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geschrieben 2025 von GooR (Goor).
Veröffentlicht: 11.12.2025. Rubrik: Fantastisches


Die Unbesiegbaren

~ Prolog ~


Der Anfang vom Ende

Sar Tashkan Darh starrte mit bedrückter Miene auf das riesige Portal, dessen vier Halbbögen sogar die Höhe des Berges überragten, in dem er sich befand. Er schloss die Augen und wischte sich erneut die Schweissperlen von der Stirn. Fast sein halbes Leben hatte er für diesem Moment geopfert. Die erdrückende Verantwortung war ihm ins Gesicht geschrieben.
Mit wenigen Ausnahmen hatte sich die Menschheit für ein Mal vereint und setzte nun alles auf eine Karte. Sollte er scheitern, würden sie von den herbeigeströmten Kreaturen von Zis mit Sicherheit bis zum letzten Mann ausgelöscht werden. Letztendlich waren zu wenige Ressourcen übrig geblieben, um noch auf eine aussichtsreiche Gegenwehr hoffen zu können.

Endlich kam sein Adjutant im Galopp angeritten. Noch bevor sein schäumender Reittier zum Stehen kam, sprang er zu Boden und verbeugte sich vor seinem Kommandanten.
„Alle sind in Stellung, erhabener Sar.“
Taskan Darh atmete tief ein – es war so weit. Zwar konnte er sie mit blossem Auge nicht erkennen, dennoch nahm er die gedämpften Schreie der über Vierhunderttausend Seelen wahr, die unten im Tal sich um das riesige Portal scharrten.
Immer wieder stellte er sich dieselbe Frage: Würde es ausreichen? Die Energie, die sie benötigten, um dieses verfluchte Ding ein für alle Mal in Stücke zu reissen, war schier unermesslich. Wenn es überhaupt möglich war… schlussendlich war bislang niemand töricht genug gewesen, es zu versuchen.
Jetzt konnte er nur hoffen, dass die Berechnungen der „Alten“ sich als korrekt erwiesen. Für einen zweiten Versuch fehlte es ohnehin an Zeit, an Kräften und vor allem an Opfern.

Bedachtsam nahm er sein goldenen Horn zur Hand und blies zweimal tief hinein. Das Geräusch hallte noch durch das Tal, als hunderte geflügelte Carneole mit ihren riesigen Flügeln langsam emporstiegen. Ihre Reiter waren allesamt Beherrscher der Elemente und Meister der Energiemanipulation. Und davon würden sie in den nächsten Tagen viel benötigen.
Die Schreie intensivierten sich allmählich, während sich unzählige rote Rauchsäulen formten, die schliesslich den Tal in einem unwirklichen dichten Nebel hüllten.

Taskan Darh war vorerst zufrieden, stieg auf sein Reittier und gefolgt von seiner treuen Eskorte begab er sich zurück zu seiner Festung. Endlich, nach so vielen Wochen, würde er etwas mehr Schlaf finden können, hoffte er.

~ ~ ~

Das Kreischen und Gestöhne ging ihm mit jedem vergangenen Tag ein wenig mehr unter die Haut, so sehr er auch versuchte es zu leugnen. Das ständige rhythmische tiefe Ton der Trommeln, die kürzlich eingeführt wurden um die Schreie zu übertönen, trugen auch ihres dazu bei. Immer wieder redete er sich dabei ein, dass es sich hier lediglich um minderwertige Rassen handelten. Kriminelle. Geisteskranke. Krüppel. Fanatiker.

Auch wenn es keineswegs eine angenehme Aufgabe war, die er ihm befohlen hatte, war er überaus stolz auf seinen Vater und zuversichtlich das hier gerade Geschichte geschrieben wurde.
Dardos Darh, Sohn des Erhabenen Sar, senkte seine Pike und stiess aus sicherer Entfernung wiederholt einem der angeketteten Männer in die Rippen. Dieser versuchte gerade verzweifelt, sich mit all seinen Kräfte aus den Fesseln zu befreien und riss dabei alle anderen um ihn herum mit. Doch nicht mehr lange.

Der Prozess des Energie-Transfers war langwierig und unspektakulär. Mal abgesehen von den nervtötenden Schmerzensschreien und dem roten Nebel, der unaufhörlich emporstieg, bis in schwindelerregende Höhen zu den Carneolen und ihren mysteriösen Reitern. Er verstand nicht genau, was sie dort oben taten, nur, dass dank ihrer Fähigkeiten die Bögen, welche die fast unsichtbare Schutzschicht des Portals trugen, seit Tagen weissglühend schimmerten und eine unbeschreibliche Hitze ausstrahlten.
So muss sich die Arena von Azzoran anfühlen, die auf einem Vulkan errichtet wurde, dachte er, während er sich die schweissnassen Hände an den Hosen abwischte.
Dardos Darh fluchte leise. Wieder einmal tanzte jemand aus der Reihe und glaubte, er könne fliehen –der Narr! Diesmal wollte er nicht zu tief einstechen, denn letztendlich waren sie nur lebendig von Nutzen.
Dabei ertappte er sich wieder einmal, wie sein Blick nach seiner jüngsten Halbschwester Ausschau hielt. Ein wahrer Sturkopf, die Kleine, die jedem zur Weissglut brachte. Vor allem ihr eigener Vater. Und dennoch hätte er sich gerne von ihr verabschiedet.

