Kurzgeschichten-Stories
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geschrieben 2020 von Christine Todsen.
Veröffentlicht: 18.04.2020. Rubrik: Grusel und Horror


Sprachwissenschaft mit Gruselfaktor

Die vermutlich merkwürdigste Vorsilbe unserer Sprache ist un-. Vor Adjektiven ist sie noch problemlos. Dort verkehrt sie den Sinn des Wortes in sein Gegenteil: schön–unschön.

Vor Substantiven dagegen kann sie die verschiedensten Funktionen erfüllen. Bei Unglück oder Unschärfe erzeugt sie wie bei Adjektiven das Gegenteil. Anders bei Unwetter oder Untier – hier bedeutet sie „schlimm, bedrohlich“. So auch bei Unfall, wobei Fall als „Vorfall“ zu verstehen ist. Als Kind fand ich das Wort Unfall anfangs unlogisch und sagte lieber „Umfall“ mit der Begründung, dabei falle ja jemand um.

Völlig anders wiederum ist die Bedeutung der Vorsilbe bei Unmenge: „besonders große“ Menge. Und das Verrückteste überhaupt ist das Wort Untiefe. Es bezeichnet nämlich zweierlei: sowohl eine nicht tiefe Stelle in einem Gewässer (hier fungiert die Silbe wie bei Unschärfe) als auch eine sehr tiefe (wie bei Unmenge).

Da Kurzgeschichten-Stories nicht für sprachwissenschaftliche Abhandlungen, sondern für Geschichten gedacht ist, beeile ich mich, das Obige mittels einer kleinen Gruselstory zu verdeutlichen:

Das Untier

An einer bestimmten Stelle am Meer waren immer wieder Wanderer spurlos verschwunden. Alten Sagen zufolge sollte sich dort an der Küste ein Untier aufhalten, ein abgrundtief böser Drache.

Ein Forscher vermutete, was geschehen sein könnte. Ihm war bekannt, dass der Strand dort zwar flach war, hinter der Wassergrenze jedoch sofort steil abfiel. Allerdings führte der Weg in einiger Entfernung am Strand vorbei, und es war unwahrscheinlich, dass Wanderer den Pfad verließen. Es sei denn, das Untier…

Nur mit einer Badehose bekleidet, näherte sich der Forscher an einem heißen Sommertag jener Stelle. Obwohl er vorbereitet war, stockte ihm der Atem, als er neben dem Wanderweg eine bizarre Kreatur liegen sah. Jetzt sprach sie ihn an!

„Nett, dass endlich mal wieder jemand kommt! Hier ist der Strand doch so schön! Geh doch mal ins Wasser! Hab keine Angst, es ist eine Untiefe…“

So eine Bestie, dachte der Forscher. Sie schickt die Menschen ins Verderben und lügt dabei nicht einmal, denn Untiefe hat ja zwei Bedeutungen.

„Gern“, sagte er und ging bis zur Wassergrenze. Hinter sich spürte er den Blick der Kreatur, die nur auf seinen nächsten Schritt wartete. Aber da sollte sie sich täuschen, denn mit einem gewaltigen Sprung landete der geübte Schwimmer im Wasser, schwamm geradeaus und rief lachend: „Fang mich doch! Fang mich doch!“

Wutentbrannt stürzte das Untier hinter ihm her, vergaß dabei, dass an der Wassergrenze sofort die Tiefe begann, und ertrank jämmerlich.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

Einen Kommentar schreiben

geschrieben von Dan Prescot am 19.04.2020:

Unglaublich! ;-)

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