Makabre Mathematik

Der Schwerverbrecher Max Müller, 30, hatte den gleichaltrigen Franz Fischer auf brutale Weise umgebracht. Dafür wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt, unter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Letzteres schließt eine Haftentlassung nach 15 Jahren fast völlig aus.

Franz Fischer war verheiratet, konnte jedoch keine Kinder zeugen. Da ein Boulevardblatt dies erwähnte (wofür es später gerügt wurde!), erfuhr auch Max Müller im Gefängnis davon.

Fünf Jahre nach dem Mord heiratete Franz‘ Witwe Jenny erneut und bekam mit ihrem neuen Mann Lars Lehmann die Zwillinge Kevin und Chantal.

Auch dies erfuhr Max Müller und beantragte eine Reduzierung seiner Strafe. Begründung: „Durch mich ist zwar 1 Mensch zu Tode gekommen. Aber 2 Menschen wurden geboren (und bekommen vielleicht noch Geschwister), die es ohne meine Tat nicht gäbe.“ Das Gericht schmetterte den Antrag ab.

Als Max Müller seit 14 Jahren im Gefängnis saß, waren die Zwillinge Kevin und Chantal acht Jahre alt. Max schrieb einen Brief an Jenny Lehmann, verwitwete Fischer:

Sehr geehrte Frau Lehmann,
es tut mir leid, dass ich Ihren ersten Ehemann getötet habe. Dafür wurde ich, wie Sie wissen, zu lebenslanger Haft verurteilt. Nächstes Jahr werde ich seit 15 Jahren im Gefängnis sein und könnte auf vorzeitige Entlassung hoffen, wäre nicht die „besondere Schwere der Schuld“ festgestellt worden. Inzwischen haben Sie mit Ihrem neuen Mann zwei Kinder. Diese gäbe es ohne meine Tat nicht. Ich habe 1 Menschen getötet und dadurch 2 Menschen das Leben ermöglicht, sodass per Saldo durch meine Tat 1 Mensch mehr auf der Welt ist. Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass ich nächstes Jahr freikomme.
Beste Grüße
Max Müller

Fünf Tage später kam die Antwort:

Herr Müller,
Ihrer Bitte werde ich ganz gewiss nicht entsprechen. Ihre Mathematik, durch Ihre Tat gäbe es 1 Menschen mehr auf der Welt (2 Kinder minus 1 Mordopfer), ist moralisch verwerflich. Im Übrigen: Mein jetziger Mann hat sich wegen mir von seiner damaligen Freundin getrennt, die mit ihm 4 Kinder haben wollte. Mit mir hat er 2, und mehr Kinder planen wir nicht. Ohne Ihre Tat würde mein erster Mann noch leben, und mein jetziger Mann hätte möglicherweise 4 statt 2 Kinder… jetzt rechnen Sie noch mal. Oder noch besser: Schmoren Sie in der Hölle.
Das wünscht Ihnen von Herzen
Jenny Lehmann

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