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geschrieben 2025 von Hessehex (Hessehex).
Veröffentlicht: 23.11.2025. Rubrik: Fantastisches


Damian

Das Kind schlief friedlich in seinem Körbchen. Endlich war es angekommen, lange hatten die Eltern darauf gewartet. Und es war eine schwere Geburt, welche die Mutter viel Kraft gekostet hatte. Aber nun war ja alles überstanden, Angst und Schmerz vergessen und es konnten herrliche Zukunftspläne geträumt werden.
Der Junge tat, was Neugeborene im allgemeinen tun: Er schlief, brüllte wenn er hungrig war, beschmutzte Windeln, wuchs dabei und gedieh prächtig. Er lächelte sein erstes Lächeln, blickte wach in die Gegend, war zufrieden und erfreute seine Eltern.
Nach einigen Monaten bemerkte die Mutter an seinem Rücken zwei dunkle Streifen. Da diese dem Kind jedoch keine Beschwerden zu verursachen schienen, nahm sie auch nicht weiter Notiz davon. Im Laufe der Zeit – das Kind tapste schon munter durch die Gegend – verhärteten sich diese Streifen, verfärbten sich auch dunkler. Aber die Eltern sahen darüber hinweg.
Eines Tages – der erste Schultag stand bevor – teilte sich die Haut über diesen Streifen, und heraus schauten zwei längliche Hautgebilde. Die nunmehr konsultierten Ärzte schüttelten hilflos ihre Köpfe, meinten das würde sich im Laufe der Zeit geben. Der Junge entwickelte sich weiterhin normal. Er war ein guter Schüler – klug, strebsam, wissensdurstig - bald der Klassenbeste. Nur der Makel kam nicht zum Stillstand, wuchs und gedieh ebenso wie sein Wirt. Es zeichnete sich ab, daß sich zwei prächtige Flügel entwickeln würden. Jedoch keine Engelsflügel mit Federn, sondern eher wie bei Fledermäusen, dünn und hautig. Was war zu tun? Die Mutter band sie ihm am Körper fest, damit sie nicht weiter wachsen und keiner es merken sollte. So überstand der Junge die Schulzeit und kam bald in die Pubertät.
Seine Stimme wurde dunkel und durchdringend, von schneidender Schärfe und hatte mitunter einen grausamen Ton. Sein Körper veränderte sich, die bis dato eher kleinen Füße wurden irgendwie klobig, Hufen immer ähnlicher, die Arme unverhältnismäßig lang, die Finger krallenähnlich. Sein Körper behaarte sich unmäßig und sah fast aus wie ein Fell. An seiner Stirn bildeten sich zwei Höcker.
Der Vater, der all die Jahre zwar geduldig, aber insgeheim grimmig mit angesehen hatte, daß sich die Welt der Mutter nur noch um den Sohn und dessen Wohl drehte, verließ die beiden. Zu sehr waren die beiden damit beschäftigt, die Welt nichts von der Andersartigkeit merken zu lassen. Ihn grauste es vor seinem Sohn.
Jedoch eines Tages – und der Tag mußte kommen – kam alles ans Licht. Die Flügel waren so stark geworden, daß der Verband den Druck nicht mehr hielt. Das Hemd riß entzwei und ließ die Flügelspitzen hervorschnellen. Das Spießrutenlaufen begann. Abscheu, Ekel und Häme mußten die beiden ertragen. Man mied den Umgang mit ihnen, hätte sie am liebsten davongejagt. Irgendwann ertrug der Sohn die Treibjagd nicht mehr, konnte die Qualen der Mutter nicht mehr ertragen. So nahm er Abschied von ihr.

Er nahm den Weg über die Berge, dort war er allein mit sich und seinen Gedanken. Und dort war es auch, wo er entdeckte, daß aus den Höckern auf seiner Stirn zwei Hörner geworden waren. Nein, so wollte er nicht weiterleben. Es sollte Schluß sein mit Schmach und Schande. Die schroffe Felswand dort war wie geschaffen, hier wollte er den Sprung in die Freiheit – den Tod – wagen. Und so sprang er. Jedoch ganz von selbst entfalteten sich die großen, starken Flügel, trugen ihn sanft und sicher. Und er sah die Erde unter sich liegen, wunderschön in ihren bunten Farben. Sah die Menschen, klein wie Ameisen krabbeln und kriechen.
Und auf einmal wußte er: Er war stark und mächtig, konnte sich die Erde und alles was darauf war untertan machen. Er würde sich rächen! Und sein Lachen dröhnte laut über Berge und Täler, und das Echo warf es tausendfach zurück.

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