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geschrieben 1995 von Michaela Klein (Froschkönigin).
Veröffentlicht: 31.12.2017. Rubrik: Grusel und Horror


Die Vampirbraut

Anbei eine Horror-Geschichte, die ich bereits in den Neunziger Jahren als Studentin geschrieben, jedoch nie veröffentlicht habe. Sie ist inspiriert von der antik-griechischen Erzählung 'Die Braut von Amphipolis' des Phlegon von Tralleis.

Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Philinnion, Tochter des Demostratos von Amphipolis.
Seit über zweitausend Jahren bin ich etwas, das die Menschen "Wesen der Nacht" oder "Gestalt des Grauens" nennen. Man fürchtet sich vor mir, denn es heißt, ich trachte sowohl nach Liebesgenuss als auch nach Menschenblut, um mich dadurch schön und jung zu erhalten. Vor allem locke ich junge Frauen und Männer, deren Blut noch frisch und rein ist, mit meiner Liebeslust an, um sie auszusaugen. Aber heute kennt niemand mehr die ganze Wahrheit über mich. Ich war ja nicht immer so wie jetzt:

Im vierten Jahrhundert vor eurer Zeitrechnung lebte ich mit meinen Eltern Charito und Demostratos und meinen jüngeren Geschwistern Sophia und Rasmus in Amphipolis.
Es war gerade zu der Zeit, als der Macedonierkönig Phillip II. seinen Einfluss auf Thessalien ausübte und die Macedonier allmählich die Führungsrolle in der griechischen Welt übernahmen.
Meine Familie gehörte derzeit noch dem Mittelstand an. Wir wohnten in einem Holzhaus mit Innenhof und hielten, wie viele Bürger, Hühner und Ziegen. In unserem Innenhof stand ein Brunnen, aus dem wir unser Wasser schöpften. An heißen Tagen war dieser oft ausgetrocknet, dann mussten wir unser Wasser mühsam von Flüssen außerhalb der Stadt heranschleppen. Wenn das Klima abkühlte, hielten wir uns gerne auf unserem terrassenförmig angelegten Dach auf. Das Mobiliar unseres Hauses bestand lediglich aus wenigen Tischen, Liegen und ein paar einfachen Hockern, die bei Bedarf von einem Raum zum anderen getragen wurden. Dann gab es noch ein paar Truhen, in denen wir unsere Kleider, Decken und Felle und wenig Schmuck aufbewahrten.
Mein Vater war ein freier Bürger, ein einfacher Händler. Doch in unserer Stadt fanden derzeit große Baumaßnahmen statt. Dort wurde ihm ein ausreichendes Einkommen geboten, so dass wir sogar in der Lage waren, uns ein paar Sklaven zu halten. Es ist wohl verständlich, dass meine Eltern sich dennoch wünschten, dass es ihren Kindern einmal besser gehen sollte.
Mein Bruder Rasmus durfte eine "Akademie" besuchen, wo ihm Philosophen und Rhetoren Lesen und Schreiben beibrachten und er in schönen Künsten und Sportarten unterrichtet wurde. Er gab dann wiederum seine Kenntnisse an Sophia und mich weiter. Das Lernen machte mir sehr viel Freude, denn mein Wissendurst war unerschöpflich.
Als ich etwa fünfzehn Jahre jung war, wurde ich einem gewissen Krateros versprochen, der schon früh um meine Hand angehalten hatte. Er lebte in einer dieser Villen am Stadtrand mit Säulengängen und Wandmalereien. Seine Wohnräume waren viel wertvoller ausgestattet als unsere. Überall standen diese kostbar bemalten Vasen, wie Ihr sie heute in Euren Museen bewundert, und zeugten von Krateros' Reichtum. Meine Eltern wünschten sich ein besseres Leben für mich, aber meine heimliche Liebe galt einem anderen.
Als Polyneikes aus Pella, ein Freund meiner Eltern, mit seiner Familie zu Besuch in unserem Hause war, verliebte ich mich sofort in dessen Sohn. Ich vergesse nie, wie ich damals diesem hoch gewachsenen dunkelhaarigen jungen Machates vorgestellt wurde. Er wirkte scheu und zurückhaltend. Aber als unser Blick sich traf, erfasste ich in seinen bernsteinfarbenen Augen sein liebevolles Wesen. Seine innere Schönheit verschlug mir den Atem. Wir kamen nur langsam ins Gespräch, doch ich bemerkte, dass Machates für sein Alter unglaublich gebildet war. Ich glaubte, für ihn bestimmt zu sein. Machates erwiderte meine Liebe, aber wir haben zu niemandem ein Wort darüber gesagt. Diese Liebe gab mir die Kraft, mich über die Monotonie meines Alltagslebens zu erheben.
Bei meiner Hochzeit wusste ich schon allein beim Anblick meines Zukünftigen, dass ich diesen niemals lieben konnte. Krateros' Gesicht war hinter einem ungepflegten struppigen Bart verborgen, nur seine gierigen Augen waren frei davon. Und nur, weil ich befürchtete, Machates nie wieder zu sehen, ließ ich mich auf ihn ein.
Nun war ich wohlhabend, besaß Ländereien und leibeigene Sklaven und musste auch nicht mehr selber auf den Markt zum Einkaufen gehen. Auch meine Familie hatte von der Heirat profitiert und lebte von nun an ebenfalls in einer Villa. Aber Krateros liebte nur sich selbst und den Wein. Wie ich es von Anfang an wusste. Er war egoistisch und grausam, wenn ich ihm nicht bedingungslos gehorchte. Ein solches Leben hatte ich mit keiner Sünde verdient! Ich fühlte mich nicht mehr als Frau, sondern als willenloses Wesen ohne Geist und Geschlecht. Ich konnte diesen Zustand kaum ertragen. Trotzdem riss ich mich zusammen und versuchte aus Angst vor Strafe, Krateros eine gute Frau zu sein.

