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2xhab ich gern gelesen
geschrieben 2024 von Angricolan (Angricolan).
Veröffentlicht: 13.12.2025. Rubrik: Persönliches


Heidi - Eine Begegnung

Da war wohl die Morgenandacht um 10.30 Uhr zu Ende als die
Leutchen aus der ev. Kirche kamen.
Als nur Bürgersteigbenutzer, blieb ich sicherheitshalber stehen.
Früher kannte ich dieses Gotteshaus von innen, wurde als Säugling
dort zwangsgetauft. Meine Eltern waren verbunden mit der
evangelischen Gemeinde und ließen mich leiden, auch Zwangsleiden
im ersten Jahr als Katechumene und dann im zweiten Jahr als
Konfirmand.
In dieser Gemeinde waren nicht alle gleich. Ich hatte es schon früh
gemerkt. Die mit Reichtum versehenen, hatten eine Sonderstellung.
Zucht und Ordnung musste sein und Strafen wie ich sie erlebte im
Unterricht und die Wutausbrüche eines von allen in der Klasse
gehassten alten Pastors. (mit Nazi-Vergangenheit wie ich später
lesen konnte)
Der Pastor H. wurde in den Ruhezustand geschickt. Seine Wurftechnik, seine Wutanfälle waren bekannt und wie er seine Konfirmationsvorbereitungen gestaltete jede Woche an einem Nachmittag.
Seine Zwangsauflagen haben mir so einige Nachsitzstunden eingebracht, weil ich wohl zu still war.

Wer zur nächsten Stunde auferlegtes nicht auswendig konnte, der... ich gehörte dazu, durfte wieder Nachsitzen zur Strafe.
Wenn dann der alte Pastor in Rage kam, flog sein
Bibelbuch/Gesangsbuch durch den Raum. Die losen Blätter mussten
wir Katechumenen aufheben. Sonntags war Gottesdienstbesuch
vorgeschrieben, Pflicht und der alte Mann wusste danach wer
gefehlt hatte. Ihn auf 180 zu bringen war leicht, im Klingelbeutel, der
kurz vor Ende des Gottesdienstes am Sonntag rundging, legten wir
Jungs Knöpfe statt fünfzig Pfennig und mischten sie nach unten.
Nach dem ersten Zwangsjahr waren wir ihn los und erst Jahrzehnte
später wurde lesbar, er war da verstorben, wer da zum Eigennutz
Gott gedient hatte. Reich geworden passte und nur leise sprachen
die Alten darüber.
So mit Glück schaffte ich am Ende die Prüfung vor der Gemeinde
und wurde konfirmiert an einem Sonntag wo es Geschenke gab
und die Verwandtschaft sich satt futterte und den alkoholischen
Getränken im Hause den Garaus machte.
Ich hatte den Zwang endlich hinter mir. Das alles Mist war durfte ich
aber nicht sagen.
Zurück ins Jetzt: Also diese Gottesfürchtigen, diese frommen
Belehrten kamen da raus sich unterhaltend wie eine kleine Welle und
zwei Frauen mir frontal entgegen. Ausweichen oder ... ich blieb
stehen, harrte dem was nun kommt.
Beide unterhielten sich, sahen aus wie Mutter und Tochter. Da sie
vertieft so eine Art Rammhaltung hatten blieb mir nur der Rand des
Bürgersteiges übrig. Sie bemerkten mein ängstliches Zurückweichen.
Stehenbleibend schaute die Ältere mich an. Ich sah zu Boden.
"Bist du es?". Sie nannte meinen Spitznamen aus der Jugendzeit.
Mir blieb nur ein Nicken, das Wort ja im Hals stecken. Kirche und Heidi R., langsam kam wieder meine Erinnerung nach all den Jahren.
Small Talk auf dem Bürgersteig, sie redete, erwähnte ihre Tochter
neben sich und ich meinen Freidenker-Status heute.
Fragte man mich, ob ich schon mit dem Amtsgericht zu tun gehabt
hätte, so konnte ich sagen ja beim wenige Jahre späteren Kirchenaustritt.