Ein dumpfes Geräusch, das wie eine kleine Unterwasserexplosion klang, holte ihn in die Gegenwart zurück. Wieder einmal war ein Energiespender tot. Gegen Ende des Transfers explodierten meist ihre inneren Organe, manchmal sogar beide Augäpfel.
Genervt krempelte er die Ärmel hoch. Diesen Teil seines Aufgabenbereichs hasste er am meisten. Er hoffte einmal mehr, dass die Schutzschicht über seine Haut den Energiesog Stand hielt. Mithilfe seiner Pike trennte er nun die an der langen Kette gebundenen Hände der Leiche und holte anschliessend den leblosen, verstümmelten Körper aus dem dichten Nebel heraus.
Mit einem kurzen Pfiff signalisierte er danach seinen Kameraden, dass ein weiterer ‚Freiwilliger‘ eingesetzt werden konnte, und setzte sich danach erschöpft gegen einen Felsen.

Hin und wieder hegte er Zweifel, ob die Mission erfolgreich sein würde. Doch in solchen Momenten erinnerte er sich gerne an seinen Vater, der hoch oben am Berg über sie wachte. Ihm würde mit Sicherheit etwas einfallen, ermutigte er sich und machte sich wieder an die Arbeit…

~ ~ ~

Mittlerweile war über ein Monat vergangen. Die Träger des Portals glühten zwar in hellem Weiss und rauchten vor überschüssiger Energie, dennoch hielten sie der Tortur weiterhin stoisch stand. Die Schöpfer hatten hervorragende Arbeit geleistet und die Portale aus diesem seltsamen, äusserst widerstandsfähigen Material erschaffen, das musste man ihnen lassen.

Die ‚Alten‘ waren alle um Sar Taskan Darh versammelt, ironischerweise im grossen Festsaal, wo sie einst so oft bis zu später Stunde gegessen, getanzt und gesündigt hatten.
„Wir haben nicht mehr viel Zeit, Erhabener Sar“, unterbrach die wohl Jüngste unter ihnen, eine hochgewachsene, dürre Frau, eine Trionin.
„Wir haben mittlerweile die meisten unserer Reittiere geopfert. Im ganzen Reich ist kaum noch ein ausgewachsenes Exemplar zu finden“, ergänzte sie, während die anderen ihr mit bedrückter Miene nickend zustimmten.
Vierhunderttausend Seelen waren offensichtlich nicht ausreichend gewesen, dank ihrer mangelhaften Berechnungen. Taskan Darh schaute nun jedem von ihnen nacheinander tief in die Augen.
„Wir sind kurz davor. Wir spüren es alle… nicht wahr?“, sagte er, erhielt aber keinerlei Reaktion.

„Die ersten Kreaturen von Zis wurden heute gesichtet, erhabener Sar“, meldete schliesslich ein anderer nach einer bedrückenden Pause, allerdings war es für keinen der Anwesenden wirklich eine Neuigkeit.

„Uns bleiben noch genau zwanzig Tage. Dann wird das Schutzschild aufgehoben. Dann sind wir ihnen ausgeliefert.“
„Wir werden das niemals überleben. Bedenkt, es verbleiben noch hundert Jahre bis zur Öffnung des Ausgangsportals. Und nur wir, die Marea, haben dafür gesorgt, dass überhaupt so etwas wie eine Verteidigungsanlage errichtet wurde“, intervenierte ein überaus elegant gekleideter Mann, in einem Ton, den er sich noch vor ein paar Wochen nicht gewagt hätte.

Taskan Darh warf ihm einen verächtlichen Blick zu. Dieses verdammt hochnäsige Volk hatte sich am wenigsten beteiligt, sich in seinem Reich verkrochen und war nur darauf bedacht, den Rückzug anzutreten.
„Und genau darüber müssen wir uns unterhalten…“, verkündete der Sar und nickte seinem Adjutanten zu. Dieser öffnete wortlos die grossen Doppeltüren. Sogleich stürmte ein halbes Dutzend Soldaten in voller Montur herein und stellte sich um den verdutzten Marea.
„Es ist Zeit, Opfer zu bringen“, erklärte Taskan Darh knapp. Ein Augenblick später wurde, zum Entsetzen aller, der Marea beim Haarschopf schreiend aus dem Saal gezerrt.

„Ich bin zuversichtlich... Wir benötigen kaum weitere hunderttausend Seelen, dann haben wir unser Ziel erreicht. Und wie mir heute Morgen berichtet wurde, sind die Marea äusserst stolz darauf, endlich ihren Beitrag zu unserem Unterfangen leisten zu dürfen“, verkündete er und konnte sich ein Schmunzeln kaum verkneifen.

Im Raum herrschte absolute Stille, nur gelegentlich durch die flehenden Proteste des Verbannten im Nebensaal unterbrochen. Die Alten musterten einander mit resignierten Blicken. Sie hatten diesen Wahnsinnigen, dieses Monster geschaffen, ihn zum Sar gekrönt und ihm über all die Jahre nahezu grenzenlose Macht verliehen.
Nun war es zu spät. Sie waren nur noch Marionetten in seiner Hand…

~ Ende Prolog ~

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