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Diese Geschichte ist auch als .pdf Dokument verfügbar.
geschrieben 2019 von Volker Spehr (Volker Spehr).
Veröffentlicht: 10.11.2021. Rubrik: Persönliches


Nur wir Zwei …

Alles gut ?
Na klar. Alles gut. Warum sollte es Grund geben zu jammern.
Wir haben ein Dach über dem Kopf, der Kühlschrank ist gefüllt. Wir haben uns.
Gesundheitlich ist’s auch soweit ok, was ja die Hauptsache ist.
Gesundheit ist schließlich das größte Gut. Was deutlich zu spüren ist, wenn es mal zwickt und es im Gebälk mehr oder weniger knirscht und knackt. Was in letzter Zeit naturbedingt immer häufiger geschieht.
Wir haben unsere Kinder. Jeder hat das, die seinigen. Aber in Summe sind es unsere Kinder.
Und unsere Kids haben inzwischen kleine Zwergen die uns Oma und Opa nennen. Was auch schön ist und irgendwie mit stillen Stolz erfüllt. Auch wenn man zur Erlangung dieses Titels eigentlich überhaupt nichts beigesteuert hat.
Leider sind unsere Kids etwas weiträumig im Bundesland verteilt. Ist aber auch ok, so ist die Freude bei einem Wiedersehen umso größer.

Mehr als fünfzehn Jahre kennen wir uns nun bereits. Die graue Maus und der arrogante Schnösel. Es war nicht Liebe auf den ersten Blick, aber was sich da zwischen uns entwickelt hat ist stark und gefühlvoll.
Aber anfänglich? In höflicher Ignorierung des Anderen sind wir miteinander umgegangen. Bis zu dem Zeitpunkt, als sich bei handwerklichen Tätigkeiten unsere Finger für einen kurzen Moment berührten.... Nicht ahnend was sich daraus ergeben wird... Und so sind wir zehn Jahre fest zusammen und fünf Jahre davon miteinander verheiratet.
Also, wie bereits erwähnt: Wirklich alles gut.

Tick, tick, tick ...
Einzig was etwas wehmütig stimmt, ist die Tatsache, dass wir beide schon weit, sehr weit über knackige Zwanzig waren, als wir uns lieben lernten. Zieht man die Statistik zu Rate, die über das Durchschnittsalter Auskunft gibt, so ist die verbleibende Zeit wahrlich nicht üppig. Wenn man sich einmal die Mühe macht und sich ein Schneider-Maßband auf die statistisch zu erwartende Lebenszeit zurechtschneidet und dann um die bereits erlebten Jahre kürzt, ist der Schnipsel der übrig bleibt wahrlich sehr kurz.
Umso bewusster sollte es sein, jeder Sekunde intensiv zu genießen und zu verbringen.
Da das Schicksal uns erst so spät, aber nicht zu spät, zusammenführte drängt sich ein Gedankenspiel auf.

Was wäre wenn ? ...
Ja, was wäre, wenn wir uns später, in einer anderen, einer parallelen oder wer-weiß-was für eine Welt wieder begegnen?
Ja, stell dir vor, es gibt es wirklich: ein Leben nach diesem Leben. Komm, lass uns auf eine Reise der besonderen Art gehen.
Also erst einmal vorab: In diesem anderen Leben sind wir beide kerngesund!
Das soll heißen, dass wir sämtliche Kinderkrankheiten, ohne dass diese Spuren hinterlassen haben, erfolgreich überstanden. Außer einem permanent eingewachsenen Fußnagel bei dir und einer leichten Fehlstellung des rechten Schneidezahnes bei mir, sind uns, dem Herrn sei Dank, sonstige Miseren und Erkrankungen erspart geblieben.
Wir sind fit, wir treiben Sport und entsprechend sind unsere Körper durchtrainiert. Ich bin mit 1,94 m von hoher Körperstatur und somit endlich größer als du mit Deinen 1,81 m. Ich könnte dich in den Arm nehmen, dich an mich drücken und du kannst deinen Kopf an meine Brust lehnen. Ja, glaube mir.

