen
6xhab ich gern gelesen
geschrieben 2025 von EliJ (EliJ).
Veröffentlicht: 07.11.2025. Rubrik: Grusel und Horror


Ich glaube ich bin tot

Ich glaube, ich bin tot.
Seit Tagen fühle ich mich schwer. Meine Haut fahl, die Lippen spröde. Wenn ich rede, hallt es kurz in meinem Kopf, als käme die Stimme nicht von mir. Die Fliege, sonst immer am Fenster, sitzt auf meiner Schulter und fliegt nicht mehr weg. Vielleicht mag sie den Geruch. Vielleicht bin ich schon verwest, von innen. Naja, ich muss los, ins Büro.


Ich glaube, wir sind tot.
In der Bahn sitzen sie alle so still. Münder bewegen sich, aber keine Stimmen dringen durch. Der Mann gegenüber blinzelt zu langsam, und in seinen Augen ist nichts zu sehen. Ich trinke Kaffee. Er schmeckt nach Metall. Draußen rauscht kein Wind, nur ein gleichmäßiges Flimmern. Alles riecht nach Staub. Naja, das ist meine Haltestelle.


Ich glaube, du bist tot.
Er sitzt neben mir, tippt auf sein Handy. Die Finger grau, der Atem flach.
Er nickt. „Kann schon sein.“
Sein Kiefer bewegt sich spät zum Wort, als wäre er zu lange nicht bewegt worden.
Ich will ihn fragen, ob mir sagen kann, wie er damit weitermacht, aber er steht schon auf.
„Naja“, sagt er, „ich muss los. Die Kinder.“


Ich glaube, mein Körper gibt auf.
Heute früh sind mir zwei Zähne ausgefallen. Einfach so. Kein Schmerz.
Im Waschbecken lag etwas Dunkles, das sich noch bewegt hat. Ich hab es weggespült.
Meine Haut ist zu hell geworden. Ich sehe Linien darunter.
Bewegt sich etwas darunter?
Wenn ich blinzle, höre ich ein Knacken, als würden die Lider reißen.
Naja, ich muss noch Mails beantworten.


Ich glaube, die Welt ist tot.
Die Luft steht. Der Himmel hat dieselbe Farbe wie das Licht aus meinem Monitor.
Die Menschen gehen an mir vorbei wie Figuren aus Nebel. Manche haben noch Gesichter, manche nicht.
Vielleicht sind wir alle längst Staub, der vergessen hat, sich zu legen.
Naja, ich muss nach Hause.


Ich weiß nicht, ob ich je lebendig war.
Vielleicht war das alles schon immer so, die Müdigkeit hinter den Augen, das Gewicht in den Knochen.
Ich denke an die Fliege. Sie sitzt noch immer auf meiner Schulter.
Ich hebe sie auf. Sie zerfällt zu Staub.
Ich puste ihn weg, sehe zu, wie er in der Luft hängt.
Bewegt sich nicht.
Vielleicht bin ich jetzt wirklich still.
Naja. Morgen ist auch ein Tag.

counter6xhab ich gern gelesen

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

Einen Kommentar schreiben

geschrieben von Rautus Norvegicus am 08.11.2025:

Hm, gefällt mir einfach sehr gut. Passt auch gut in die Rubrik 'Nachdenkliches', aber das ist wohl Empfindungssache.

Liebe Grüße
🙂
Rautus Norvegicus

Weitere Kurzgeschichten:

„Die Brücke" (Inhaltsangabe)
Der Retter (Berichtsversion)
Sternennacht