Veröffentlicht: 21.12.2025. Rubrik: Fantastisches
Ich bin Euer
Eigentlich müsste ich angst haben. Angst vor dem was mir bevorstand. Doch es tat sich in mir nichts. Wahrscheinlich weil ich mich bei ihnen vollkommen sicher fühlte. Seid ich 14. Jahre alt war hatten sie mir gedient und mich beschützt, hatten Helligkeit und Wärme in meine, ansonsten sehr düstere Welt gebracht. Hatten mich versorgt und waren zu jeder Stunde des Tages für mich da. Sie hatten sich an ihren Teil des Vertrages gehalten. Nun, war ich dran!
Angst ? Nein. Ich hatte gar keine Zeit Angst zu haben. Es gab ja eigentlich keinen Grund. Zumindest in diesem Moment nicht.
Die drei erwarteten mich an diesem Abend auf der Veranda meines kleinen Vorstadthauses.
Draco, Wend, und Vlad standen lächelnd in einer Reihe vor dem leeren Blumenkasten, welcher von außen das Fenster zu meinem Wohnzimmer zierte.
Ich trat heraus und holte dabei tief Luft. Ja, es war so weit. Nun, war ich an der Reihe Meinen Teil des Vertrages zu erfühlen.
„Ist alles in Ordnung?" auf Draco's Nachfrage nickte ich nur. „Bitte haltet euch, an euer Versprächen" sagte ich. „Natürlich doch" antwortete Wend, während er mich in seine Arme nahm und hoch hob.
Ich staunte noch immer über seine körperliche Stärke, obwohl ich selber gerade mal 50 Kilo wog.
Anschließend verließen sie mit mir das Grundstück meines Hauses, auf welchem sich neben dem Wohngebäude und dem neben dem kleinen Vorgarten, eigendlich nur noch ein, etwas weiter seitlich gelegener Schuppen befand, und gingen, über einen steinigen Weg, auf den nahen Wald zu.
Ich wagte es nicht zurück zu sehen. Ich musste mich auf das konzentrieren was vor mir lag, obwohl es nicht fiel war.
Ich konnte jetzt weder vor ihnen fliehen, noch mich von dem Vertrag lösen.
Jedes mal wenn ich meine rechte Hand hob wurde ich an ihn erinnert. Die, mir von Wend eingebrannten, Worte Ich bin euer, erinnerten mich jeden Tag daran, dass ich mich nicht den Vereinbarungen im Vertrag widersetzte.
Rings um uns herum wurden die Wohnhäuser der Siedlung weniger und machten einem kurzen Abschnitt mit Wiesen und einer Weide für Schafe platz, bevor, direkt vor uns, eine Mauer aus hohen Tannen und Kiefern, einen weiteren Blick in die Landschaft unmöglich machte.
Der Geruch nach Harz und Tannennadeln übernahm die Oberhand, während durch die letzten Strahlen der Sonne, die langen Schatten der Bäume in unsere Richtung geworfen wurden.
Ab und zu summte noch ein Insekt durch die Luft und das all abendliche Konzert der Vögel drang an mein Ohr.
„Ich bin euer" leise lass ich die Worte auf meinem Handrücken, bevor ich aufblickte.
„Wir sind dein" antwortete Wend.
Die nächsten 2 Stunden änderte sich kaum etwas am Anblick des Waldes. Die Eintönigkeit der Landschaft ließen mich langsam ermüden, bis mir schließlich die Augen zufielen und ich hinab in einen tiefen Schlaf sank.
Aus diesem erwachte ich erst als mir neben den Gerüchen das Waldes, der Duft von modrigem Wasser in die Nase stieg. Ich öffnete meine Augen und erkannte direkt neben mir einen verschlammten Bach welcher, nur wenige Meter weiter in einen See mündete.
Dieser war fast in seiner ganzen Länge mit dichten, undurchschaubaren Nebelbänken, bedeckt so dass man das andere Ufer nicht zu erkennen vermochte.