Im Jahr 336 vor eurer Zeitrechnung wurde König Phillip, mitten in den Vorbereitungen zu einem großen Kampf gegen die Perser, ermordet und sein zwanzigjähriger Sohn Alexander riss die Macht an sich. Krateros schloss sich dessen Stab an und ritt in den Krieg.
Monate vergingen, in denen ich keine Nachricht von ihm bekam. Ich wusste über die Aufstände im Norden und die Zerstörung Thebens Bescheid. Aber ich wusste nicht, ob Krateros jemals zurückkommen würde. Ehrlich gesagt, ich hoffte, er würde nicht. Umso weniger, als ich bald feststellen musste, dass ich schwanger von ihm war.

Ich wollte gerade ein Feuer anzünden, als plötzlich ein Schatten auf mich fiel. Ich traute mich gar nicht, den Kopf zu heben, denn der Gestank nach Alkohol verriet mir, wer da vor mir stand. Die Augen meines Gatten waren so kalt wie das Metall an seiner Krieger-Rüstung. Als sein Blick an meinem Bauch haften blieb, verfinsterte sich sein Gesicht. Er schlug mich mit der Faust zu Boden und nannte mich eine Hure. Verzweifelt versuchte ich, auf ihn einzureden, als mich wiederum seine Faust traf und er zu treten anfing. Das Letzte, was ich noch wahrnehmen konnte, war das Blut zwischen meinen Beinen. Dann wurde es Nacht.

Bei allen Göttern des Olymps schwor ich Rache an Krateros, der seither nicht mehr gesehen wurde. Bei der alten Philomele, einer Heilkundigen, die noch mit Beschwörungen und magischen Formeln arbeitete, besorgte ich ein Gift. Dieses wollte ich Krateros in den Wein tun. Der Wein würde verhindern, dass er das Gift erbreche, bevor es wirkte.
Ich schüttete den Inhalt der kleinen Phiole in das Getränk vor mir und rührte es um. Doch dabei änderte ich meine Pläne. Meine Tragödie würde hier enden und ich meinen größten Triumph haben! Ich trank den Giftbecher leer bis zum letzten Tropfen...

