Kurzgeschichten-Stories
Autor
Schreib, wie du willst!
Startseite - Registrieren - Login - Kontakt - Impressum
Menu anzeigenMenu anzeigen
7xhab ich gern gelesen
geschrieben 2025 von Hubert Staller.
Veröffentlicht: 14.10.2025. Rubrik: Satirisches


Der Goldjunge

Jeden Morgen betritt der Goldjunge das Bad. Er schaut in den Spiegel, nickt feierlich und murmelt liebevoll: „Du siehst wieder blendend aus.“ Doch der Spiegel antwortet nicht. Der Goldjunge weiß: Schweigen ist immer auch Zustimmung.

SatirepatzerSatirepatzerIm Alltag hat es der Goldjunge schwer. Die Welt ist einfach zu klein für seine Besonderheit. Im Büro fällt ihm regelmäßig auf, dass sich seine Kolleginnen und Kollegen keine Zeit nehmen, um seine neuesten Ideen zu bewundern. Neulich hatte er vorgeschlagen, den wöchentlichen Teambericht „Glanzpunkt der Woche“ zu nennen. Mit seinem Konterfei in der Überschrift. Doch der Vorschlag wurde abgelehnt. Unverständlich für ihn.

Beim Mittagessen spricht der Goldjunge oft über Demut. „Ja, ich bin wirklich bescheiden“, und bestellt sich die teuerste Vorspeise. Seine Kollegen nicken, unsicher, ob sie gerade Zeugen einer Beichte oder einer Selbstkrönung sind.

Lieben kann der Goldjunge auch. In erster Linie natürlich sich selbst. Einmal probierte er es mit einer Partnerin. Doch sie hatte seinen Begriff der Beziehung nicht verstanden. Sie wollte reden. Über ihre Gefühle und eine gemeinsame Zukunft. Doch nach zwei Wochen erklärte der Goldjunge höflich, dass er nur jemanden lieben kann, der ihm zuhört.

Regelmäßig geht der Goldjunge zum Friseur, lässt sich die Haare blondieren und neu legen. Danach stellt er immer fest, dass Liebe am schönsten ist, wenn man sich selbst begegnet.

Seine größten Auftritte hat der Goldjunge bei Social Media. Nie zuvor hat er sich so elegant selbst feiern können. Das kostet er aus und postet täglich Lebensweisheiten:
„Wer mich nicht versteht, hat nicht genug über mich nachgedacht.“ Oder:
„Manchmal sehe ich mein Spiegelbild und bin einfach nur dankbar.“
Seine Follower reagierten mit Herzchen. Einige davon aus Höflichkeit, die meisten davon aus Faszination, dass jemand so konstant von sich überzeugt sein kann.

Eines Abends, als das WLAN ausfiel, war der Goldjunge gezwungen, mit sich selbst zu sprechen. Er schaute auf den dunklen Bildschirm, sah sein Gesicht im schwarzen Glas und flüsterte: „Vielleicht bin ich doch nicht so perfekt.“ Doch dann fiel das Licht eines vorbeifahrenden Lkws auf ihn und er sah wieder perfekt aus. Er atmete auf. „Falscher Alarm“, sagte er und machte sich eine Tasse Tee.

Man sagt, Narzissten seien schwer zu ertragen. Das stimmt, hauptsächlich für sie selbst, wenn der Spiegel beschlagen ist. Diesen Goldjungen muss man bewundern. Er hat aus seiner Selbstliebe eine Vollbeschäftigung gemacht. Und das ganz ohne Gewerbeschein.
Sein Umfeld bewundert ihn und liegt ihm zu Füßen.

counter7xhab ich gern gelesen

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

Einen Kommentar schreiben

geschrieben von Butterblume am 14.10.2025:
Kommentar gern gelesen.
Ja diese Goldjungen hast du gut beschrieben.
Es gibt sie auch als Goldmädchen.

Viel zu viele Narzissten.

Beste Grüße
Butterblume




geschrieben von Babuschka am 14.10.2025:
Kommentar gern gelesen.
Hallo Hubert,
irgendwann wird der Goldjunge aufwachen aus seinem selbstverliebten Traum, und seinem verpassten Leben nachweinen. Eigentlich kann er einem leidtun.
LG Babuschka




geschrieben von ORF am 15.10.2025:
Kommentar gern gelesen.
habe ich weiterverteilt!!!!




geschrieben von Hubert Staller am 15.10.2025:

@ an alle
Vielen Dank für eure Bewertungen.
Narzissmus gibt es in jedem Lebensbereich und in jeder Gesellschaftsordnung. Dieses übermäßige Selbstinteresse, diese Selbstbewunderung und der Anspruch auf besondere Aufmerksamkeit sind krankhaft. Erkranken führende Politiker daran, kann es zu schwerwiegenden Folgen in einer Gesellschaft kommen.
Inter-nette Grüße Hubert.






geschrieben von Andy Loginius am 16.10.2025:
Kommentar gern gelesen.
Gut geschrieben, wenn ich das bewerten darf. Egoismus und Paranoia sind schlimme Erkrankungen.

Mehr von Hubert Staller:

Ärztemangel
Träume sterben nie
Oh Gott, mein Gott (Notrufdrabble 112 )
Als Gott zum Teufel ging
190 Jahre Oktoberfest – eine Hommage