Das könntest du machen, wenn wir uns dann mal kennenlernen würden.
Noch etwas: Ich wäre nicht nur höher als Du...
Ich wäre auch älter als du. Ok, das bin ich jetzt auch schon. Aber in dieser Ausführung sind es nur zwei Jahre. Ich bin 28, du bist also 26 Jahre jung.
Dass die wirtschaftliche Situation sehr zufriedenstellend ist, muss ich nicht
erwähnen. Schließlich bist du als frisch akkreditierte Innenarchitektin, trotz deiner jungen Jahre, schon sehr erfolgreich.
Was nicht nur an deiner außergewöhnlichen Kreativität in deinem Beruf, sondern auch an der Umsetzung deiner Ideen liegt. Du gehst sehr überzeugend auf deine Klientel zu und diese bestätigen immer wieder wie atemberaubend schön deine Innengestaltungen werden. Die veröffentlichten Artikel über deine Arbeiten in „Schöner Wohnen“ und „Elle“ sprechen für sich. So kannst du dich über mangelnde Aufträge nicht beklagen. Es läuft.

Eine Schlussfolgerung aus meinem hiesigen Dasein ist die Tatsache, dass ich als freischaffender Fotograf tätig bin. Meine Schwerpunkte sind Portraits, Architekturaufnahmen und ganz speziell: Mikroaufnahmen im Nanometerbereich.
Meine Auftraggeber sind ausschließlich Universitäten und große Agenturen. Aufträge kann ich mir herauspicken, da meine Kunden wortwörtlich „Schlange“ stehen. Somit bin ich europaweit viel unterwegs. Lediglich Portraits mache ich in meinen eigenen Studios in Berlin, Stuttgart oder in Wolfratshausen. Letzteren Standort habe ich gewählt, da meine Kunden schnell von München aus anreisen können und ich wiederum schnell meinen Zweitwohnsitz in Garmisch-Partenkirchen erreichen kann.

Hörner abstoßen
Wir haben auch soweit wirklich jeder für sich alles ausprobiert was man in seiner Teenagerzeit ausprobieren kann und sollte.
Rauchen? Na klar! Und es war nicht immer Nikotin welches die Lungenflügel erreicht hat. So mancher Joint trug einen in den Himmel .... Das Nachlassen der Wirkung ließ einen aber auch wieder zu Boden stürzen. Was manchmal schmerzlich war. Härtere Drogen brachten noch tiefere Abstürze.
Das war auch der Grund, warum wir nicht dabeigeblieben sind. Irgendwann sagten wir uns: muss man nicht haben.
Alkohol? Logisch! Auch alles ausprobiert. Bier, Liköre, Weine, Schnäpse, Hochprozentigeres. Einfach alles und oft bunt gemixt. Manches ist bekommen, vieles nicht. Bekannterweise macht die Menge, dass aus dem Ding kein Gift wird. Nach etlichen Trinkgelagen, allein und in Gesellschaft, hat nun jeder seinen Favoriten herausgefunden und diese werden von Zeit zu Zeit in Maßen genossen.

Sex? Aber so was von sicher! Hier hat auch jeder alles ausprobiert. Mann, Frau, Frau, Mann. Jung, mittelalt, reif. Blond, braun, rot (!), schwarz. In wohlwollender Dosierung auch sadomasochistisches. Gevögelt wurde in Reizwäsche, gevögelt ohne Reizwäsche. Fetische ausgelebt. Einfach alles probiert. Einiges hat die erhofften Freuden gebracht und einiges teilweise sogar übertroffen. Aber es war nur Sex. Keine Liebe.
Schlussfolgernd ist zu bemerken, dass wir uns ausgetobt, richtig ausgetobt haben. Sämtlich Exzesse durchlebt, sämtlich Hörner abgestoßen. Sämtliche Erfahrung, gute wie schlechte, gesammelt.
Aber Liebe? Auf die Liebe warten wir weiter.