Im Uferbereich schaukelte ein kleines Ruderboot auf sanften, vom milden Wind erzeugten Wellen, langsam hin und her.
Instinktiv klammerte ich mich jetzt stärker an Wend, welcher inzwischen seine Gestalt von einem Menschen, in ein riesiges, hirschartiges Wesen gewandelt hatte. Sein Körper war von einem dichten, leicht stachligem Fell überzogen, welches eine schmutzig gelbbraune Farbe aufwies und in welchem Fliegen und andere Insekten hausten.
Hier und da war seine Haut offen und man konnte Fleisch, Muskeln und manchmal sogar Knochen erkennen, welche an manchen Stellen sogar von selber die Haut durchbrachen und für jeden sichtbar an der Oberfläche lagen.
Würde ich ihn nicht bereits seid Jahre kennen, währe ich vor Angst davon gelaufen.
Plötzlich, noch ehe Wend mit mir in das Boot stieg, merkte ich einen, leicht schmerzhaften Stich auf der Innenseite meines rechten Oberarms. Ich blickte zu der Stelle und merkte dass sich eine von Wends Krallen, welche mir jetzt bedrohlich von jedem seiner Finger entgegen blitzte, tief in meine Haut gebohrt hatte.
Energisch schüttelte ich den Kopf, mir war sofort klar dass mir Wend sein Gift in den Körper injizierte. "Ganz ruhig" sagte er sanft "Gleich wird es besser."
"Ich..." mehr bekam ich nicht heraus, den erneut und viel schneller als ich es für möglich gehalten hätte, überwältigte mich der Schlaf.
Mir taten meine Beine und Arme etwas weh als ich langsam wieder zu mir kam. Wo war ich? Ich war vollkommen orientierungslos, bis es mir endlich gelang die Augen zu öffnen und mich umzusehen. Zunächst sah ich nur eine Wand aus tiefhängenden, weißlichgrauen Wolken, welche im langsamen Tempo über mir hinwegzogen. Mir war vollkommen klar dass mich Wend betäubt haben musste, doch dies hatte nun nachgelassen.
Ich lag am vorderen Ende des Bootes auf einer großen, weichen Decke. Mein Körper schien, von den Schultern abwärts, zudem von einer Schicht aus Samt bedeckt zu sein.
Als ich es endlich schaffte meinen Körper hinunter zu blicken, wobei ich gleichzeitig begann mich langsam in eine aufrechte Sitzposition zu bringen, erkannte ich dass mein Körper in ein langes, dunklelblaues, aus Seide bestehendes Kleid gehüllt war. An den Füßen trug ich flache, weiße Schuhe.
"Wie wir sehen bist du erwacht" Dracos Stimme erschreckte mich nicht, wahrscheinlich war sie mir zu vertraut, um mich selbst in einer so orientierungslosen Lage nicht zu verunsichern.
"Danke" sagte ich, während meine Hand über mein, zu einem fantastischen Zopf, geflochtenes Haar fuhr.
Meine Nägel waren perfekt geschnitten und von allen Verunreinigungen befreit wurden. Es gab Nichts an mir was ich als Nicht perfekt bezeichnen würde. Doch war mir auch klar dass diese Schönheit auch gleichzeitig den Anfang vom Ende unserer gemeinsamen Zeit einläutete.
Wend, Draco, und Vlad hatten ihre Aufgabe erfüllt. Nun war ich an der Reihe ihnen zu dienen.
Draco würde meine Seele, Vlad mein Blut und Wend meinen Körper erhalten.
Jeder normale Mensch währe bei dem Gedanken verrückt geworden, doch ich blieb vollkommen ruhig. Ich hatte keine Angst vor dem Tod.
Während wir über den See fuhren, wurde die ganze Umgebung von einem dichten, undurchschauberen Nebel verdeckt, so dass meine Augen nicht einmal eine Kontur auszumachen vermochten.
