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5xhab ich gern gelesen
geschrieben von Butterblume.
Veröffentlicht: 12.12.2025. Rubrik: Unsortiert


Not my Circus

Not my Circus

Sie strahlt und erhebt sich, klinkt es in meinem Kopfhörer.
Schnellen Schrittes erreiche ich noch den Nachmittagszug.
Zum Glück hatte er heute mehrere Minuten Verspätung.
Der Grund dafür ist ein Notarzteinsatz, ertönt es durch die Lautsprecheranlage des Bahnhofes. Ein Suizid war es wohl, hört man von aufgeregten Reisenden.

Soeben erhasche ich noch einen Fensterplatz in der vierer Garnitur.
Rundumblick und routiniert das Handy auf stumm schalten, wie jeden Tag.
Mir Gegenüber sitzen zwei Damen in meinem Alter.
Aus den ersten Gesprächsfetzen heraus kann ich erfahren, dass es Schwestern sind,
welche sich viele Jahre nicht gesehen haben.
Zwillinge, ohne Zweifel. Das Ziel ihrer Reise ist ein Klassentreffen in der Heimat, dies erwähnen sie fast schon singend.

Ich schließe meine Augen um meinen erlebnisreichen Tag Revue passieren zu lassen. Später, werde ich mein Tagebuch damit füttern.
Vorfreude auf ein Familienfest am Wochenende, zum dritten Advent, macht sich in meinem Bauch breit.
Ein Fahrgast liest laut den Wetterbericht vor.
„Schneefall, weit und breit in den nächsten Tagen.“
Meine Gedanken drehen sich im Kreis.
Okay, „Schneemann bauen und Schneeballschlacht, la, la, la.“summe ich.
Das heißt auch, Holz für den Kamin besorgen.
Stopp gib deinem Kopf eine Pause, sagt mein Unterbewusstsein.
Das intensive Gespräch meines Gegenübers lässt mich aufhorchen.

Die Dame am Fenster erzählt von ihrem bisherigen Leben, sie gibt sich große Mühe die richtigen Worte zu finden, man spürt ihren emotionalen Stress.

„Schwesterherz, eine Autobiographie möchte ich veröffentlichen, kannst du dir das vorstellen?“
„Selbstverständlich, liebe Lotte.“

Lotte zieht verlegen ihren karierten kurzen Rock straff, dabei hüstelt sie und fährt mit ihrer Erzählung fort.
„Schwesterlein, es klingt jetzt eventuell etwas arrogant,
aber ich liebe das Leben und das Leben liebt mich, Basta.“
Beide lachen laut.

Mit geschlossenen Augen lausche ich weiter dem Gespräch.
Lottes Stimme ist angenehm weich.

„Schwesterlein, egal welches Problem ich habe, oder hatte, es sind und waren Herausforderungen, Erfahrungen in meinem Leben.
Probleme sind nicht da, um sie zu lösen, sondern um sie loszuwerden, hörst du?
Mittlerweile mache ich einen großen Bogen um Energieräuber und hüte mich vor fremden Problemmüll.
Die Probleme meiner Mitmenschen kann ich nicht lösen.
Ich spende Jammer-Susen und Meckerfritzen keinen Applaus mehr.
Mitleid ersetze ich durch Mitgefühl.“

Eine Pause entsteht.
Mit seufzen spricht sie gelassen, wenige Sekunden später weiter.

„Liebste Schwester, natürlich war dies nicht immer so.
Viele Jahre litt ich an einem Helfersyndrom, habe versucht die Menschen zu retten.
Der Weg in der Vergangenheit war bestückt mit Steinbrüchen, kleinen und großen Steinen. Dabei verlor ich mich selbst aus den Augen. Mein Akku war leer.
Um meine seelische und körperliche Erschöpfung zu heilen, benötigte ich einige Jahre.
Ich konnte den Leuchtturm meines Lebens, nicht mehr erkennen.
Deshalb suchte ich nach einen anderen, neuen Anker.
„Schwesterlein, immer wieder stellte ich mir die Frage, was muss ich tun, um zu genügen?
Ich lief und lief wie in einem Hamsterrad.
Dann ist der Hamster hingefallen, leider zu schwach, um wieder aufzustehen und weiter zu laufen.
Eine die immer lacht, die immer lacht, für andere jederzeit da ist.
Niemals Nein sagen kann.
Dieses konnten viele in meinem Umfeld nicht verstehen.
Entschuldige bitte meine Tränen.

„Schwesterherz, deine und meine Vorbilder waren sicher ähnliche.
Zum Beispiel, unsere Eltern und Großeltern, Popstars, Schriftsteller, Schauspieler,
berühmte Wissenschaftler, Menschen mit großem Einfluss auf das gesellschaftliche Leben.
Werte wie Pflichtbewusstsein und Gehorsam prägten unsere Kindheit und Jugend.
Weißt du was Schwesterlein, dies hat mich oft an meine Grenzen des Denkens gebracht.

Anders wollte ich sein, meine Meinung sagen, gesehen werden, so wie ich bin.
Fragen wie, was willst du mal werden, ersetzte ich mit, wer willst du mal sein?
Dabei erklärte ich wie ein kleiner Philosoph, ich bin doch schon etwas.
Ein Mensch, mit Ideen und Träumen.“

„Okay Lottchen, ich verstehe dich.“

„Schwesterchen, diese Niederlage war mein Glück.
Neue Wege zu gehen, diese Erkenntnis lässt mich auf ein langes erfülltes Leben hoffen.
Mein neuer Anker sind die Alpen, egal ob bei Regen, Nebel, Schnee oder Sonnenschein bringen sie mein Herz in Wallung.

Außerdem sind es die kleinen Dinge, welche mich glücklich machen.
Gesundheit und Frieden, Zeit sinnvoll mit meinen liebsten Menschen zu verbringen.
Genau diese, meine Lebenslinie möchte ich in einem Buch festhalten, als Wegweiser, für Andere“

„Liebe Lotte, wenn du magst, bin ich dein Mentor.
Ach, habe ich dir schon erzählt, dass ich vor nicht allzu langer Zeit meinen Job an den Nagel gehangen habe?
Im Moment arbeite ich als freiberufliche Autorin.“

„Liebste Schwester, da fällt mir ja sofort ein Buchtitel ein.
Es war einmal, es kommt wie es kommt und es ist wie es ist.“

Die beiden Schwestern giggern vor Freude und fallen sich in die Arme.

Jemand zieht an meiner rechten Schulter, erschrocken fahre ich hoch.
Der Schaffner fragt, „wollen sie hier aussteigen?“
Beschwingt sage ich, „natürlich.“
Noch ein wertschätzendes Lächeln an die Damen, mir gegenüber.

Zufrieden stehe ich auf dem Bahnsteig, es fängt an zu schneien.
Das Gespräch der Schwestern hallt noch in meinem Ohr.
Ja, auch ich liebe das Leben und das Leben liebt mich.
Wer weiß, vielleicht schreibe ich heute an meiner Lebensgeschichte.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Bad Letters am 14.12.2025:

Wir schreiben ja jeden Tag an unserer Lebensgeschichte, Butterblume, die frage ist, ob es lohnt sie aufzuschreiben.

MfG
Bad Letters




geschrieben von Butterblume am 14.12.2025:

Dankeschön für deine liebe Nachricht.
Diese Frage ist noch offen 😉

Herzliche Adventsgrüße
Butterblume

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