Unsere Begegnung
Es war wieder so ein nerviger Arbeitstag. Wobei der Stress nicht einmal an der eigentlichen Arbeit lag, sondern eher an der Rückfahrt. Nach einem Auftrag an der Universität in Würzburg war auf der Autobahn die Hölle los. Ich mag meinen alten Citroën DS wirklich. Aber an einem heißen Sommertag auf der Autobahn im Stau, da vermisst man Komfort, wie eine funktionierende Klimaanlage schon. Mein DS ist einer der letzten aus dem Baujahr 1975 und ich finde niemanden der mir die Anlage reparieren kann. Also ist schwitzen angesagt und obwohl ich mich sehr auf meine Dusche freute, musste ich noch schnell einkaufen.
Da ich als Single über meinen Warenbestand zu Hause zwangsweise informiert sein muss, wusste ich, dass ich unbedingt Kaffee und Brot besorgen muss. Kaffee ist für mich eine Grundvoraussetzung um zufrieden in einen neuen Tag zu gleiten. Und ich meine dabei wirklichen Kaffee. Zum Brühen. Nicht eines von diesen schrill-bunten Plastikbomben die durch eine Hightech-Anlage gepresst irgendwelche Motive auf die Oberfläche einer lauwarmen Brühe zaubert.


Also schnell bei Rewe vorfahren und ein Pfund der kostbaren Bohnen holen. Das klingt einfach, ist es sonst auch. Aber nicht an diesem Tag, der alles verändern sollte. Nur wussten wir beide das noch nicht.
So suchte ich geschwind meinen Kaffee und eilte zur Kasse, wohlwissend das mein Citroën DS sehr unglücklich halb schräg auf einem Blumenbeet stand und dabei noch einen kirschroten Mercedes SLK zuparkte.
Von Weitem fiel mir schon auf, dass nur eines der Leuchttafel über den Kassen das grüne Symbol „Geöffnet“ anzeigte.
Halbwegs zufrieden stellte ich fest, dass die Warteschlange vor mir kurz war. Müsste fix gehen, dachte ich mir. So begutachtete ich den Inhalt der Einkaufswagen um die ungefähre Wartezeit abzuschätzen. Ein älterer Mann mit wenig Inhalt und eine junge, sehr attraktive Frau mit einem wahrlich voll beladenen Wagen.
Meine Gedanken als ich sie sah: Ist das eine Hübsche. Mit was für einer betörenden Ausstrahlung. Als sie mich kurz ansah musste ich irritiert wegsehen, da ich befürchtete sie könne meine Gedanken lesen.

Ihr Blick traf mich so tief, dass ich mich zwang konzentriert auf den Inhalt ihres Wagens zu sehen.
Sehr viel frisches Obst und Salate, Feinkost, Eier, Milch, Toilettenartikel, zwei 6er-Träger Volvic. Alles was so benötigt wird. Auch Babynahrung, Puder, Windeln.... und leider auch Rasierwasser, Bierdosen und die aktuelle „Kicker“. Wie schade - für mich. Sie ist offensichtlich nicht alleinstehend. Sie kaufte für ihre Familie ein. Ein Gefühl von Enttäuschung kam bei mir auf. Ein Gefühl dieser Art bei einer völlig fremden Frau? Habe ich noch nie gehabt. Und unsere Blicke trafen sich erneut. Jetzt bloß nichts anmerken lassen. Mein Blick ging schnell wieder zu dem alten Herrn, der seinen Bezahlvorgang hatte. 19,84 Euro? Moment, das habe ich passend.
Dann kramte er umständlich in seinem Portmonee, öffnete sie noch umständlicher, fand mit seinen klobigen, leicht mit Arthritis versehenden Händen nicht die passenden Münzen und schüttete alles auf den Tresen um gemeinsam mit der Kassiererin festzustellen, dass vier Cent fehlten. Also alles wieder einsammeln, Portmonee wegpacken, aus der Gesäßtasche noch umständlicher die Brieftasche heraus kramen um letztendlich doch mit Karte zu bezahlen.

