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geschrieben 2022 von Christine Todsen.
Veröffentlicht: 27.05.2022. Rubrik: Lustiges


Die Sprache Caba

Ein deutscher Linguist namens Carl Bauer wollte eine äußerst einfach zu erlernende Kunstsprache erschaffen, indem er aus allen ihm bekannten natürlichen Sprachen jeweils das Leichteste verwertete. Die Sprache sollte den Namen Caba tragen, zusammengesetzt aus den ersten beiden Buchstaben seines Vor- und seines Nachnamens. Seiner Frau Nina erläuterte er seinen Plan wie folgt:

SatirepatzerSatirepatzer„Im Englischen zum Beispiel ist ‚you‘ am einfachsten. Es entspricht einer ganzen Masse von Wörtern im Deutschen: du, dir, dich, ihr, euch, Sie, Ihnen… Caba hätte ebenfalls nur dieses einzige Wort, und zwar mit der phonetischen Schreibung ‚ju‘. Das Finnische wiederum benutzt für ‚er‘, ‚sie‘ und ‚es‘ ein und denselben Begriff: ‚hän‘. Auch den übernehme ich, mit der vereinfachten Schreibweise ‚hen‘.“

Staunend erfuhr Nina, dass sogar ihrer beider Muttersprache, das als schwer geltende Deutsch, eine Einfachheit aufwies. „Während Adverbien in anderen Sprachen meist durch Hinzufügen einer Endung ans Adjektiv gebildet werden, dient im Deutschen die Grundform des Adjektivs als Adverb. Englisch ‚he spoke slowly‘, Französisch ‚il parlait lentement‘, aber Deutsch ‚er sprach langsam‘!“

Eines Tages hatte Nina eine große Überraschung für ihren Mann: „Liebster, wir werden Eltern!“ Carl war glücklich, denn sie hatten sich Kinder gewünscht. Doch schon nach wenigen Minuten brach sich der Linguist in ihm wieder Bahn: „Ich werde mich bemühen, meine Sprache Caba bis zur Geburt unseres Babys fertigzustellen, sodass es sie als Muttersprache lernt!“

Nina runzelte die Stirn: „Nein! Caba ist doch nur für Erwachsene als leicht zu erlernende Zweitsprache gedacht! Kinder können alle Sprachen lernen. Deshalb ist es sogar gut, wenn ihre Erstsprache so schwierig wie nur möglich ist! Wir beide werden Deutsch mit dem Baby sprechen, und außerdem werden wir eine dunkelhäutige Nanny aus Südafrika einstellen, die eine dieser extrem komplizierten Klicksprachen spricht. Dadurch wird unser Kind auch gar nicht erst anfällig für Rassismus.“

„Welche Gedanken du dir schon gemacht hast!“, wunderte Carl sich. „Na, ich werde mich trotzdem mit der neuen Sprache beeilen. Damit ich möglichst viel Zeit für das Kleine habe.“

Etwa anderthalb Jahre später:

„Liebster, wo bleibst du? Wir wollen essen! Lesedi spricht so nett mit Klein-Pia. Diese Klick- und Schnalzlaute werden ihr Gehirn bestimmt anregen.“

Als Carl schließlich ins Zimmer trat, merkte seine Frau ihm an, dass etwas nicht stimmte. Bald erfuhr sie, was ihn bedrückte.

„Ein Linguistenteam hat meine neue Sprache Caba begutachtet und ein vernichtendes Urteil gefällt. Sie sei keinesfalls einfach zu erlernen, sondern im Gegenteil besonders schwer!“

„Das darf nicht wahr sein!“, rief Nina aus. „Einfacher als bei Caba geht es doch gar nicht!“

„Sollte man meinen. Aber die Kollegen behaupten, gerade die Einfachheit mache Caba schwierig. Wenn es zum Beispiel für ‚du, ihr, Sie‘ und für ‚er, sie, es‘ nur jeweils ein einziges Wort gibt, müsse man entweder mit zusätzlichen Informationen verdeutlichen, was gemeint ist, oder vom Hörer beziehungsweise Leser eine gewaltige Kombinationsleistung verlangen.“

Nina hatte Mitleid mit Carl. Sie wusste, wie sehr er sich in die Arbeit hineingekniet hatte. Doch dann kam ihr ein rettender Gedanke.

„Dann eignet Caba sich ja doch für Klein-Pia! Du sprichst ab jetzt immer Caba mit ihr, ich weiterhin Deutsch und Lesedi weiterhin die Klicksprache. Auf diese Weise lernt sie nicht nur wie bisher Grammatik und Phonetik, sondern auch das Kombinieren!“

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Christine Todsen am 28.05.2022:

Tatsächlich gibt es eine Plansprache namens Toki Pona, die aus lediglich 123 Basis-Wörtern besteht: https://de.wikipedia.org/wiki/Toki_Pona

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