Kurzgeschichten-Stories
Autor
Schreib, wie du willst!
Startseite - Registrieren - Login - Kontakt - Impressum
Menu anzeigenMenu anzeigen
2xhab ich gern gelesen
geschrieben 2022 von die Juditha.
Veröffentlicht: 24.05.2022. Rubrik: Persönliches


Landausflug

Es ist weithin bekannt, dass der gemeine Durchschnittstädter gerne am Wochenende einen Ausflug aufs Land macht. So auch ich. Dazu fiel mir an einem späten Märztag ein Flyer in die Hände: „Kommt raus nach Breisgau Muckern!“
Bei eisigen Temperaturen und klarer kalter Luft machten Timm und ich einen Ausflug auf´s Land. Zum Wochenende der offenen Tür des Kunsthandwerks nach Breisgau-Muckern. Kunsthandwerk. Mir liegt es sehr am Herzen. Denn eine Nation oder eine Gesellschaft lernt man über 4 Aspekte kennen: Wie heiraten sie? Wie ehren sie ihre Toten? Welcher Religion gehen sie nach? Und Welches Kunsthandwerk üben sie aus? Gehen Sie, lieber Leser, mal in ein Museum für Völkerkunde. Jeder Volksstamm, wird nach diesen vier Fragen vorgestellt. Das wiederholt sich immer wieder. Was bleibt also von uns modernen Deutschen, wenn wir entweder beispielsweise auf den Philippinen vor- oder in 300 Jahren in einem Museum ausgestellt werden? - Unsere Ahnen werden ignoriert und wir glauben an uns und verehren materielle Dinge. Ecken, Kanten und rechte Winkel bestimmen unseren Sinn für Schönheit. Unsere Hochzeiten sind eher auf kurzfristige Ehen ausgelegt. Und das Kunsthandwerk, woran ich als ersten denken muss, kommt aus Sachsen. Hier werden Nussknacker, Schwibbögen, Engel und Bergmänner sowie Räuchermännchen aus Holz gefertigt. So ein sächsisches Dorf ist Breisgau-Muckern. Zum Samstag der offenen Tür besuchte ich einen Workshop und probierte mich im Korbflechten aus. In dieser Zeit machte Timmi einen Spaziergang und entdeckte viele Zeichen, aus welcher Zeit die Häuser stammten. Aus dem Mittelalter. Fachwerkhäuser, die im 14 Jahrhundert gebaut wurden, hatten noch ihre hölzernen Fassadenumrandung wie auf alten Burgen. Die Fachwerke wirkten seit Jahr und Tag sehr gepflegt und waren in vielen Farben gestrichen. Eine alte kleine Feldsteinkirche stammte noch aus derselben Zeit. Um diese Kirche herum reihten sich Dreiseitenhöfe zu einem Kreis. Sie wurden mit verschiedenen Gewerken bewirtschaftet. Die Bewohner verstanden es, aus alten Dingen etwas Schönes zu bauen oder aus Dingen aus der Natur Praktisches und Schönes zu erschaffen – oder Heilendes wie die Kräuterfee, die uns Tee, Pfannkuchen und Suppen anbot. Auf einem dieser 3-Seitenhöfe trafen sich ein Möbeltischler, eine Bildhauerin, ein Mosaikkünstler, die Kräuterfee, die Verkäuferin aus dem Laden für Schöne Dinge und die Korbflechterin, bei der ich schnupperte. Sie waren sich einig, wirkten zusammen - wie eine Einheit verwoben. In der Stadt kann ich Kunstwerke entweder anschauen oder anhören. So mittendrin in gelebter Geschichte, Kultur, heilender Kreativität und Gemeinschaft war ich bisher nur in diesem Jahrhunderte altem Dorf auf dem Lande, an einem See, von dem ich noch nie etwas gehört hatte, obwohl ich in der benachbarten Großstadt wohne.

counter2xhab ich gern gelesen

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

Einen Kommentar schreiben

geschrieben von Gari Helwer am 24.05.2022:
Kommentar gern gelesen.
Die Menschheit konnte sich wohl mit einem überschaubaren Leben in der Gemeinschaft nicht zufrieden geben. Höher, weiter, mehr - Fortschritt! Wohin? Jetzt machen wir Alles kaputt, zerstören unseren eigenen Lebensraum und die Seele nimmt Schaden... Gemeinschaft? Heute zählt (für Viele) nur das Ego. Was Schönes schaffen? Dafür braucht es Muße. Wohl dem, der die heute noch für sich in Anspruch nehmen kann! Deine Geschichte hat mich sehr angesprochen - liebe Grüße!




geschrieben von die Juditha am 25.05.2022:

Heute können wir ganz individuell gut überleben -so auf uns allein gestellt. Damals ging das nicht. In der Zeit war es überlebenswichtig, in der Gemeinschaft zu leben, und somit selbstverständlich. Ich finde es auch wirklich schade, dass wir uns in der Gesellschaft so verloren haben. Auf dem Land haben viele vielleicht die Muße und die Ruhe ohne großartig mit ihrem Können angeben zu müssen.

Weitere Kurzgeschichten von diesem Autor:

Wie klein ist doch der Augenblick
Der gruselige Mann im Wald
Ein Bauer in der Stadt
Kenne dich in dem aus, was du tust
Grenzen