Sammeln Sie Payback, habe Sie eine Karte? Ja! Moment, die ist im Portmonee... Normalerweise bringen mich solche Momente leicht aus der Ruhe. Doch hier nutzte ich die Gelegenheit die junge Frau erneut unauffällig zu mustern. Herrlich. Was ich sah gefiel mir. Immer wenn die gegenüberliegende Tür sich automatisch öffnete, wehte ein Luftzug etwas von ihrem zarten Parfum direkt zu mir. Ich war wie im Trance. An ihrem Hals trug sie ein Kettchen mit einem kleinen goldenen Steinbock. Als ich darauf blickte bemerkte sie es und interpretierte meine Blickrichtung offensichtlich falsch, denn sie fragte mich leicht verärgert ob ich vielleicht vor ihr an die Kasse wolle. Verdattert nahm ich das Angebot an, ging an ihr vorbei und legte meinen Kaffee auf
das Warenlaufband. Als ich den Trenner auf das Band lag, bedankte ich mich wie ein kleiner Junge bei ihr, was sie jetzt mit einem freundlichen Lächeln erwiderte. Einem Lächeln, was mich schweben ließ.


7 Euro 99!!! Die schrille Stimme der Kassiererin holte mich brutal von meiner Wolke. Ich war zurück, zahlte und musste mich mit einem freundlichen Kopfnicken von der unbekannten Frau, die sicher bald wieder von ihrem Mann in den Arm genommen wird, trennen.
Benommen von diesem kurzen Gefühl der Zuneigung zwang ich mich wieder realistisch zu denken. Fiel mir nicht leicht. Ich war ......ich war für einen Moment tatsächlich verliebt.
Beim gegenüberliegenden Bäcker besorgte ich mir ein „Opa-Wilhelm“-Brot. Während ich dort allerdings lange warten musste, hing mein Blick wie fixiert auf der Tür von Rewe. SIE musste doch bald rauskommen. Ich wollte zumindest noch einen Blick auf sie erhaschen. Und tatsächlich, nach gefühlten Stunden öffnete sich die Tür und aufrecht und stolz schob sie ihren Einkaufswagen in Richtung Parkplatz, der um die Ecke lag. So verlor ich sie endgültig aus dem Blickfeld.
Mit meinem Kaffee und dem Brot beeilte ich mich zu meinem Wagen zu kommen, schließlich hatte ich einen anderen zugeparkt und wollte, nach dem Stress auf der Autobahn, weiteren Ärger vermeiden.


Als ich auf meinen DS zuging war ich freudig überrascht die junge Frau erneut zu sehen. Sie war dabei ihre Sachen im Kofferraum zu verstauen. Und das in dem Wagen den ich seitlich so gekonnt zugeparkt habe. Ein Umstand, den sie wohl noch nicht bemerkt hatte.
Das ein SLK schick ist, steht außer Frage. Jedoch ist die Größe des Kofferraums doch sehr überschaubar und so musste sie sich bemühen die Wasserflaschen irgendwie einzuladen. Diese Gelegenheit wollte ich einfach nutzen sie anzusprechen um meine Hilfe anzubieten. Sie blickte mich etwas erschrocken an, aber sogleich huschte wieder ein Lächeln über ihr Gesicht und sie nahm dankbar nickend meine Bereitschaft zur Hilfe an. Die ersten Worte, die ich dann von ihr hörte waren: „Als Familienkutsche, völlig ungeeignet!“ Ich war erstaunt das zu hören. Tatsächlich stellte ich mir die Frage, warum eine Frau mit Familie, in einem Sportwagen zum Großeinkauf fährt. Sie sah meinen fragenden Blick und fühlte sich wohl dazu erwogen eine kurze Erklärung zu geben. Was ich dann erfuhr, ließ mich umgehend freudig und hoffnungsvoll werden.

