Veröffentlicht: 18.10.2025. Rubrik: Menschliches
Die letzte Mahd
Die Gartensaison ist zu Ende. Zum letzten Mal hole ich meinen Rasenmäher aus dem Geräteschuppen. Seit Jahren ist er mir ein zuverlässiger Helfer bei der Rasenpflege. Ein Geschenk meiner Ex-Frau Brunhilde.
„Für eine ordentliche Rasenpflege“, sagte sie damals, „künftig halte ich mich aus der Rasenpflege raus.“
Fortan war ich Chef und allein für die Rasenpflege zuständig. In tiefer Dankbarkeit und in Anlehnung an den Namen meiner Ex taufte ich den Rasenmäher „Brummhilde“.
Ich zog das Starterseil.
Rrrrr…
Nichts.
„Na, komm schon, Brummhilde“, sagte ich liebevoll.
Noch einmal zog ich das Starterseil.
RrrrRRRÖÖÖhhhrr!
Brummhilde erwachte aus dem Schlaf. Ich konnte mit der letzten Mahd beginnen.
Es ist für mich ein erfüllendes Gefühl, die Vibration von Brummhilde in den Händen zu spüren. Dieser Geruch von Benzin und frisch gemähtem Gras ist unwiederbringlich.
Als ich mit der ersten Bahn fertig war, kam Frau Sonntag an den Gartenzaun.
Immer, wenn ich den Rasen mähe, steht Frau Sonntag am Gartenzaun und lächelt mir zu.
Ein letztes Mal wohl hatte sie ihren Strohhut auf. Sie trug hautenge Jeans und ein Shirt mit tiefem Ausschnitt. Den einen Bügel ihrer Sonnenbrille keck im Mundwinkel, fragte sie mit einladendem, unschuldigem Lächeln:
„Na, Herr Gartennachbar, wieder beim Rasieren?“
Ihr Antlitz und ihr Blick verursachen immer eine mollige Wärme in meinem Körper.
„Man muss regelmäßig ran, sonst wird es zu wild untenrum“, erwiderte ich.
Frau Sonntag kicherte und spielte mit ihrer Sonnenbrille: „Ich mag’s ja, wenn’s ein bisschen wilder ist.“
Ich schluckte: „Äh, ja … aber zu viel Wuchs macht auch Arbeit“. „Und man will ja, dass es gleichmäßig aussieht.“
„Na, Hauptsache, Sie mähen nicht alles ab“, sagte sie und zwinkerte.
Ich fuhr weiter meine Bahnen, aber wesentlich unkonzentrierter. Brummhilde röhrte, als wollte sie sagen: „Kümmere dich um den Rasen und nicht um die Gartennachbarin in den engen Jeans und dem Shirt mit dem tiefen Ausschnitt.“
Doch ich spürte die Blicke von Frau Sonntag in meinem Rücken. Sie verfolgten mich und ließen mich von Bahn zu Bahn jünger und kraftvoller werden. Nach einer Stunde war das Werk vollbracht. Der Rasen war kurz, glatt und gepflegt. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Plötzlich stand Frau Sonntag neben mir, mit zwei Flaschen Bier in der Hand. „Für den, der weiß, wie man richtig mäht“, sagte sie.
Ich lächelte ihr zu und sagte: „Danke, dann Prost auf das gepflegte Grün. Ich stelle noch schnell Brummhilde in den Schuppen. Ordnung muss sein. „Dann können wir in Ruhe das Bier in der Laube genießen.“