Es war erstickend heiß und als ich die Augen aufschlug, sah ich alles wie durch einen roten Schleier. Der Raum begann langsam, sich um mich zu drehen. Wie aus einem Nebel nahm ich wahr, wie meine Mutter auf mich zutrat. Ich versuchte, sie anzusehen und bat um Vergebung. Ich flüsterte ihr zu, dass ich das Gift genommen habe, um meinem Kind über den Styx zu folgen und den Totengott Hades zu bitten, dass meine Sünden nicht das Seelenheil meines unschuldigen Kindes verwirken mögen.
Charito rang sich ein Lächeln ab und versicherte mir, dass sie mir längst vergeben hätte und dass sie im Tempel der Leto, die ja selbst Mutter ist, auch für den Frieden meiner Seele bitten würde.
Beruhigt schloss ich zum letzten Mal die Augen.

Wie viel Zeit in der Welt vergangen war, während meine Seele im Tartaros verweilte, weiß ich nicht mehr so genau.
Irgendwann kam mir jedenfalls das Geflüster der Eumeniden zu Ohren, dass meine inzwischen herangewachsene Schwester Sophia mit dem nun wohlhabenden Machates von Pella verheiratet werden sollte. Die Verlobung würde bald stattfinden und Machates hielt sich zur Zeit in der Villa meiner Eltern auf.
Ich gab mir wirklich alle Mühe, die Eumeniden zu ignorieren, aber sie ließen nicht von mir ab. Zwar wusste ich, dass ich den Hass der Götter auf mich ziehen und die Pforten des Tartaros nie wieder finden würde, falls es mir gelinge, aus ihm zu entfliehen. Aber letztendlich überwältigte mich das Geflüster der Eumeniden und ich erweckte mich selbst zu einer Untoten.

Um Mitternacht, als ich sicher war, dass in der Villa meiner Eltern alle schliefen, verließ ich meine Gruft und schwebte hinauf zum Fenster im Gästezimmer.
Der Anblick des schlafenden Machates erweckte eine nie gekannte Zärtlichkeit in mir. Ich stieg in sein prunkvoll ausgestattetes Gemach und sah auf dem Hocker neben seinem Bett eine Obstschale und eine Wein-Amphore stehen. Machates musste viel getrunken haben, denn seine Wangen waren gerötet und in seinem Atem lag ein Hauch vom Wein.
Ich konnte nicht widerstehen, über sein langes dunkles Haar zu streicheln und bemerkte dabei den Puls in seiner Halsschlagader. Seine langen schwarzen Wimpern zuckten, als ich mich zu ihm hinabbeugte, um seine Stirn zu küssen. Da schlug er plötzlich die Augen auf. Staunen und Zärtlichkeit spiegelten sich in seinem Blick.
Ich erschrak und wollte flüchten, aber er packte mich am Handgelenk und hielt mich fest. Also setzte ich mich schweigend zu ihm. Er zündete eine Öllampe an und ließ sie beinahe fallen, als er mich jetzt erkannte. Er wollte etwas sagen, überlegte, blieb dann aber sprachlos. Die Neugier in seinen Augen ließ sein Gesicht noch lieblicher erscheinen.
Ich reichte ihm den goldenen Ring, den er mir einmal geschenkt hatte, bevor man mich mit Krateros verheiratet hatte, und er erkannte ihn sofort. Wir verbrachten die Nacht in Liebe miteinander, doch ich schaffte es nicht, ihm die Wahrheit über mich zu gestehen.
Gegen Morgen entwand ich mich seinen Armen und versprach ihm, gegen Abend zu ihm zurückzukehren. Als Zeichen seiner Liebe schenkte er mir seinen Eisenring und einen halbvergoldeten Reisebecher und ich verschwand.

