Veröffentlicht: 15.11.2025. Rubrik: Satirisches
Alles zum Wohl der Tiere
Als Bauer im Nebenerwerb habe ich es nicht einfach. Nicht der Arbeit wegen. Ich liebe diese Arbeit. Mir macht diese Arbeit Spaß. Sie ist zeitaufwendig, aber Tiere sind keine Maschinen. Sie können nicht auf Knopfdruck abgestellt werden.
Tiere bedürfen einer regelmäßigen Betreuung. Und wenn ich schreibe regelmäßig, dann von morgens bis abends und auch an den Wochenenden.
Um das Tierwohl durchzusetzen, hat die EU verschiedene Gesetze erlassen. Das erste Gesetz, welches ich in meinem Briefkasten vorfand, war das „Gesetz über die Tierschutznutztierhaltungsverordnung“.
Ich habe es mir von meinem Tierarzt erklären lassen. Kostenpflichtig natürlich. Jeder Rechtsanwalt verlangt für eine simple Auskunft auch Geld. Doch schon einen Tag, nachdem ich mir dieses Gesetz verinnerlicht hatte, erhielt ich Nachträge zur Tierschutznutztierhaltungsverordnung. "Das Gesetz über die Tierschutznutztierhaltungsverordnungsänderung" sowie die "Tierschutznutztierhaltungsverordnungänderungsdurchführungsbestimmung".
Ich bat meinen Arbeitgeber um zwei Tage Urlaub und studierte diese Gesetzestexte. Dadurch blieb mir ein kostenpflichtiger Besuch beim Tierarzt erspart.
Aus diesen Gesetzestexten entnahm ich, wie wichtig die Dokumentation über das Verhalten der Tiere ist. Deshalb wird nun jedes Land der EU gesetzlich verpflichtet, ein Glückstierwohlbarometer für die Tiere zu erstellen. Die lückenlose Aufzeichnung der Daten über das Verhalten der Tiere auf dem Hof ist deshalb zwingend.
Ich bat meinen Arbeitgeber, mich nur noch zur Nachtschicht einzusetzen. Tagsüber musste ich die Daten über meine Tiere sammeln. Die angedrohten Strafzahlungen bei Verstößen sind für mich nicht bezahlbar. Auch durch die Zuschläge für die Nachtschichten nicht.
Tag für Tag erfasste ich jetzt auf meinem Hof die von den EU-Bürokraten geforderten Daten. Mein Tagesablauf verläuft seitdem folgendermaßen: Ich begebe mich mit meinem Laptop auf den Hof und trage das Verhalten meiner Tiere in vorgegebene Tabellen ein.
7:12 Uhr: Kuh Berta lächelt, ist wohl zufrieden.
8:45 Uhr. Schwein Erna quietscht. Fühlt sich sauwohl.
9:30 Uhr: Hahn Gerd kräht aggressiv. Hühner verweigern sich.
9:35 Uhr: Hühner gackern wie verrückt.
Hahn Gerd verschafft ihnen keinen Orgasmus mehr. Hahn muss ausgewechselt werden. Nur wohin? Darf ich ihn selbst verspeisen? Muss ich ihn für ein Bankett nach Brüssel liefern? Oder bekommt er eine Beerdigung? Diese Vorschriften müssen noch erlassen werden. Doch woher nehme ich einen neuen Hahn?
So oder so ähnlich verläuft mein ganzer Tag.
Am nächsten Morgen schicke ich diese Daten bis spätestens 7:00 Uhr per Mail an das "Erfassungsamt der EU für nebenberufliche Nutztierhalter ohne Gewinnabsicht und mit einer jährlichen Rendite von weniger als 0 Prozent".
Solche Arbeiten schlauchen und kosten sehr viel Kraft. Mir geht es von Tag zu Tag schlechter. Ich mache mir Gedanken, wie ich meine Lage und die Lage vieler meiner Kollegen verbessern könnte.
Mein Gedanke, der EU einen Gesetzesvorschlag über das Wohlbefinden der Menschen zu unterbreiten, verfestigt sich immer mehr.
Dieses Gesetz könnte
"Gesetz zum glücklichen Menschenwohlbarometer (GMBG)" benannt werden.
Ziel dieses Gesetzes sollte sein, dass alle Menschen in der EU die gleichen Rechte haben wie die Tiere.
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