Der Grund, des Einkaufes, lag also daran, dass sie im Auftrag ihrer Freundin unterwegs war. Diese hatte sich am Morgen den Fuß verletzt und
konnte das Haus nicht verlassen. Da ihr Baby allerdings dringend Nahrung, sie Zusätzliches für den Haushalt benötigte und sie ihren Mann erst gegen späten Abend zurückerwartete, bat sie meine unbekannte Schöne um Hilfe.
So also entwickelte sich unser erstes Gespräch....

Und weiter ?
Zum Abschluss unserer gemeinsamen Bemühungen den Inhalt des Einkaufswagens raumfüllend im Kofferraum zu verstauen, verabredeten wir uns auf einen Kaffee zum kommenden Wochenende.
Diesem gemeinsamen Besuch im Café folgten Spaziergänge, die in immer kürzer werdenden Abständen erfolgten. Dass die Strecken dabei auch immer ausgedehnter und weitläufiger wurden störte uns beide nicht. Wir waren gut zu Fuß und hatten viel zu erzählen. So lernten wir uns auf diese Weise kennen. Es war eine schöne Zeit, unsere Zeit des Kennenlernens. Vergleichbar schön, wie die Zeit, als wir beide uns im jetzigen Leben kennengelernt hatten.
Viele Gemeinsamkeiten entdeckten wir, die es galt zusammen zu tun. Ob es sich dabei um surfen und schwimmen handelte oder das wandern und das biken. Wir beide fingen an es gemeinsam zu tun und mit viel Freude zu genießen.
So war es auch lediglich eine Frage der Zeit, bis wir uns entschlossen zusammenzuziehen. Am Stadtrand kauften wir uns eine Eigentumswohnung die Du einmal selbst entworfen hattest.

Und ich muss sagen, dass Deine Architektur meinem Empfinden nach „Wohlfühlen“ mehr als entsprach. Ich fühlte mich wohl in der Wohnung.
Da wir beide bereits beruflich erfolgreich waren, mussten wir keine Karriereleitern mehr emporsteigen, waren unabhängig und wir hatten entsprechend Zeit für unser gemeinsames Leben. So fiel die Entscheidung für Kinder sehr leicht. Und so konnten wir kurz vor Deinem 28. Geburtstag unseren Sohn glücklich im Arm halten. Seine kleine Schwester folgte zwei Jahre später. Unsere Familie war komplett.
Es war schön, unsere Eltern, so voller Stolz zu sehen, wenn sie mit „ihren“ Enkelkinder im Freundeskreis etwas angaben. Eigentlich genau das, was wir jetzt auch mit unseren Enkeln machen.
Unsere weitere Planung bestand darin, die 95m2 große Eigentumswohnung in ein Häuschen zu tauschen. Hier bot es sich an, Deine Fähigkeiten der Architektur zu nutzen um gemeinsam unser Haus zu entwerfen. Viele Abende, oft bis spät in die Nacht, saßen wir am iMac und brachten im CAD unsere Ideen ein.