Da gab es heftigen Knatsch in der Familie über Monate, ich habe es überlebt, wie man sehen kann, musste allerdings das Hotel Mama verlassen.

Bis dahin konnte ich Heidi offen in die Augen sehen. Wie gesagt bis
dahin, denn nun kam diese Geschichte mit dem Schlüpfer von ihr.
"Marion, er war es mit meinem Schlüpfer. Bis fast an die Knöchel
runtergezogen hat er ihn im Konfirmanden-Unterricht als ich stehend
neben ihm ein Kirchenlied aufsagte, Pastor T. etwas an die Tafel
schrieb".
Da war es raus. Ich erledigt, blamiert mal wieder nach vielen Jahren
und ihre Tochter Marion schaute mich an. Erst ernst und dann lachte
sie los. "Meine Mutter hat diese Geschichte gerne erzählt, auch
was wirklich war und danach noch passiert ist".
Was genau hatte ich vergessen. Ein Mann in meinem Alter sollte
lieber schweigen. Einige nette Worte zum Abschied und dann ging
ich weiter. Ich hörte beide noch Lachen.
---------------------
Wir sollten…Dieser Vorfall vor der Kirche ließ mir keine Ruhe. Heidi
hatte früh geheiratet, war weggezogen. Jetzt wohnte sie wieder in
der Kleinstadt. Jugendsünden, es war eine verrückte Zeit. Schon der
Gedanke an die getrennten Martinsumzüge. Katholiken und
Evangelische gingen getrennt und am Ende brannte die
selbstgebastelten Papierlaternen dank der Kerzen im Inneren. So ein
richtiger Stoß reichte aus sie zu entflammen. Zuerst jubelte die eine
Seite dann als Gegenreaktion die andere.
Vereint im christlichen Glauben war sichtbar dabei nicht möglich.

Ich traf mich danach noch einmal mit Heidi, wollte endlich die Wahrheit erfahren.
Meine genaue Erinnerung an diesen Vorfall war verblasst.
Sie wusste es noch und wie es wirklich war. Damals trugen die
Mädchen Röcke, Heidi gerne kurze. Nun gestand sie mir ihr
Gummiband war gerissen, der Schlüpfer haltlos geworden und
gerutscht nach unten.
"Du hast danach gegriffen und es sah aus als, wenn du..." sie lachte
und fuhr fort: " aus Scham habe ich dich als Täter angeschwärzt und
es tut mir heute noch leid was dann passierte".
Meine Frage: "Was genau und warum hast du damals nicht die
Wahrheit gesagt?"
"Tut mir echt leid bis heute, aber es war eine andere Zeit. Lass
es uns vergessen".
Ich konnte nicht vergessen, was damals in den zwei Jahren passierte
durch diese aufgeblasenen Pastoren.
"Heidi du wirst wissen was alles rauskam bei den Pfaffen mit ihrem Fremdgehen und dem Alkohol etwas mehr als normal.
Angetrunken auf der Kanzel stehen und Moral predigen,
selbst aber sündig leben. Selbst Ehen haben sie so zerstört".

Mit dem heutigen Wissen, was in kirchlichen Kinderheimen alles an
Grausamkeiten und Missbrauch geschah, habe ich meinen Austritt nie
bereut denen meinen Rücken zu kehren. Heute wird
viel aufgedeckt, laut verjährt gerufen oder sich nur entschuldigt von
der Kanzel im Gottesdienst.
Beten hat noch nie einen Menschen satt gemacht... es ist wie ein
Strohhalm, leicht brennbar so wie sie einst ihre Scheiterhaufen
angezündet haben, um sich am Eigentum ihrer Opfer zu bereichern.
Die Zeiten haben sich geändert und das ist gut so. Die wahren Teufel
werden heute namentlich genannt.

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