Draco hingegen schien keine Probleme mit dem Wetter zu haben, den er steuerte das Boot über den See ohne dabei auch nur einmal vom Kurs abzukommen. Eine ganze Weile lang sah ich nichts außer die Oberfläche des Sees. Bis sich mit einem mal, doch noch ziehmlich weit weg im Dunst, die Konturen einer kleinen Insel abzeichneten. Bei dieser handelte es sich um das Ziehl unserer gemeinsamen, letzten Reise.
Plötzlich stieg mir der fantastische Geruch einer frisch gekochten Gemüsesuppe in die Nase. Ich drehte mich leicht nach rechts und sah in die Augen von Wend, welcher mir eine volle Schale mit Suppe und einen Löffel hinhielt.
Dankend nahm ich die Suppe in die Hand. "Stört es dich nicht?" fragte ich, während ich den Inhalt der Schüssel umrührte, um sie auf eine niedrigere Temperatur zu bringen.
"Wieso?" fragte Wend und ich merkte dass er lächelte. "Ich meine...ich bin doch gleich..." setzte ich an, doch die Worte Deine Mahlzeit, bekam ich nicht über die Lippen.
"Es stört mich nicht" antwortete er. Ich lies das Thema Essen fallen und witmete mich der Suppe. Sie war wirklich köstlich. Doch während ich langsam Löffel um Löffel in meinem Mund verschwunden lies, merkte ich mit jedem Schluck, dass dies mehr war als eine köstliche Suppe...es war eine Henkersmahlzeit.
Gleichzeitig mit dem letzten Schluck Suppe erreichten Draco, Vlad, und Wend mit mir die Insel, an welcher sie das Boot an einem kurzen, aus Holz errichteten Bootsanlieger festmachten.
Ich stellte die leere Schüssel neben mich und lies mich erneut von Wend in die Arme nehmen. Er trug mich aus dem Boot und überquerte anschließend, flankiert von Draco und Vlad den Strand der Insel, bevor wir hinter einer dichten Reihe von Büschen auf einen schmalen Waldweg gelangten, welcher tief ins Herz des dicht bewachsenen Eilandes führte.
Hier war es vollkommen still. Außer den Schritten meiner drei Partner vernahmen meine Ohren nichts. „Ich bin euer." Ich wusste nicht wie oft ich diese Worte in den nächsten Minuten wiederholte, und genau so wenig wie oft mir mit „Wir sind dein" geantwortet wurde.
Wahrscheinlich versuchte ich mich selber zu beruhigen, was jedoch nur bedingt zu funktionieren schien.
Wend strich langsam mit seiner Hand über meinen Arm. Wahrscheinlich knurrte ihm bereits bei dem Gedanken, schon bald von mir probieren zu können, der Magen. Obwohl ich vermutete dass er von mir kaum satt werden würde. Dazu war ich wahrscheinlich...zu schlank.
Plötzlich lichteten sich vor uns die Bäume und Wend, Draco, und Vlad traten mit mir hinaus auf eine kleine Lichtung in dessen Mitte eine einfache, hölzerne Bank stand.
Vorsichtig setzte mich Wend auf dieser ab. "Vielen Dank" sagte ich.
Anschließend sah ich jeden einmal.
"Meine Seele" sagte ich und Draco nickte
Danach sah ich zu Vlad. "Mein Blut" und auch er nickte.
Zum Schluss blickte ich zu Wend.
"Meinen Körper" und wieder sah ich ein zustimmendes nicken.
"Lasse bitte nichts von mir übrig."
"Sehr gerne" antwortete Wend, während seine Augen vor freude leuchteten.
Anschließend blickte ich wieder Draco an und schloss meine Augen.
Ich zählte die Sekunden bis er mir meine Seele nahm.
Eine Sekunde, zwei Sekunden, drei Sekunden...
Ende.