Die Stunden vergingen immer im Flug, da unsere gemeinsamen Neigungen zu endlosen Blödeleien uns die Arbeit oft länger machten als nötig. Aber es machte sehr viel Spaß. So wie wir auch jetzt oft einfach nur blödeln. Voohl !
Unser Entwurf nahm immer mehr Form an, die Umsetzung folgte und so konnten wir nach einigen Monaten Entwurf und Bau endlich unser eigenes Haus beziehen.
Bei der Planung haben wir manchmal heftig über die Dachform diskutiert. Gern hätte ich ein Satteldach, aber das entsprach nicht Deinen Vorstellungen. Ich war ehrlich gesagt etwas skeptisch gegenüber Deinem Wusch nach einem Krüppelwalmdach. Aber jetzt, wo unser Häuschen fertig vor uns steht, muss ich eingestehen, dass Du recht hattest. Es sieht herrlich aus und passt ausgezeichnet in die Landschaft.
Hanglage mit Ausblick auf einen wundervollen See. Von unserer weitläufigen Terrasse geht der Blick auf diesen nahegelegenen See. Dieser ist auf der gegenüberliegenden Seite von Tannen umrahmt die in einen lichten Tannenwald übergehen.

Es ist unbeschreiblich, wenn morgens der Duft dieser Hölzer in unser Haus weht. Neben dem See sind Wiesen die sich bis zum Horizont erstrecken. In der Ferne sieht man die Kirchturmspitze eines kleinen Dorfes und wenn der Wind aus Westen kommt, dann können wir auch das Geläut der Glocken hören. Ansonsten nur die Stille und Ruhe der Natur.
Und das schöne: Das Gebiet darf nicht bebaut werden. Dort leben Tiere die auf der roten Liste stehen. Diese sind vor dem Aussterben bedroht und können nicht umgesiedelt werden. So verdanken wir dem Fischotter, dem Weißstorch und dem Wiedehopf, dass die Aussicht so bleibt wie sie ist. Auf der einen Seite freier Blick Richtung Sonnenaufgang auf der anderen Seite Richtung Sonnenuntergang.
Was will man mehr?
Unsere Eltern, die alle Vier trotz ihrem Alter fit und aktiv sind, verstehen sich äußerst gut und liegen alle auf derselben Wellenlänge. Sie fahren sogar ab und zu gemeinsam in den Urlaub.
Unseren Urlaub verbringen wir beide lieber mit unseren Kindern. Allerdings fliegen wir nicht in entfernte Länder.

Nein, wir ziehen es vor mit unserem Wohnmobil Deutschland und seine Nachbarländer kennenzulernen.
Mich hätte es stutzig machen sollen, dass Du unbedingt diesen riesigen 3-Achser „Adria Sonic Supreme 810 SC“ haben wolltest. Ein Schlachtschiff unter den Wohnmobilen. Allerdings ahne ich jetzt auch warum: da nur ich einen Führerschein dieser Klasse besitze, „darf“ auch ich nur das Teil fahren. Und Du weigerst Dich vehement den Ergänzungsschein B96 dafür zu machen. Schlau, mein Schatz. Aber das macht nichts, mir macht das Fahren Spaß. Und es ist Belohnung abends am Wohn-Mobil zu sitzen, den Tisch gedeckt zu haben und die Kinder beim Spielen zu beobachten. Wenn diese dann müde – was aber dauern kann – irgendwann in ihren Betten liegen ist es schön mit Dir an meiner Seite ein Gläschen Wein zu genießen und einfach nur in die Sterne zu blicken.
Leider ist die Zeit nicht anzuhalten und so vergehen schöne Momente viel zu schnell. Auch unsere Kinder sind irgendwann einmal ihre Wege gegangen.

Es galt natürlich die normalen Schwierigkeiten zu bewältigen wie Zahnspangen, Schulnoten (die besser sein konnten), Liebeskummer (vor allem bei der Kleinen), Motorradunfall beim Großen (Gott-sei-Dank ohne bleibende Schäden), Ärger an der Uni, usw. Also alles normal.
Beide sind ebenfalls erfolgreich, gesund und haben einen Partner an der Seite. Der Große hat ebenso einen Mann fürs Leben gefunden wie die Kleine. Und beide haben uns auch zu Großeltern gemacht. Der Große hat einen Jungen adoptiert, die Kleine hat ein Mädchen bekommen und so erfreuen wir uns an unserem Nachwuchs.... Von Zeit zu Zeit. Denn die Kleine wohnt in Hamburg und der Große lebt in München.
So dreht sich das Rad weiter und weiter. Es geht alles voran und wiederholt sich. Nur in etwas abgeänderter Form.
Wenn wir dann älter sind, dann werden wir zurückblicken auf ein gemeinsames schönes Leben. Unser Haus ist vollgestellt mit Erinnerungen aus den vergangenen Jahrzehnten.

