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1xhab ich gern gelesen
geschrieben von Sun-Go.
Veröffentlicht: 04.09.2021. Rubrik: Menschliches


Als ich mir mein eigenes Herz brach.

Was definiert einen Empathen? Nun, der Begriff Empath ist abgeleitet von der Empathie, welche -nach der Definition der Psychologie- die Fähigkeit beschreibt, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen. Ein Empath ist demnach ein Mensch, welcher auf natürliche Weise, quasi automatisch, die Emotionen und Zustände seiner Mitmenschen wahrnimmt. Mehr als das, kann oder gar muss er diese Emotionen wortwörtlich „mitfühlen“, sprich: er erlebt diese Emotionen für sich selbst, wodurch ein noch bewussteres Nachvollziehen und Verstehen anderer Menschen gewährt wird. Solche Menschen haben die angeborene Gabe „sich in andere hineinzuversetzen“ obwohl es mehr ein Kopieren und nacherleben anderer ist. Solche Menschen findet man häufig in sozialen Berufen. Wieso? Nun, viele meinen, dass soziale Berufe eine gewisse Grundempathie erfordern. Aber warum eigentlich? Wäre es nicht einfacher, einen kalten Roboter als Berater zu haben, welcher rein logisch und rational denkt, den effizientesten Weg findet um jemanden aus seiner objektiven Misere zu holen? In der Theorie ja. Aber so ein rationaler Roboter würde vermutlich Menschen mit Depressionen raten, einfach glücklicher zu sein. Meine Theorie, warum Empathen oft in sozialen Berufen zu finden sind, ist dass sie allein durch ihre Empathie mitbekommen, wie schlecht es den Menschen wirklich geht. Sie erleben es in ihrer eigenen Haut, wodurch sie einen subjektiven Draht zu einem Problem schaffen. Ein Mitarbeiter im Sozialen Dienst weiß ganz genau, dass der Mörder am besten einfach nicht mehr morden sollte. Sich einen Job suchen, nach den Gesetzen leben etc. Aber wenn es so einfach wäre, bräuchte man nicht solch einen Mitarbeiter. Der Empath wird, auf die eine oder andere Weise, sich so sehr in einen anderen Menschen hineinversetzen können, dass er vielleicht sogar „nachvollziehen“ kann, weswegen jene Person ein Verbrechen begangen hat. Nach dem Motto: „Na gut, in deiner Situation hätte ich vermutlich das gleiche getan.“
*
Empathen haben eine natürliche Gabe, jedmögliche Perspektive zu verstehen. Was ihnen den Vorteil gibt, mithilfe von externem Wissen (zum Beispiel durchs Studium) einen Weg für eine Person zu finden, welcher der Person auch physisch und vor allem psychisch möglich ist. Warum erzähle ich von dieser Theorie?
Nun, ein Empath zu sein hat eindeutige Vorteile, aber mindestens genauso viele Nachteile. In den meisten Fällen ist Empathie etwas, was man nicht einfach an- und ausschalten kann. Wenn ein Empath jemanden aktiv Schaden zufügt, versetzt er sich automatisch in die Lage der Person und weiß intuitiv, was das genau für einen Schaden angerichtet hat. Daher sind der Großteil der Empathen auch Konflikt- und vor allem Gewaltscheu. Sie wissen, wie sich eine andere Person fühlt und machen zu nahezu 100% dieselbe Erfahrung. In dem Moment, wo man
-beispielsweise- jemanden ins Gesicht schlägt, stellt man sich sofort vor, wie sich das anfühlt, und direkt fühlt man sich schlecht. Ein ziemlich altes Buch hat das Ganze in einem Satz, oder eher Regel zusammengefasst, welcher später in einen Reim gewechselt wurde: „Was du nicht willst, dass man dir tu‘, das füg auch keinem andern zu.“ Was viele Leute dabei nicht bedenken: Es handelt sich hierbei nicht nur um physische Gewalt. Niemand möchte niedergeredet werden, ignoriert, oder ähnliches. Ein Empath wird demnach auch dort genau auf seine Wortwahl achten, denn er kann sich ganz genau vorstellen, wie sich sowas anfühlt. Was wenn man also als Empath in folgende Situation kommt: Eine Person gesteht dir ihre Gefühle auf subtile Art und Weise. Sie lädt dich zu sich nach Hause ein, meint dass man bei ihr übernachten kann, ein gemeinsames Frühstück etc. Die Person weiß ganz genau, dass du nur 2 Minuten entfernt wohnst, dass du kein Frühstücker bist etc. Und durch die Empathie weiß man auch, dass die Person vermutlich einen Grund hat, dich zu sich einzuladen. Aber die Gefühle sind leider nicht gleich. Man sagt genau das, was Sache ist und tanzt dabei um das Eindeutige herum: Ich wohne doch direkt hier, Frühstück passt mir nicht . . . Irgendwann kommt es zur letzten wiederholten Frage: „Ich biete dir nochmals an, mit mir zu kommen, du schläfst bei mir, wir machen ein gemeinsames Frühstück und dann gucken wir.“

Das Gespräch hat mir mein eigenes Herz gebrochen.
Man sieht sofort die kleinen Details: Die Enttäuschung in den Augen, das mittlerweile nur noch aufgesetzte Lächeln, der leichteste Hauch eines Zitterns, welches man garantiert selbst verspürt. Ich habe mich Gott weiß wie oft entschuldigt, sie fragte warum ich mich entschuldige. Na ganz einfach. Ich weiß ganz genau, was du gerade durchmachst. Und der Fakt, dass ich die Ursache bin, macht es nicht einfacher.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Winterrose am 05.09.2021:

Du musst dich nicht für deine Gefühle rechtfertigen, schämen oder dich schlecht fühlen, Sun-Go. Wenn du nichts für eine Person empfindest, du es ihr aber trotzdem recht machen möchtest und dir selbst Vorwürfe machst - wo bleibst dann du, mit deinen Gefühlen? Du kannst nichts dafür und wenn die Person dich mag oder vielleicht sogar liebt, wird sie dich so sein lassen, dich los lassen - denn das ist wahre Liebe.

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