Ich besuchte Machates von da an jede Nacht. Vorher jedoch musste ich Menschen jagen, um deren Blut zu trinken, denn Blut ist die Nahrung der Untoten und die Tiere liebte ich zu sehr, als dass ich sie hätte töten können. Machates wartete Abend für Abend in seinem Zimmer, bis ich endlich erschien.
Die Sklaven aber hatten inzwischen bemerkt, dass es im Gästezimmer nicht mit rechten Dingen zuging und lauerten mir auf. Dann liefen sie zu meiner alten Amme und meldeten ihr, sie hätten mich bei Machates gesehen. Die Amme beschimpfte sie zuerst, dass sie sich Gespenster einbilden würden. Dann konnte sie sich jedoch selber davon überzeugen, dass die Sklaven die Wahrheit gesprochen hatten, und lief zu meiner Mutter.
Meine Mutter stellte Machates zur Rede. Machates geriet in Zorn, als sie ihm von meinem Schicksal erzählte, denn er war damals der Meinung, sie würde ihn belügen, damit er von mir ablasse. Umgekehrt konnte Charito nicht glauben, dass ich Machates erschienen sei. Unter Tränen flehte sie ihn an, zu erzählen. Doch Machates blieb zunächst stumm. Er musste schwer mit sich ringen, um ihr schlussendlich doch die Wahrheit zu gestehen.
Nun war natürlich das ganze Haus alarmiert. Demostratos bat Machates, ihm zu unserer Familiengruft zu folgen. Als sie dort meine Grabkammer öffneten, sahen sie auf den Bahren verweste Leichen und Gebeine liegen. Nur meine eigene Bahre machte eine Ausnahme: dort fand man nur noch mein Leichentuch, den Eisenring und den halbvergoldeten Becher von Machates.
Die Bediensteten konnten natürlich den Mund nicht halten und bald war die Sache in der ganzen Stadt bekannt. Der königliche Verwalter der Stadt ließ das Haus absperren und die ganze Nacht bewachen. Machates war darüber sehr verbittert. Er bereute, sich seinen Mitmenschen anvertraut zu haben.

In der folgenden Nacht bat er mich, ihm die Wahrheit zu erzählen. Und als ich mir damit schwer tat, nahm er meine Hände, sah mir tief in die Augen und erzählte mir mein eigenes Geheimnis so wahrhaftig, als wäre er ich selbst! Das tat mir unglaublich weh, denn ich hatte diese Ereignisse in den tiefsten Tiefen meiner Seele verschlossen und jeder Gedanke daran war so schmerzhaft für mich, dass ich ihn sofort verdrängte.
Ich flehte Machates an, mit seiner Analyse aufzuhören und als er trotzdem weitersprach, stieg Hass in mir auf.
In einem Anfall blinder Wut sprang ich ihm an den Hals und biss zu. Noch im selben Augenblick erschrak ich aber über meine Tat, als mir diese bewusst wurde, und ließ von ihm ab. Doch Machates hatte stillgehalten und sich nicht einmal gewehrt.
Jetzt sah er mich nur an. Ich konnte sein Blut noch schmecken. Dünne rote Fäden rannten über seinen Hals. Aber ich konnte in seinen Augen nicht die geringste Spur von Zorn oder Verachtung entdecken, nur Liebe, Vertrauen und Verständnis, ehrlich und bedingungslos! Ich fühlte mich so schlecht!
Die ganze Nacht lag ich an seiner Schulter und weinte. Dann war ich so erschöpft, dass ich einschlief.
Ich wachte erst wieder auf, als ich Schreie hörte. Vor mir standen Charito, Demostratos und meine alte Amme, die mich in die Arme schließen wollten. Ich aber fürchtete, dass gleich die ganze Stadt hereinkommen und mich begaffen würde und sah Machates´ verzweifeltes Gesicht.
Ich nahm Abschied von ihnen allen und sprang aus dem Fenster. Ich musste so schnell wie möglich aus Amphipolis verschwinden. Armer Machates! Mit meiner Flucht habe ich ihm sehr wehgetan, obwohl er mich doch beschützen wollte!

Hyllos, der alte Seher von Amphipolis, riet den Einwohnern, dem Gott Zeus, als dem Gott des Gastrechts, sowie Hermes und Ares Opfer darzubringen. Dann errichteten sie einen riesigen Scheiterhaufen, auf dem sie mich verbrennen und außerhalb der Stadt beisetzen wollten, aber sie haben mich nie gefunden.

Machates konnte das alles nicht verkraften. Er löste die Verlobung mit Sophia und musste aus Griechenland fliehen, denn er war nun in einem Alter, in dem Ehelosigkeit strafbar wurde. Seinen ganzen Besitz schenkte er meiner Familie als Entschädigung und verschwand.

Was dann aus uns geworden ist, werde ich ein anderes Mal erzählen.

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