Da steht eine kleine Flasche mit Sand aus Großenbrode... dort steht ein Tannenzapfen vom Barfußweg in Mittenwald ... da eine kleine Ampulle mit Wasser aus der Isarquelle... in diesem Buch eine gepresste Blume vom Spaziergang aus den Garmischer Bergen... hier: ein Glas mit Muscheln aus Sellin auf Rügen... und die Schachtel mit der einen Muschel vom Bodensee... um nur ein paar der vielen Sachen zu benennen.
Natürlich fehlen auch nicht die ersten Schühchen unsere Kinder, von denen wir uns einfach nicht trennen konnten. Ganz abgesehen von den vielen tausend Fotos die sich da angesammelt haben und unsere digitalen Fotobücher füllen.
Etliche Bilder hängen in ausgedruckter Form an den Wänden und erinnern uns an vergangene schöne Momente. Momente die etwas Besonderes in unserem Leben bedeuteten.
Ohne allerdings zu vergessen, dass es noch mehr Momente gab und gibt, die ebenso schön und erlebenswert sind. Momente, Erinnerungen die man nicht „ausdrucken“ oder hinstellen kann, weil sie nämlich einfach das Leben sind...

Wieder zurück
Und das, mein Schatz, gilt es bewusst und mit allen Sinnen zu erleben, zu genießen und manchmal auch einfach nur zu überstehen. Bekannterweise läuft ja nicht immer alles so rund, wie oben beschrieben.
Aber wenn da jemand an der Seite steht um gemeinsam Untiefen zu überwinden, dann fällt vieles leichter.
Das, meine liebe Angelika, ist es, was es mir lebenswert macht. Nicht nur in dieser fiktiven Vorstellung.
In unserem hier und jetzt, genieße ich die Zeit mit Dir.
In diesem Jahr sind wir zehn Jahre zusammen. Ich sage nur: Ü-30. Herrlich, Deine Anmache. Warum hast Du damit eigentlich so lange gewartet?
Und nun sind wir fünf Jahre verheiratet.
Keinen Tag gab es, den ich in irgendeiner Weise in dieser Zeit bereut habe. Nicht einen.
Es tut so gut zu wissen, dass da immer jemand da ist. Es ist beeindruckend wie wir beide sooft die gleichen Gedanken haben ohne sie auszusprechen.

Wir können uns ohne Worte abstimmen – ein kurzer Blick in die Augen und wir wissen Bescheid. Es ist schön, zur Seite zu greifen und Deine Hand berühren zu können. Auch nach „so“ langer Zeit ist das immer noch etwas Besonderes. Denn es ist nicht selbstverständlich.
Mein Schatz, ich wünsche mir, dass es zwischen uns beiden so bleibt wie es ist. In Liebe.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Winterrose am 13.11.2021:

War anfangs irritiert, dass ein paar, das erst 10 Jahre zusammen ist, bereits Enkelkinder haben kann, hatte aber wohl den Teil überlesen, als erklärt wird, dass es sich um eine fiktive Geschichte handelt. :) Nette Geschichte, vielleicht würde ihr noch etwas Struktur gut tun (man kann in diesem Portal auch z.B. fett gedruckte Buchstaben für Unterüberschriften nutzen).




geschrieben von Winterrose am 13.11.2021:

Ui, habe das einzige Wort, das die Großschreibung dringend benötigt, klein geschrieben: natürlich meinte ich 'Paar'. :D

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