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1xhab ich gern gelesen
geschrieben von francois.
Veröffentlicht: 10.07.2020. Rubrik: Unsortiert


UNARMUNG

Zuerst dachte ich an einen schlechten Scherz als meine innigste Liebe mir ein Letterchen sandte, so nannte sie die kleinen, wohlriechenden farbigen Zettelchen die sie beinahe täglich mir per Eilpost zustellen liess. Musste ihr ein Vermögen kosten. Aber die Wege der Liebe sind unerschöpflich und lassen oft Logik bleich aussehen, da deren Farben so kräftig und ausdrucksvoll sind.
Ja, und an jenem Tag, als ich vom Jobmalochen um 10.15, meine Frühschicht hatte um zwei Uhr früh begonnen, nach Hause kam, lag das bunte Briefchen in meinem Briekasten den ich wie immer hastig und erwartungsvoll öffnete. Riss den Umschlag auf. Atmete dabei den Duft voller Erwartung auf das kommende Wochenende ein. Nur ein einziges Wort zierte das rosa Blatt. Jeder Buchstaben in anderer Farbe ausgemalt. Grossbuchstaben. Riesige, in der Proportion des Briefchens gemessen. Mit ebensolcher Liebe geformt folgerte ich daraus. U N A R M U N G entzifferten meine liebestrunkenen Pupillen. Ahh, dachte ich wieder so ein Legasthenie Fehler. Buchstabenverwicklung, als sei das der Faden der Ariadne. Setzte mich, das Briefchen neben meiner Tasse legend, an meinen Frühstückstisch, der seiner Opulenz wegen eher einer Schlachtplatte glich. Immerhin hatte ich ja einen vollen Arbeitstag oder Arbeitsnacht hinter mir, sodass dieses Mahl mehr als verdient, ja erarbeitet war. Las und las bei jedem Bissen das Wort. Entkleidete dabei jeden Buchstaben. Entfernte die Ecken. Bewunderte die Rundungen. Vergass dabei den heissen Kaffee zu trinken. Bemerkte, als ich die Tasse zu den Lippen führte, dass mein Glücksgetränk sich mit Kälte bereichert hatte. Und da! Ein Blitzgedanke erschütterte mein ganzes Wesen. War das N absichtlich eingefügt? Mit dem M ausgetauscht worden. Unarmung? Das Gegenteil von Umarmung?
Seit diesem eingeschlagenen Blitz warte ich seit Tagen auf ein nächstes Briefchen. Auf ein Lebenszeichen meiner Liebsten. Und da ich in der Setzerei unserer Tageszeitung im Schichtbetrieb arbeite, wundern Sie sich nicht über den Austausch von M‘s mit N‘s, wenn solche zu entdecken sind. Sie sind auf die Verarbeitung meines Traumas zurückzuführen. Oder hat der Virus Coroma die Hände im Spiel ...?


Gute Sommerzeit wünscht herzlichst
Ihr François Loeb

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