geschrieben 1989 von Rautus Norvegicus (Rautus Norvegicus).
Veröffentlicht: 28.06.2025. Rubrik: Spannung
Mutterliebe
Sie zwang sich zur Ruhe und zündete sich eine Zigarette an. Nachdem sie diese aufgeraucht hatte, lag die Idee fest in ihrem Hinterkopf, wie sie die ungeliebte Rivalin los werden könnte!
Zwar machten ihr Skrupel zu schaffen bei dem Gedanken an das, was sie zu tun gedachte, doch die unendlich große Liebe einer Mutter zu ihrem Kinde behielt die Oberhand! Zufrieden mit sich und ihrem Plan aß sie zu Abend und begab sich dann ins Bett. Am nächsten Tag stand sie zeitig auf und machte sich daran, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Als Erstes musste sie dazu mit der Straßenbahn in die Stadt fahren, um zu ihrer Sparkasse zu gelangen. Die Schalterhalle war noch recht leer und sie kam sofort an die Reihe. „Guten Tag, Frau Weiß, was kann ich für sie tun?“ Der junge Mann am Schalter lächelte sie diensteifrig an.
„Tag, Herr Klerk,“ erwiderte Emilie Weiß knapp und reichte ihm einen Barscheck über 2.000 DM, der ihr anstandslos ausgezahlt wurde. Mit dem Geld in der Tasche suchte sie einen ehemaligen Arbeitskollegen ihres Ehegattens auf. Er war Sprengmeister in der Kupfermine und ihr ein guter Freund gewesen, als ihr Mann dort vor vier Jahren bei einem Sprengunfall ums Leben gekommen war.
Nach kurzem Zögern händigte er ihr zwei Kilogramm Dynamit aus, das stangenförmig in vier Einheiten zu je fünfhundert Gramm gepresst war. Sie hatte ihm dafür zweitausend Mark übergeben, womit er sich seine schmale Rente aufbessern konnte.
Es war mittlerweile später Nachmittag geworden und Emilie fühlte sich müde und abgespannt. Aber sie hatte damit angefangen, ihren Plan auszuführen und musste ihn jetzt auch zu Ende bringen. Sie hatte ihrer Meinung nach sowieso schon viel zu viel ihrer kostbaren Zeit für die geopfert, die
versuchte, ihr ihren Sohn immer mehr zu entfremden!
Emilie fuhr mit der Linie einhundertfünfzehn bis zur Haltestelle 'Porscheplatz' , die unweit der Wohnung ihres Sohnes entfernt lag. In der Imbiss-Stube gegenüber der Wohnung aß sie eine Kleinigkeit, um sich zu stärken. Als es draußen vollends dunkel geworden war, ging sie hinüber. Sie stand vor der Haustür, die Jutetasche, in der das Dynamit verstaut war, hatte sie neben sich abgestellt.
Plötzlich hielt ein Auto direkt vor dem Haus! Schnell stieß Emilie die Tür auf und huschte in den kühlen Hausflur, nachdem sie ihr tödliches Mitbringsel wieder aufgenommen hatte. Mit klopfendem Herzen huschte sie zu der breiten Treppe und stieg diese bis zum zweiten Stockwerk empor. Ihr Sohn hatte ihr damals, als er hierher umzog, einen Zweitschlüssel gegeben, damit sie während seiner Abwesenheit die Blumen gießen und die Hamster füttern konnte.
"Warum, um alles in der Welt, wolltest du mich in die Lugt jagen, Mutter?“ Gerhard Weiß ging aufgeregt in seinem Wohnzimmer auf und ab. Er war gerade von der Arbeit nach Hause gekommen und hatte seine Mutter dabei überrascht, als sie die Sprengladung in seinem kleinen Badezimmer, in
dem auch eine große Waschmaschine stand, die den Raum fast völlig ausfüllte, legte.
„Das darf doch wohl wirklich nicht wahr sein, was habe ich dir denn getan, dass du mich so sehr hasst?“ Emilie hockte zitternd auf dem Sofa und rang nach Luft. „Aber Gerhard, lieber Gerhard, so höre doch, ich wollte doch nicht, dass dir etwas passiert. Aber ich hatte Angst, jetzt, seit dem sie da ist,
brauchst du doch gar nicht mehr zu mir zu kommen! Deshalb wollte ich sie... ich sie... ,“ heulend brach sie den Satz ab.
Gerhard schaute seine Mutter lange an, dann war er sich sicher, was sie meinte. Er hatte sie nämlich immer dann besucht, wenn er Wäsche zu waschen gehabt hatte.
Jetzt könnte er sich nicht mehr beherrschen und das Lachen brach aus ihm heraus. Seine Mutter hatte davor Furcht, dass er ihr seine Wäsche nicht mehr zum reinigen brachte, denn er hatte sich in der vergangenen Woche eine Waschmaschine gekauft, die sie heute … sprengen wollte!
Ende

